Die Disney-Studios setzen ihre Bemühungen fort, sich mit ihren Animationsfilmen Kulturkreisen zu widmen, die in ihrem bisherigen, doch recht bleichgesichtigen Katalog nicht vertreten waren. Nach dem Südsee-Ausflug in "Vaiana" geht es jetzt nach Südostasien, und auch in "Raya und der letzte Drache" bemüht man sich ziemlich erfolgreich, das Stereotyp der "Disney-Prinzessin" fürs 21. Jahrhundert aufzumöbeln. Ähnlich wie zuvor schon Vaiana ist auch Raya ein waschechte Abenteurerin und kommt in diesem sehr flott inszenierten Fantasy-Epos wie eine waschechte Actionheldin daher.
Die genaue Geschichte von "Raya und der letzte Drache" braucht einiges an Exposition, was der Film gleich zu Anfang möglichst rasch abzuhandeln versucht. Trotzdem gibt es einiges zu erklären, wir beschränken uns hier nur aufs Allerdürftigste: In einem von bösen Wesen bedrohten, post-apokalyptischen Fantasie-Land versucht die junge Heldin Raya einen sagenumwobenen Drachen ausfindig zu machen und die Bruchstücke eines legendären Juwels aus den zutiefst verfeindeten fünf Reichen des Landes zu requirieren, um ihre Heimat zu alter Pracht und Friedfertigkeit zurückzuführen.
Bis die ganze Mythologie aufgedröselt ist, die die Feinheiten dieses groben Plots ausmacht, dauert's ein bisschen, aber man muss dem Drehbuch auf jeden Fall zugute halten, dass es diese Erklärerei schnell und schnörkellos über die Bühne bringt. Wobei hier ohnehin alles ziemlich schnell über die Bühne geht: "Raya" hat ein sehr ordentliches Tempo, von dem sich manch ausladende Actionorgie mal eine Scheibe abschneiden könnte. Dasselbe gilt für die Inszenierung, denn auch die ausgiebigen Action-Sequenzen nutzen ziemlich beeindruckend das moderne Handwerkszeug ihres Genres und versprühen nicht nur wegen ihres unterliegenden Plots - die meiste Zeit geht es eben um die Aneignung wertvoller Artefakte - eher den Charme eines rasanten "Indiana Jones"-Abenteuers als eines familienfreundlich gemächlichen klassischen Animationsfilms.
Tatsächlich ist "Raya" streckenweise so rasant und Action-lastig inszeniert, dass man sich ein bisschen fragt, ob das für Kinder nicht fast schon ein bisschen zu schnell ist. Für Erwachsene wiederum ist die Story doch einen Tick zu simpel: Rayas genaue Mission und ihr finales Ergebnis sind von Anfang an glasklar, die Geschichte bedient sich dabei bekannter Fantasy-Standards. Das macht die Handlung vorhersehbar und überraschungsarm, ein Manko, dass auch der stetige Vorwärtsdrang des Films nur bedingt kompensieren kann.
Wirklich großartig ist dafür das Welten- und Charakterdesign: Das Figuren-Ensemble ist sehr gelungen, die Tatsache, dass die drei zentralen Hauptfiguren allesamt weiblich sind, ein erfreuliches Detail, das ebenfalls auf die Modernisierung des "Disney Prinzessin"-Archetyps einzahlt - eine konventionelle Liebesgeschichte als Subplot hat eine zeitgemäße Heldin nicht mehr nötig. Die größte Freude des Films ist jedoch seine Handlungswelt, bzw. -welten: Die fünf ganz unterschiedlichen Reiche, die das Fantasie-Land Kumandra ausmachen, sind herrlich konzipiert und erfüllen den Kernanspruch an gelungene Fantasy: Eine Welt, in die man nur allzu gern eintaucht.
"Raya und der letzte Drache" ist sicher nicht der größte Disney-Wurf der jüngeren Geschichte, aber auf jeden Fall ein sehr kurzweiliges und optisch beeindruckendes Abenteuer-Epos, das durchaus Lust auf noch mehr Disney-Erkundungen in unterrepräsentierte Kulturkreise macht.
"Raya und der letzte Drache" steht seit dem 5. März auf Disney+ zur Verfügung, gegen einen extra zu zahlenden "VIP-Zugang" für 22 Euro. Zum gleichen Kaufpreis ist der Film mittlerweile auch bei allen gängigen VoD-Anbietern erhältlich. Ab dem 04. Juni steht "Raya" allen Abonnenten von Disney+ ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung.
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