Pinocchio

Land
Jahr
2022
Laufzeit
100 min
Release Date
Streaming
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 8. September 2022

Disney macht munter weiter mit der Neuverfilmung seiner eigenen Zeichentrick-Klassiker als Realfilm, bzw. als von sehr viel Computeranimationen unterstützter Realfilm. Nach u.a. dem "Jungle Book", dem "König der Löwen", "Die Schöne und das Biest" und ein paar anderen ist nun also "Pinocchio" dran, und für die Star-Power hat man sich diesmal Tom Hanks geleistet, der als Meister Geppetto den berühmten Jungen aus Holz schnitzen darf. Obwohl diese Neuverfilmungen die Kinokassen bisher immer ziemlich ordentlich haben klingeln lassen, wird "Pinocchio" nun direkt auf dem hauseigenen Streaming-Dienst veröffentlicht - als Hauptattraktion des neu erschaffenen "Disney+ Day", der mit einem ganzen Schwung neuem Content und ein paar externen Feierlichkeiten lockt. Und übrigens mit einem guten Angebot für alle, die den Streaming-Dienst mal antesten wollen: Vom 8. bis 20. September zahlen neue oder wiederkehrende Abonnenten für den ersten Monat nur 1,99€. Und danach kann man theoretisch natürlich gleich wieder kündigen. 

Der neue "Pinocchio" wurde in die Hände von Altmeister Robert Zemeckis gelegt, der anno dazumal mit "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" ja schonmal auf legendäre Weise Realdarsteller und Animationsfiguren zusammen agieren ließ (wer ganz genau aufpasst, wird hier auch eine kleine Referenz an diesen Klassiker entdecken). Zemeckis macht seine Arbeit erwartungsgemäß auch sehr ordentlich und versteht es, sein bestes Kapital - namentlich: Tom Hanks - mit hohem Ertrag einzusetzen. Geppetto ist ja eigentlich nur eine Nebenfigur und über weite Teile der Handlung von "Pinocchio" gar nicht richtig präsent (das gilt sowohl für die literarische Vorlage von Carlo Collodi als auch den Disney-Trickfilm von 1940, an dem man sich hier inhaltlich treu orientiert). Dennoch schafft man es, den alten Uhrmacher zum emotionalen Zentrum des Films zu machen, indem man sich vor allem eine zentrale Variierung zum Ursprungsstoff erlaubt und Geppetto mit einem wichtigen neuen Backstory-Detail ausstattet. Hanks weiß, was daraus zu machen ist, und beweist mit einer berührenden, herzenswarmen Vorstellung, dass er sein Geld immer noch absolut wert ist.

Apropos Geld: die deutlich mehr als 100 Millionen Dollar Produktionskosten sind hier sehr deutlich zu sehen. "Pinocchio" ist visuell wirklich ein Fest, großes Kino für den kleinen Bildschirm, das sowohl mit der nahtlosen Interaktion zwischen echten und animierten Figuren beeindruckt als auch mit seiner Flut wirklich hübscher Bilder. 

Aber: Eine so richtig packende Geschichte wird da immer noch nicht draus. Das erste Viertel, das ausschließlich in Geppettos Werkstatt spielt und die "Geburtsnacht" des kleinen Jungen aus Holz erzählt, ist ein liebevoll und einnehmend umgesetzter kleiner Kosmos für sich. Doch sobald das vorbei ist, Pinocchio zu seinem ersten Schultag aufbricht und aufgrund diverser Verstrickungen erstmal nicht wieder nach Hause kommt, krankt auch diese Verfilmung am selben Problem wie ihr historisches Vorbild: Der Plot von "Pinocchio" ist halt einfach keine richtig runde Geschichte, sondern eine Aneinanderreihung von Episoden und kleinen Abenteuern. Das liegt natürlich an der literarischen Vorlage, die eine Geschichtensammlung und kein gebündelter Roman ist. Aber die daraus resultierende fehlende Stringenz und suboptimale Dramaturgie kann auch diese Verfilmung nicht überwinden (gut, wie soll sie auch, bis auf kleine Änderungen wiederholt sie ja im Kern exakt den Plot des 1940er Films, der dieses Problem auch nicht lösen konnte). 

Trotz ordentlichen Tempos lässt die Involvierung bei "Pinocchio" mit zunehmender Laufzeit darum immer mehr nach, wenn sich Episode an Episode reiht, ohne dass dabei wirklich ein erzählerischer Bogen entsteht. Wenn man bedenkt, dass das ein Grundproblem dieses Stoffes ist, der für eine filmische Aufarbeitung eigentlich ein enormes Handicap darstellt, ist es erstaunlich, dass es in der weltweiten Filmgeschichte bereits mehrere Dutzend Verfilmungen von "Pinocchio" gibt - und die nächste schon in den Startlöchern steht. Noch dieses Jahr wird auch Guillermo del Toro seine Variation dieses Märchens auf die Leinwände bringen. Man kann damit rechnen, dass es dort ein bisschen weniger werkgetreu zugehen wird. Ob wenigstens del Toro die inhärenten dramaturgischen Schwächen von "Pinocchio" überwinden kann, bleibt abzuwarten. Diese Verfilmung kann es, trotz ihrer enormen und beeindruckenden Qualität in der handwerklichen Umsetzung, jedenfalls nicht. 

Bilder: Copyright

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