Originaltitel
Hollow Man
Land
Jahr
2000
Laufzeit
110 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
Im Phantastischen Genre gibt es eine Handvoll Stoffe, die Hollywood immer mal wieder dankbar aufgreift, um sie mit den jeweils neuesten Spezialeffekten auf den derzeitigen Stand der Technik zu bringen. So durfte sich 1992 der ansonsten eher auf Horror abonnierte John Carpenter des klassischen ‚Invisible Man'-Themas annehmen und drehte mit Chevy Chase in der Titelrolle den Film "Jagd auf einen Unsichtbaren", der - seinem Hauptdarsteller entsprechend - recht humorvoll und familienfreundlich angelegt war. Nun sind die seitdem verstrichenen acht Jahre gerade in Bezug auf die Entwicklung der digitalen Tricktechnik eine ganz schön lange Zeit, und außerdem eignen sich einige der Dinge, die der durchschnittliche Unsichtbare mit seiner neugewonnenen Fähigkeit vermutlich anstellen würde, auch nicht unbedingt als Grundlage für einen Familienfilm. Eine neue, modernere, bösere Variante des Stoffes mußte her, und welcher Regisseur wäre für diesen Job wohl besser geeignet als Paul Verhoeven, der Mann, dessen cineastische Verdienste bislang eher selten mit dem Attribut ‚familienfreundlich' bezeichnet wurden. Was macht man als Verhoeven-Sympathisant also, wenn man erfährt, daß der Meister einen Film über einen Unsichtbaren dreht, der so richtig die Sau rausläßt? Genau: Man freut sich darauf. Gerade im Science-Fiction-Kontext war der Mann schließlich immer verläßlich (siehe "RoboCop", "Total Recall" und "Starship Troopers"), was sollte da schon schiefgehen? Im besten Fall würde auch hier wieder ein Streifen entstehen, der einerseits die Grenzen des R-Ratings mal wieder neu definiert, dabei aber andererseits auch durchaus Intelligenz und satirische Schärfe beweist. Um das Fazit vorwegzunehmen: "Hollow Man" kann derartigen Erwartungen leider nicht standhalten.
Nach einer hübsch unheilvollen Einstiegssequenz lernt der Zuschauer den Wissenschaftler Sebastian Caine kennen, dem es tatsächlich gelungen ist, ein Serum zu entwickeln, das Lebewesen unsichtbar macht. Wirklich zufrieden ist er jedoch nicht, denn seine Auftraggeber beim Militär würden es bevorzugen, wenn dieser Vorgang auch wieder rückgängig gemacht werden könnte, und genau daran hapert's noch. Außerdem würde Caine seine Ex-Freundin und Immer-Noch-Kollegin Linda liebend gern wieder zurückgewinnen, er ahnt allerdings nicht, daß sie bereits eine Beziehung mit Matthew, einem weiteren Teammitglied, angefangen hat. Als schließlich der erhoffte Durchbruch gelingt und die Gorilladame Isabel mit einem neuen Serum wieder sichtbar gemacht wird, ist die Freude groß, doch Caine möchte dieses Ergebnis seinen Geldgebern noch nicht präsentieren. Da Selbstversuche offenbar zum Pflichtprogramm eines genialen Wissenschaftlers gehören, entschließt er sich, zunächst selbst drei Tage lang unsichtbar zu leben. Sein Team stimmt widerwillig zu, muß nach Ablauf der Frist aber entsetzt feststellen, daß das neue Gegenserum bei Menschen offenbar nicht wirkt. Caine bleibt also erst einmal unsichtbar, und je länger dieser Zustand anhält, desto unangenehmer wird sein Verhalten...
Von einer wirklichen Entwicklung der von Kevin Bacon gespielten Hauptfigur kann nun aber leider keine Rede sein, denn Sebastian Caine wirkt bereits von Anfang an vollkommen unsympathisch, so daß seine späteren Schandtaten als Unsichtbarer (Frauen begrapschen, Leute töten usw.) dann auch kaum überraschen können. Drehbuchautor Andrew W. Marlowe, der bereits für solche Großtaten wie "Air Force One" und "End of Days" mitverantwortlich gemacht werden kann, verläßt sich bei seinem Schurken voll und ganz auf die typischen ‚Mad Scientist'-Charakterzüge (genial, größenwahnsinnig, gottseinwollend), er zeigt aber kein wirkliches Interesse daran, seinen Figuren vielleicht mal ein wenig Leben einzuhauchen. Auch Elisabeth Shue bekommt in der Rolle der Heldin daher keine Gelegenheit, womöglich doch noch mal an ihre verdient oscarnominierte Leistung in "Leaving Las Vegas" anzuknüpfen. Stattdessen darf sie sich - genau wie die restliche Darstellerstaffage - mit Dialogen abmühen, die ausschließlich aus pseudo-wissenschaftlichem Mumbo-Jumbo, hohlen Phrasen und peinlichen One-Linern bestehen und die den Zuschauer je nach Gemütslage zu schadenfrohem Kichern oder gequältem Aufstöhnen verleiten. Derartige Reaktionen provozieren leider auch einige der Spannungs- und Actionsequenzen wie z. B. der haarsträubende Showdown im Fahrstuhlschacht. Ein weiteres Problem von "Hollow Man" wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, daß locker siebzig Prozent des Films in Caines Labor spielen, welches so faszinierend nun auch wieder nicht aussieht. Es fehlt ganz einfach an Abwechslung.
Was bleibt? Natürlich die Effekte, und die sind wirklich beeindruckend. Besonders die Szenen, in denen sich Caine oder der Gorilla ent- bzw. re-materialisieren sehen fantastisch aus und wirken wie animierte Exponate der "Körperwelten"-Ausstellung. In der zweiten Hälfte des Films wird dann aber deutlich, daß es gar nicht so leicht ist, einen Unsichtbaren interessant in Szene zu setzen. Man sieht halt nix. Dieses Problem wurde dann so gelöst, daß Caine in regelmäßigen Abständen mit Dampf, Wasser, Blut und Ähnlichem bespritzt wird, um ihn zumindest kurzzeitig doch wieder sichtbar zu machen. Auch diese Effekte sehen schick aus, nutzen sich mit der Zeit aber merklich ab, so daß man selbst auf dieser Ebene einen Mangel an Abwechslung beklagen muß. Wer diesen Film wirklich ausschließlich wegen seiner CGI-Attraktionen sehen will, wird vermutlich zufrieden sein, denn in dieser Hinsicht ist "Hollow Man" wohl State-of-the-Art (bis spätestens nächsten Sommer). Trotzdem fällt es schwer, sich über diese Wunder der Tricktechnik zu freuen, wenn so ziemlich alle anderen Elemente des Films nur wie lieb- und lebloses Beiwerk wirken.
Wie gut "Hollow Man" hätte sein können, wird deutlich, wenn man sich an den sehr ähnlich konzipierten Film "Die Fliege" von David Cronenberg erinnert, der ja ebenfalls als mit damals noch ‚analogen' Make-Up-Effekten geupdatete Variante eines wesentlich älteren Stoffes angesehen werden kann. Auch der Handlungsablauf und die Figurenkonstellation beider Filme ähneln sich stark, Cronenberg ist es damals allerdings gelungen, die zahlreichen FX-Attraktionen in den Dienst einer faszinierenden Geschichte zu stellen, die sich thematisch nahtlos in sein bisheriges Filmwerk einfügte. Daß bei "Hollow Man" Paul Verhoeven Regie geführt hat, merkt man eigentlich nur an ein paar ziemlich fiesen Wunden, die der unsichtbare Schurke seinen Opfern zufügt und an dessen ständiger Geilheit, die dem Film eine gewisse Sleaziness verleiht, die man in Produktionen dieser Größenordnung dann doch wieder selten vorfindet. Allerdings bleibt anzumerken, daß mindestens eine Szene deutlich entschärft wirkt, es würde also wenig verwundern, wenn da noch mal eine Unrated-DVD hinterherkäme. Dies soll aber nicht heißen, daß eine noch größere Dosis Sex und Gewalt den Film retten könnte, dafür ist er tatsächlich einfach zu hohl und leer. Über frühere Verhoeven-Filme konnte man wenigstens noch streiten, und mit "Showgirls" konnte man sogar richtig viel Spaß haben. Mit "Hollow Man" kann man hingegen kaum noch was anfangen, außer mal kurz in den Szenen "Ui!" zu sagen, in denen sich die Programmierer austoben durften. Man schämt sich fast ein wenig, daß man sich auf diesen Film mal gefreut hat.




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