
Was man sich dabei gedacht hat ist ziemlich klar: Mit denselben Zutaten den Erfolg in einem anderen Umfeld zu wiederholen. Und so finden wir hier also den gleichen Regisseur, den gleichen Hauptdarsteller und auch den gleichen Komponisten der Filmmusik von „Pirates of the Carribean“ wieder vereint, diesmal im Wilden Westen. Dass es aber keinesfalls eine Art todsichere Sache ist, alte Hörspielhelden aus der „Pulp“-Hochzeit des vorigen Jahrhunderts zu reanimieren, sollten bereits die Ergebnisse von „The Shadow“ und „Green Hornet“ bewiesen haben, denn eine „ironische Modernisierung“ dieser alles andere als zeitgemäßen und aus heutiger Sicht sehr eindimensionalen Heldenfiguren erwies sich bisher stets als sehr schwierige Aufgabe.
Wenn man dann noch berücksichtigt, dass im Grunde nur der erste „Fluch der Karibik“ wirklich frisch und gelungen war und bereits dessen Fortsetzungen sich als recht seelen- und einfallslose Bombastproduktionen erwiesen, dann deutete schon im Vorfeld der Produktion von „Lone Ranger“ einiges auf eine Totgeburt hin und dementsprechend skeptisch war schnell die Erwartungshaltung der gesamten Branche. Nun gibt es zwar von „Titanic“ bis aktuell „World War Z“ diverse Beispiele, bei denen sich solche Unkenrufe als verfrüht oder gänzlich unberechtigt erwiesen und mit dem Start des fertigen Films schnell vergessen waren. Bei „Lone Ranger“ handelt es sich jedoch nicht um einen dieser Fälle, sondern tatsächlich um das künstlerische und wirtschaftliche Desaster, das uns vielerorts versprochen wurde.Um 1930 erzählt ein sehr alter Indianer namens Tonto (Johnny Depp) einem Jungen seine Geschichte und die seines Partners John Reid (Arnie Hammer), dem „Lone Ranger“. Dieser John war eigentlich ein idealistischer und eher zurückhaltender Anwalt, musste aber mit ansehen wie sein tapferer Bruder und Texas Ranger brutal ermordet und dessen Frau Rebecca (Ruth Wilson) zur Witwe wurde. Gemeinsam mit dem Indianer Tonto, der ihn eher widerwillig gerettet hat, beschließt John Reid den verantwortlichen Killer Butch Cavendish (William Fichtner) zur Strecke zu bringen. Dafür legt der von allen Totgeglaubte eine Maske an und entwickelt sich unter Anleitung Tontos tatsächlich zu einem ebenbürtigen Gegner. Doch wie sich herausstellt steckt hinter Cavendish eine weit mächtigere Gruppe um den Eisenbahner Cole (Tom Wilkinson) und der Kampf gegen diesen Feind wird den Lone Ranger (und natürlich Tonto) schließlich zur Legende machen.
Wo soll man bloß anfangen? Naheliegenderweise vielleicht gleich mit der Eröffnungsszene, die einen offensichtlich mehr als hundertjährigen Tonto zeigt, der sich (warum auch immer) als Ausstellungstück in einer Wild West Show verdingt und plötzlich Lust verspürt einem Besucher seine Geschichte zu erzählen. Schon dieser Einstieg wirkt sehr schwerfällig und bemüht, ohne dass die Rahmengeschichte irgendeinen Mehrwert vermitteln könnte. Es folgt der Sprung zurück in die Zeit des Wilden Westens, wo man unsere beiden Hauptfiguren auf äußerst umständlichen Wegen zusammenführt und gleich mal eine ausufernde Actionszene im fahrenden Zug präsentiert.
Es wird nicht die letzte diese Art sein und „bemüht“ ist vielleicht das passendste Adjektiv für diesen Film, denn hier wirkt nichts locker und leicht oder mit Spaß und Schwung inszeniert, sondern wie aus einem Setzkasten zusammengebastelt, immer mit dem verzweifelten Bestreben dem Zuschauer auch ja von allen denkbaren Elementen etwas zu bieten, ihn mit gewaltigen Sets, ausufernder Action und Gags im Minutentakt förmlich zu zuschmeißen. Das gelingt bei den großzügigen Schauwerten der Kulissen noch am ehesten, während der Krawall und die Explosionen spätestens im letzten Drittel ermüden.
Es funktioniert leider am allerwenigsten in der Abteilung Humor, für den auch ein wenig der von Armie Hammer („The Social Network“, „J. Edgar“) bewusst steif angelegte John Reid, hauptsächlich aber natürlich Johnny Depp als Tonto zuständig ist. Schon daran, dass man für den Publikumsliebling aus dem eher braven Sidekick der Vorlage flugs die neue Hauptfigur strickte lässt sich ablesen, wie hier kalkuliert wurde. Und in der Tat: Depp beweist hier nun (nach dem Einknicken in Sachen Ausschlachtung seiner kultigen Piratenfigur) endgültig die Bereitschaft zum künstlerischen Offenbarungseid. Sein „Tonto“ ist in seinem Gehabe, den Bewegungen und Manierismen nichts anderes als eine exakte „Jack Sparrow“-Kopie, inklusive der Persönlichkeit als äußerlich egoistischer, im Kern jedoch gutmütiger Kerl. Das ist schon reichlich frech, und obwohl man einen gewissen Respekt zollen kann, dass der Mann ohne sein Gesicht zu zeigen einen derartigen Wiedererkennungswert besitzt, darf man auch an der Entscheidung, Herrn Depp den kompletten Film über nur mit weißer Gesichtsbemalung zu zeigen, zumindest in marketingtechnischer Hinsicht zweifeln – es ist allerdings der einzige Punkt, bei dem hier ein eher unkommerzieller Pfad betreten wird.Wenn er denn wenigstens trotzdem noch irgendwie lustig wäre, der irre guckende, merkwürdig sprechende und total schräg agierende Tonto. Doch ist das leider alles so gewollt und gezwungen, dass es in den besten Momenten gerade mal mild amüsant wirkt, doch nie richtig witzig. Und so haben wir es dann mit einer 149 entsetzlich lange Minuten laufenden, episodenhaft vor sich hin plätschernden Nicht-Geschichte zu tun, die zudem so gut wie nichts mehr mit ihrer Hörspiel-, TV- und Comicvorlage gemein hat. Ja gut, geboten wird dem zahlenden Publikum hier natürlich Einiges, schließlich kostete der Film selbst nach der ersten Notbremse des produzierenden Disney-Studios (wo man das Unheil kommen sah) noch immer gut 200 Millionen Dollar. Ein lediglich auf Spektakel und Berieselung spekulierender Betrachter dürfte sich daher zumindest halbwegs unterhalten fühlen.
Doch auch der kann kaum übersehen, dass hier nur wenig zusammenpasst und sämtliche Beteiligten nicht mehr als Dienst nach Vorschrift abliefern. Ob sie nun Hans Zimmer heißen (der seinen Score aus „Pirates“ lediglich ein wenig variiert), Gore Verbinski (der seine Kreativität fürs Western-Genre offensichtlich bereits vollständig in „Rango“ investiert hat) oder eben Johnny Depp mit dem Ausverkauf seiner Schauspielkunst. Dabei war die Freude beim ersten Auftritt von Jack Sparrow doch damals völlig zurecht noch groß. Es konnte ja keiner ahnen, was das noch alles für Folgen haben würde. Oder etwa doch?
Neuen Kommentar hinzufügen