Er
sitzt an einem Blackjack-Tisch und spielt. Immer weiter. Fast regungslos.
Er will nichts essen, er will keine Gesellschaft. Er will keine
Frauen, und er will kein tolles Hotelzimmer. Er will nur spielen.
Er will noch nicht einmal gewinnen, höchstens, um mehr Geld
zum spielen zu haben. Und er spielt, bis um sechs Uhr morgens das
Casino schließt, oder bis sein gesamtes Geld weg ist. Dann
fährt er nach Hause, in die Bank, für die er als Fond-Manager
arbeitet, zwackt ein bisschen mehr Geld ab, fährt zurück,
und spielt weiter. Das trieb der Kanadier Dan Mahowny, einer der
berühmtesten Zocker aller Zeiten, über Monate so. Als
er 1982 festgenommen wurde, hatte er mehr als zehn Millionen veruntreute
Dollar auf den Spieltischen von Atlantic City und Las Vegas gelassen.
Als er verhaftet wurde, wollte Mahowny als erstes in seiner Bank
anrufen - um zu erklären, warum er zu spät zur Arbeit
kommt.
"Owning Mahowny" ist nun die Verfilmung dieser Geschichte,
die sich als komplexes Charakterporträt des stillen, zurückhaltenden
Mahowny vor allem als superbe Bühne für die Schauspielkunst
des Philip Seymour Hoffman erweist. Der hat schon seit über
einem Jahrzehnt als einer der talentiertesten Nebendarsteller Hollywoods
so manch großem Namen die Show gestohlen, in dieser Independent-Produktion
steht er nun ganz allein im Rampenlicht - und legt erwartungsgemäß
eine brillante, fein nuancierte Vorstellung hin, um den vollkommen
introvertierten Mahowny auf der Leinwand zum Leben zu erwecken.
Ein ruhiger, verlässlicher und unauffälliger Typ, dessen
innere Aufruhr höchstens in einem minimalen Flackern in den
Augen an die Oberfläche tritt - und ohnehin nur bei seiner
einzigen Leidenschaft: Wetten, spielen, zocken.
So erweist sich "Owning Mahowny" denn auch vor allem interessant
als Kennenlernen dieses Menschen, der sämtliche Aufmerksamkeiten
seiner Umwelt abschlägt und vergisst, wenn er spielen kann.
Für seine nette Freundin Belinda (Minnie Driver) gilt das genauso
wie für die Annehmlichkeiten, die ihm der Casino-Manager Victor
Foss (John Hurt) zukommen lassen will, als er die Unsummen registriert,
die Mahowny an seinen Spieltischen lässt: Die edle Suite nutzt
er kaum, die Prostituierte, die ihm geschickt wird, schickt er wieder
weg, und das speziell für ihn bereitete Essen fast er auch
erst an, als er nicht mehr weiterspielen kann.
Diesem gänzlich monomanischen Menschen zuzuschauen, ist tatsächlich
(vor allem durch die Darstellung Hoffmans) ein Spektakel für
sich. Das Problem an "Owning Mahowny" ist, dass sonst
nicht viel übrig bleibt. Regisseur Richard Kwietniowski konzentriert
sich voll und ganz auf Mahownys Karriere als Casino-Tourist in Atlantic
City - und verweigert dem Publikum die gesamte Vorgeschichte. Zu
Beginn
des Films erhält Mahowny von seiner Bank die Beförderung,
die ihm den Zugang zum richtig großen Geld ermöglicht
- ein Spielsüchtiger ist er da allerdings schon lange (der
echte Mahowny gestand, seit seinem zwölften Geburtstag nie
länger als drei Tage keine Wette platziert zu haben). Für
die Entwicklung dieser Sucht, und damit für die gesamte Geschichte
von Mahowny, scheint sich Kwietniowski aber gar nicht zu interessieren.
Durch die fehlende Exposition wirkt auch das restliche Szenario
relativ dahingeklatscht: Relevante Nebenfiguren wie Belinda, Victor
Foss oder Mahownys Wett-Buchhalter werden mehr oder weniger achtlos
in die Handlung geworfen ohne viel Gelegenheit, Substanz zu entwickeln.
Mit ihnen werden auch Spannungsbogen und eine interessante Storyentwicklung
der detailgenauen Beobachtung Mahownys untergeordnet. Die ist zugegebenermaßen
hervorragend ausgeführt: Ganz beiläufig registriert man
anfangs das billige Auto Mahownys, seine billigen Anzüge und
das billige Abendessen, und diese Kleinigkeiten fügen sich
langsam zusammen zum Gesamtbild eines Mannes, der tatsächlich
jeden Cent, der irgendwo greifbar ist, in irgendeine Wette steckt.
Der
langsam wachsende Exzess dieser Spielsucht ist aber eben nur bedingt
packend: Nachdem man Mahowny mehrere Male dabei zugesehen hat, wie
er ohne Sinn und System seinen Buchhalter einfach irgendwas tippen
lässt, nur damit überhaupt eine Wette läuft, und
wie er zum wiederholten Male nach einer durchgezockten Nacht den
letzten Spielchip über den Blackjack-Tisch schiebt, hat es
sich langsam leer gelaufen. Die ewig steigenden Beträge, die
er dabei verzockt, können allein nicht wirklich ein Spannungsmoment
darstellen.
Wie die Spielsucht für Mahowny selbst alles um ihn herum ausblendet und irrelevant macht, ist er für den Film das Zentrum der ungeteilten Aufmerksamkeit - und das ist über 104 Minuten dann doch ein bisschen wenig. Auch wenn man gerne der Faszination von Hoffmans Wahnsinnsvorstellung verfällt: Sie allein reicht nicht aus, als dass "Owning Mahowny" wirklich überzeugen kann. Die ihn umgebende Story wirkt ähnlich leblos wie die billige Casino-Kulisse, die hier für das Spielerparadies Atlantic City stehen soll. Wer einen wirklich exzellenten Zocker-Film sehen will, halte sich daher besser an Paul Thomas Andersons "Hard Eight". Da spielt Philip Seymour Hoffman zwar nur eine Nebenrolle (wie in jedem Anderson-Film), dafür ist das aber auch ein rundum gelungener Streifen.
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