Lasst uns eine Komödie über eine Frau machen, die an Darmkrebs stirbt! Wer diese Vorstellung instinktiv etwas befremdlich findet, kann verstehen, warum es vom ersten Drehbuchentwurf zu „Kein Mittel gegen Liebe“ bis zur tatsächlichen Realisierung acht Jahre dauerte, denn die sehr wagemutige Idee, eine an sich tragische Geschichte vom Sterben einer jungen Frau mit viel Humor und Witzen aufzulockern, um das lebensbejahende Credo zu unterstreichen, ist ein ziemlicher
Drahtseilakt, bei dem man permanent Gefahr läuft, einen falschen Ton zu treffen und damit gnadenlos abzustürzen. Und selbst wenn einem das Kunststück gelingt und man sicher auf der anderen Seite (bzw. am Filmende) ankommt, bleibt immer noch die Frage: Eine Komödie über eine Frau, die an Darmkrebs stirbt – will das wirklich jemand sehen?
Die Frau heißt Marley Corbett, wird gespielt von Kate Hudson und ist ein ganz doll lustiger und charmanter Mensch, den man einfach lieb haben muss. So will es jedenfalls das Drehbuch, welches Marley mit einem Freundeskreis umgibt, der sie ob ihrer Flippigkeit, sprühenden Lebensfreude und Schlagfertigkeit abgöttisch liebt. Dass aber auch Marley in ihrem Leben eine Leerstelle hat, die es durch eine noch zu erringende Selbsterkenntnis zu füllen gilt, macht das Skript bereits in der ersten Minute mit einer Todsünde aus dem Werkzeugkasten für grässlich unsubtiles Drehbuchschreiben klar: Per einleitendem Voiceover-Kommentar darf Marley sich dem Zuschauer vorstellen und ganz klar ihre Weltsicht darlegen, laut der es die große Liebe zum auf ewig zusammen glücklich sein nicht gibt. Marley ist fest überzeugt: Sie braucht keinen liebenden Mann in ihrem Leben. Heißt natürlich übersetzt: Marley braucht ganz dringend einen liebenden Mann in ihrem Leben.
Diese Tatsache wird der Film auch nicht müde gute zehn Minuten lang immer wieder per Holzhammer zu unterstreichen, bis Marley wegen merkwürdigen Unterleibschmerzen und Schwächeanfällen zum Arzt geht, und der ist – na, wer hätte das erwartet! – zufällig jung und unverschämt gutaussehend. Dass man für diese Rolle des eindeutig jüdisch-amerikanisch benannten Dr. Julian Goldstein den mexikanischen Shootingstar Gael Garcia Bernal besetzte, wird mit ein paar eingeflochtenen Dialogsätzen über eine passende Familien-Anekdote erklärt, dann geht’s schnell weiter im Text. Denn Dr. Goldstein muss Marley bald sagen, dass sie an einem aggressiven Darmkrebs im Endstadium erkrankt ist und es wenig Hoffnung gibt. Gleichzeitig ist man sich indes sehr sympathisch und beginnt heftig zu flirten. Es ist ja schließlich auch sehr charmant, wie das Herzchen Marley trotz Quasi-Todesurteil ihre kesse Lippe behält und fröhlich Witze darüber macht, dass der Arzt ihr bei der Rektaluntersuchung nicht „den Arsch aufreißen“ soll. Hachja, unsere Marley ist schon eine Lustige….
Wer das mit dem Arsch aufreißen angesichts der Umstände jetzt nicht so wirklich witzig fand, ist in diesem Film definitiv falsch aufgehoben. Denn das ist ungefähr die Methodik, mit der Autorin Gren Wells (hauptberuflich vor allem Stand-up-Comedian) Humor in diese Geschichte zu bringen versucht: Durch Marleys loses und reichlich direktes Mundwerk. Das soll charmant und extrem liebenswürdig sein, doch die Vehemenz, mit der hier pseudo-clevere und gewitzte Dialoge aufgetischt werden, wirkt extrem gewollt und künstlich. Entsprechend entwickelt sich Marley nie zu einer wirklich glaubhaften, sprich realistischen Figur, sondern verbleibt als ein auf dem Papier erzeugter Charakter ohne echtes Eigenleben.
In dieser Künstlichkeit wird sie allerdings noch getoppt von ihrem männlichen Gegenpart, denn Gael Garica Bernal hat hier eine Rolle abbekommen, in der er wirklich nicht mehr sein darf als das Klischee, welches er verkörpert: Der junge, gutaussehende, sensible und liebevolle Arzt, sprich: Ein Traum von einem potentiellen Lebenspartner. In der Geschichte dieses Films, in der Marley in der Zeit ihres Sterbens begreift, was in ihrem Leben gefehlt hat und sie ein letztes Glück in kurzzeitiger Vollkommenheit finden darf, ist leider kein Platz für einen eigene Haltung, einen eigenen Konflikt dieses jungen Arztes. Er scheint geduldig nur darauf gewartet zu haben, dass Marley in sein Leben tritt, um sich dann quasi auf Kommando in diese Frau zu verlieben und ohne Vorbehalte bereit zu sein, sie glücklich zu machen. Da wird der ethische Konflikt, sich als Arzt vielleicht besser nicht mit einer Patientin einzulassen, nur kurz gestreift, und der emotionale Konflikt, ob man sich wirklich auf eine Frau einlassen sollte, von der man ganz genau weiß, dass sie nicht mehr lang zu leben hat, überhaupt gar nicht berührt.
An dieser Figur des perfekten Mannes entlarvt sich die gesamte Konstruiertheit von „Kein Mittel gegen Liebe“, der den diversen Nebenfiguren aus Marleys Freundeskreis und ihren Eltern mehr psychologische Komplexität und überzeugende Kohärenz einräumt als dem Kerl, der die Liebes-Leerstelle in ihrem Leben füllen soll. Dem schönen Doktor wird das Dasein als eigenständig fühlender und agierender Charakter abgesprochen, weil er sonst seinen Job in dieser Geschichte nicht richtig erfüllen und den Fokus von Marley weg ziehen würde. Denn genau genommen wäre seine Geschichte, sein Konflikt der interessantere weil schwierigere: Er wird mit dem Schmerz des Verlustes weiterleben müssen, er wird seiner neuen Freundin beim Sterben zusehen müssen. Für ihn ist das Einlassen auf diese Beziehung ein viel größerer Schritt als für Marley, die hier nur ihre ohnehin offensichtlich falschen und verbohrten Pseudo-Prinzipien über Bord werfen muss, und sich – böse, aber offen gesagt – angesichts ihres nahenden Todes sowieso mit keiner allzu langen Beziehung und den darin irgendwann aufkommenden Problemen konfrontiert.
So entpuppt sich die ganze Geschichte von „Kein Mittel gegen Liebe“ als schlecht durchdacht und verliebt in ihre eigene Hauptfigur, die letztlich jedoch eine absolute Egozentrikerin ist und in ihrem Sterben noch mit einer Welt belohnt wird, in der sich alle persönlichen Konflikte auflösen und sich alles liebend und ergeben endlich nur noch um sie allein dreht. Das ist in seiner Ausführung verlogen und fürs Publikum auch nicht wirklich emotional erfüllend, weil diese Marley in all ihrer schillernden, gewollten Lebendigkeit einem nie so richtig ans Herz wächst.
Wenn es sich der Film gegen Ende dann endlich gestattet, ernsthaft gefühlig zu werden und nicht in jedem Moment den nächsten lockeren Spruch oder „Tumor ist, wenn man trotzdem lacht“-mäßigen Gag zu suchen, ist man trotzdem nicht vor feuchten Augen geschützt, was vor allem den – trotz aller Konstruiertheit ihrer Figuren – durch die Bank starken Darstellern zu verdanken ist. Während Kate Hudson ebenso wie ihre Rolle immer ein wenig selbstverliebt erscheint, sind es gerade Kathy Bates und Treat Williams als ihre entfremdeten Eltern, die hier Subtiles, aber Großes leisten.
Wenn dann der unvermeidliche Abschied naht und kommt, kann man (bzw. frau) als entsprechend geneigter Zuschauer hier locker eine gute halbe Stunde durchheulen, was für manche Leute ja als Qualitätskriterium durchgeht. Dass „Kein Mittel gegen Liebe“ es am Ende zumindest schafft, die Töne auf seiner emotionalen Klaviatur einigermaßen richtig zu treffen, ändert indes nichts daran, dass hier letztlich alles ein wenig zu sehr gewollt und unglaubwürdig erscheint. Das ist angesichts eines solch ernsten Themas nicht leicht zu verzeihen. Auch wenn der Film sehr bemüht versucht, einen vom Gegenteil zu überzeugen: Darmkrebs ist nicht witzig. Und dieser Film nicht gut.
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