Lightyear

Land
Jahr
2022
Laufzeit
100 min
Release Date
Streaming
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 29. August 2022

Selten hat ein Animationsfilmsolch heftige Reaktionen provoziert wie "Lightyear", entzündet an einer relativen Marginalie. Eine Nebenfigur der Handlung ist lesbisch, im Rahmen einer Montage-Sequenz sieht man sie mit ihrer glücklichen Partnerin, und für ungefähr zwei Sekunden küssen sich die beiden sogar. Skandal!!! Dieses kleine Detail, welches für den Film inhaltlich eigentlich ein Randaspekt ohne echte Bedeutung ist, hat genügt, dass "Lightyear" in mehreren muslimisch geprägten Staaten entweder zensiert oder gleich komplett verboten wurde. Und auch das sonstige Echo auf den Film konzentrierte sich zu großen Teilen allein auf diesen Aspekt. Entweder wurden die Pixar-Studios dafür gefeiert, dass Homosexualität erstmals auch in einem großen Animationsfilm berücksichtigt wurde, oder sie und der ganze Film wurden dafür verteufelt - je nach politischer Einstellung. Worüber bei dem ganzen Bohei kaum geredet wurde: Der Film an sich. Holen wir das also mal kurz nach. 

Der Grundgedanke von "Lightyear" ist ziemlich clever: Die Spielzeug-Figur Buzz Lightyear gehört zur ikonischen Besetzung des "Toy Story"-Universums, aber innerhalb dieses Universums muss es ja einen Film gegeben haben, auf dessen Basis dieses Spielzeug als Merchandising produziert wurde. Et voilá: Dies ist dieser Film. Mit diesem kleinen Kunstgriff präsentiert Pixar nun also einen Buzz Lightyear-Film, der als Film-im-fiktiven-Filmuniversum im Prinzip völlig unabhängig vom fest etablierten Toy Story-Kosmos und dem bekannten Buzz-Charakter funktioniert.

Entsprechend kann man hier ein klassisches Weltraum-Abenteuer erzählen, das Millionen von Lichtjahre von der Erde entfernt spielt. Space Ranger Buzz Lightyear gehört dabei zur Besatzung eines Expeditionsschiffes, das durch sein Verschulden auf einem unwirtlichen Planeten strandet. Buzz setzt sich die Mission dafür zu sorgen, dass Schiff und Crew von diesem Planeten wieder wegkommen - was aufgrund der Verzwicktheit des Weltraum-Reisens mit sehr hohen Geschwindigkeiten nicht nur technisch, sondern auch emotional eine große Herausforderung für ihn wird. 

Abgesehen von der Einführung diverser Nebenfiguren, die vor allem dem Comic Relief dienen, kommt "Lightyear" insgesamt ziemlich ernsthaft und dramatisch daher, inklusive einem Look, der in weiten Teilen an düstere Genre-Klassiker wie "Aliens" erinnert. Es entsteht der Eindruck, als hätte man hier tatsächlich weniger eine kindliche Zielgruppe im Auge gehabt, sondern vor allem die deutlich erwachsene Generation, die einst mit den ersten beiden "Toy Story"-Filmen im Kino groß geworden ist - und die in der Lage ist, gedanklich noch zu folgen, wenn man mit einem Konzept wie Zeit-Dilatation um die Ecke kommt.     

Diese eingeschränkte Kinderfreundlichkeit hat (abgesehen von der oben erwähnten Debatte) vielleicht damit zu tun, dass "Lightyear" an den Kinokassen ziemlich enttäuschte, in Relation zu sonstigen Disney/Pixar-Filmen betrachtet. Dabei kann man dem Film nicht wirklich etwas vorwerfen - außer, dass ihm die besondere Pixar-Magie und das wahre Herzblut für Geschichte und Charaktere fehlt, das diese Produktionsfirma so groß und besonders gemacht hat. "Lightyear" schnurrt auf einem tempo- und wendungsreichen Plot dahin, und hat mit der Enthüllung der wahren Identität von Buzz' etabliertem Nemesis Zurg einen hübschen Twist parat (auch wenn man hier von einem einst in "Toy Story 2" gesetzten Gag abweicht). In gewohnter Pixar-Qualität ist er zudem herausragend animiert und wirklich sehr hübsch anzusehen. Ein einwandfrei ausgeführtes Weltraum-Abenteuer, das gut zu unterhalten weiß. 

Aber halt auch nicht mehr als das. Denn am Ende wirkt hier alles etwas zu kalkuliert zusammengestöpselt und durchstrukturiert, inklusive der herzenswarmen Sentimentalität, die dem zu sturköpfig und einzelgängerisch agierenden Titelhelden zu seiner entscheidenden Katharsis verhilft. Selten blieb man bei einem Pixar-Film emotional so wenig involviert. Es fehlt hier einfach der besondere Zauber. Und das ironischerweise beim ersten Pixar-Film seit Ausbruch der Corona-Pandemie, der von Disney wieder auf der großen Leinwand herausgebracht wurde, statt direkt beim hauseigenen Streaming-Dienst. Denn tatsächlich ist "Lightyear" der erste Pixar-Film seit Corona, der wirkt, als hätte er eigentlich nicht auf die große Leinwand gehört, sondern gleich ins Angebot von Disney+. 

Bilder: Copyright

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