Eine Hommage an den Film noir wollte Regisseur Michael Cristofer laut eigenem Bekunden mit "Original Sin" abliefern. Film noir, das sind jene Klassiker aus den 40er und 50er Jahren, die von düsterer Atmosphäre, zwielichtigen Gestalten, genauso geheimnisvollen wie gefährlichen Femmes fatale und halbseidenen Anti-Helden lebten. Das war Sex & Crime mit Klasse, Niveau und knisternder Luft. Sex & Crime sind auch die Hauptzutaten von "Original Sin". An den meisten anderen Ingredienzen eines Film noir mangelt es dem Streifen allerdings fast vollständig.
Gemeinsames Planschen in der Wanne. |
Das Setting ist dabei einigermaßen untypisch: Wir befinden uns auf dem schönen Kuba, Ende des 19. Jahrhunderts, als Fidel Castros Mutter noch im Sandkasten spielte und man noch per Kutsche durch die Gegend reiste. Der wohlhabende Kaffeehändler Luis Vargas (Antonio Banderas), in Bezug auf Herzensangelegenheiten etwas desillusioniert, sucht sich per Annonce eine amerikanische Frau zwecks Heirat, eine Gattin für repräsentative Zwecke. Als jedoch nach mehreren Briefwechseln seine auserkorene Julia Russell (Angelina Jolie) vor ihm steht, entspricht sie so gar nicht dem Bild einer zurückhaltenden und tugendhaften Teetrinkerin, wie es in ihren Schreiben entstand. Geheimnisvoll, verführerisch und leidenschaftlich trifft es da schon eher. Diese Diskrepanz stört Luis jedoch recht wenig, verfällt er der schönen Unbekannten doch mit Haut und Haar. Das junge Glück bleibt aber nicht lange unbeschwert: Ein Privatdetektiv taucht auf, beauftragt von Julias Schwester, die sich ob mangelnder Nachricht um ihre Schwester sorgt. Sollte die erste wahre Liebe von Luis etwa nicht die sein, die sie zu sein vorgibt?
Natürlich ist sie es nicht, sonst hätten wir ja keine Handlung, und natürlich bleibt dies nicht die letzte Wendung, bei der sich jemand als etwas entpuppt, was sie oder er nicht ist. Zu dumm nur, daß all dies genauso wenig überrascht wie besagte erste Enthüllung. Der Plot von "Original Sin", adaptiert von dem klassischen Noir-Krimi "Waltz into Darkness" von Cornell Woolrich,
Wird Antonio Banderas zum Mörder aus Leidenschaft? |
begnügt sich mit einem minimalen Personenkarussell, so daß die Variationsmöglichkeiten bei jeder neuen Umdrehung ohnehin viel zu gering sind, um den Zuschauer wirklich unvorbereitet treffen zu können. Während bei einem legendären Film noir wie "Tote schlafen fest" so viele Personen und Verbrechen zusammen prallten, daß die Macher im Eifer des Gefechts sogar vergaßen, einen der Morde überhaupt aufzuklären (was zu der unter Filmhistorikern beliebten Frage führte: "Who cares who killed Owen Taylor?"), kann man sich die Handlung von "Original Sin" in all ihren Einzelheiten eigentlich schon nach zwanzig Minuten zusammen reimen. Und liegt nicht einmal daneben.
Crime also schon mal nicht so prickelnd, wie sieht's mit dem Sex aus? Hier offenbart sich nun die wahre Meisterleistung von Regisseur Cristofer: Mit Antonio Banderas und Angelina Jolie wälzen sich zwei der zur Zeit heißesten Stars Hollywoods sehr freizügig durch die Laken, und der Erotik-Faktor ist dabei ungefähr so groß wie bei einer Duschszene von "Big Brother". Das liegt auch oder vor allem daran, daß die Beziehung von Luis und Julia, aus Ermangelung eines spannenden Krimi-Plots eigentlich das Zentrum des Films, seltsam substanzlos bleibt. Zwischen Julias Ankunft und dem ersten wilden Bettgehopse vergeht nicht viel Zeit, und im Anschluß daran hat man halt zu glauben, daß da jetzt die unsterbliche Liebe waltet und die beiden nicht einfach nur geil aufeinander sind. Das fällt schwer, und ebenso schwer überträgt
einen Seemann. |
sich dann die Leidenschaft, die dort auf der Leinwand herrschen soll, aufs Publikum. Die nackten Leiber von Banderas und Jolie sind zwar sicherlich ein schöner Anblick, aber wer nicht mehr will, als schönen Menschen beim Kopulieren zusehen, geht ohnehin direkt in die Porno-Abteilung.
So erweist sich "Original Sin" nicht nur beim Spannungsaufbau als einfallslos und plump, sondern auch bei der Gestaltung der Beziehung von Luis und Julia, immerhin der Schlüssel zum ganzen restlichen Film. Das ist besonders bedauerlich für Angelina Jolie, die schon mehrfach unter Beweis gestellt hat, daß sich Playmate-Figur und schauspielerische Brillanz nicht unbedingt gegenseitig ausschließen. Auch hier gelingt es ihr, trotz des platten Drehbuchs, ihrem Charakter mehr undurchsichtige Tiefe angedeihen zu lassen, als in den Dialogzeilen wirklich zu finden ist, und rettet "Original Sin" so im Prinzip im Alleingang vor dem kompletten Scheitern. Ihre Julia Russell ist eine Femme fatale in Reinkultur, wie sie einem großen Film noir würdig wäre. Nur schade, daß man im ganzen Rest des Films so wenig davon findet.
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