"Harry Potter und der Halbblutprinz", der sechste Roman der unvergleichlich erfolgreichen Buchreihe von J.K. Rowling, konnte nach dem unter einer schweren Geburt und der mäandernden Handlung leidenden Vorgängerband wieder viele Sympathiepunkte bei den Fans gewinnen. Kompakt und spannend wurden dem Gesamtbild die entscheidenden Momente der Vergangenheit des Tom Riddle alias Lord Voldemort hinzugefügt und für einige der Hauptcharaktere kam es zu entscheidenden Wendungen. Gleichzeitig wurde aber auch die Persönlichkeit der drei jugendlichen Hauptcharaktere deutlich vorangetrieben und deren Liebesnöte ernsthafter behandelt als zuvor. Der "Halbblut-Prinz" wusste also rundum zu überzeugen und schien auch filmisch einfacher zu adaptieren als die beiden vorigen Mammutwerke. Der nun mit halbjähriger Verspätung startende Film (da Warner Bros. diesen garantierten Bilanz-Polierer lieber im Geschäftsjahr 2009 starten wollte - für 2008 hatte der Supererfolg von "The Dark Knight" schon für schwarze Zahlen gesorgt) ist jedoch ein zwiespältiges Vergnügen, mit ungefähr genauso vielen Stärken wie Schwächen.
Nachdem ihr Meister Lord Voldemort zurückgekehrt ist, werden dessen Gefolgsleute immer aggressiver und starten zahlreiche Angriffe, sowohl auf andere Zauberer als auch auf die Welt der Muggel. Zur Vorbereitung auf die unvermeidliche Entscheidungsschlacht gehört auch die Reaktivierung des Professors für Zaubertränke, Horace Slughorn durch Albus Dumbledore, der davon überzeugt ist, dass sein alter Weggefährte über entscheidende Informationen zum dunklen Lord verfügt und daher Harry Potter darauf ansetzt, Slughorns Vertrauen zu gewinnen. Harry hat jedoch trotz der allgegenwärtigen Bedrohung genauso wie seine Freunde Ron und Hermine vor allem mit seinen Hormonen zu kämpfen. Und während Harry sich immer stärker zu Rons kleiner Schwester Ginny hingezogen fühlt, hat deren älterer Bruder noch immer nicht geschnallt, was Hermine für ihn empfindet und erliegt stattdessen den Avancen der aufdringlichen Lavender Brown. Der Einzige, der sich von derartigen Gefühlen völlig unbeeindruckt zeigt ist dagegen Harrys alter Rivale Draco Malfoy, und das hat seinen Grund, wurde der doch offenbar für eine ganz besondere Aufgabe ausgewählt.
Der Beginn des Films ist allemal bemerkenswert, denn während das erste Kapitel des Buches und der obligatorische Auftakt im Haus von Harrys Onkel und Tante komplett weggelassen werden, zeigt man uns die im Buch nur verbal geschilderten Angriffe der "Todesser" in spektakulären Bildern, die schon mal einen Hauch von Apokalypse verbreiten. Regisseur David Yates, der nach dem "Orden des Phönix" zum zweiten Mal auf dem Regiestuhl Platz genommen hat, und Autor Steve Kloves beweisen hier noch stärker als im Vorgängerfilm, dass sie sich keineswegs nur sklavisch an die Vorlage halten wollen, wie es noch zu Beginn der Reihe der Fall war. Das ist erfreulich und positiv zu bewerten wenn es wie in dieser Eröffnungsszene dazu führt, dass die visuellen Möglichkeiten des Mediums Film optimal genutzt werden und im Gegenzug auf nicht allzu bedeutende, dialoglastige Szenen verzichtet wird.
Es führt aber leider auch zu bedenklichen und äußerst diskussionswürdigen Entscheidungen im weiteren Verlauf des Films. Denn nach dem stimmungsvollen Auftakt verschwindet das eigentliche Hauptthema erst einmal für mehr als eine Stunde fast völlig im Hintergrund und es geht in der Folge nahezu ausschließlich um die amourösen Verwicklungen unserer Hauptfiguren. Gut, diese spielen auch im Buch eine zentrale Rolle und werden immerhin so interessant und amüsant dargeboten, dass dabei keine Langeweile aufkommt. Zahlreiche gelungene Gags und Oneliner sorgen sogar dafür, dass dieser, allgemein als bisher "düsterster" bezeichnete (und deshalb als Film auch erst ab zwölf Jahren freigegebene) Potter-Teil einiges zum Schmunzeln und Lachen bietet.
Aber trotzdem stimmen hier die Mischung und das Verhältnis nicht, denn wenn von den zahlreichen handlungsimmanenten Rückblicken, sichtbar gemacht in Dumledores Denkarium, lediglich zwei den Weg auf die Leinwand geschafft haben und somit gleich mehrere Puzzlestücke zur Entwicklung des großen Widersachers weggelassen werden, dann darf man diese Vorgehensweise schon hinterfragen. Laut eigener Aussage hat Yates die Zusammenarbeit mit seinen drei jugendlichen Hauptdarstellern viel Freude bereitet und insbesondere deren Beiträge zur eigenen Charakterentwicklung wusste der Regisseur sehr zu schätzen. Es scheint als habe er sich dabei tatsächlich verführen lassen, den Interaktionen des Trios mehr Raum zu geben als gut und nötig gewesen wäre.
Und so ist es auch mit der erwähnten und prophezeiten Düsternis zumindest im Mittelteil des Films gar nicht so weit her. Die wirkliche Dramatik konzentriert sich einzig und allein auf die letzte halbe Stunde, und weil das den Machern wohl selbst irgendwann bewusst geworden ist, bauten sie dann einfach mit dem Angriff der Todesser auf das Haus der Weasleys eine so in der Vorlage gar nicht vorhandene Szene ein und sorgen damit nicht nur für etwas "Action" inmitten all der Liebeleien, sondern auch für ein Novum in der Reihe der bisher so werkgetreuen Adaptionen. Der Handlungsstrang um das geheimnisvolle und immerhin titelgebende Buch des unbekannten Halbblut-Prinzen wird dafür aber dann so kurz und beiläufig abgewickelt, dass er bei einigen nicht mit dem Buch vertrauten Zuschauern eher für leichte Verwirrung sorgen dürfte.
Absolut überzeugend und keinerlei Anlass für Kritik bietend dagegen die visuelle Umsetzung, sowohl technisch als auch atmosphärisch. So gelang zum Beispiel bei der Darstellung des Quidditch-Spiels ein echter Quantensprung im Vergleich zu den ersten Filmen, endlich lassen sich Tempo und Spannung dabei mehr als nur erahnen. Und wenn es denn wirklich mal dunkel wirken soll, tut es das auch überzeugend, dann gelingt es sogar das schöne Hogwarts plötzlich nur noch als einen finsteren Ort der Bedrohung einzufangen, von Nebelschwaden umhangen und alles andere als gemütlich.
Auch dessen Schulleiter legt seine Rolle des väterlichen Freundes nun weitgehend ab und versinkt in grüblerischer Ernsthaftigkeit, bevor er sich dann aber sehr aktiv in das Geschehen einschaltet. Darsteller Michael Gambon kann dabei zum ersten Mal, seit er die Rolle des Albus Dumbledore vom verstorbenen Richard Harris übernahm, seinem Charakter die Tiefe und Ausstrahlung verleihen, die man von dieser Figur erwartet. Eine weitere erwähnenswerte Darstellerleistung ist die des sehr passend besetzten Jim Broadbent als Professor Slughorn, einer neuen Figur, für die es also gelang, einen weiteren namhaften, bisher noch nicht für die Reihe engagierten britischen Charaktermimen ausfindig zu machen (was angesichts der hier schon vertretenen Star-Armada langsam wirklich schwierig wird). Weniger überzeugend dagegen die jungen Versionen des Tom Riddle, die wenig dämonisches versprühen und mit ihren strengen Scheiteln eher an die typischen Satansdarsteller aus den "Omen"-Filmen erinnern; und leider auch Tom Felton, der genau wie seine Filmfigur Draco Malfoy sichtbare Probleme damit hat, an seinen Aufgaben zu wachsen.
David Yates wird auch die Adaption des siebten und letzten Buches übernehmen, und da ihm dafür ja nun gleich zwei Filmteile zugestanden werden, dürfte sich das Problem der richtigen Auswahl der Szenen und der vernünftigen Schwerpunktsetzung dann wohl größtenteils erledigen. Dass er ansonsten keine schlechte Wahl für diesen Job ist, kann er mit seiner Version von "Harry Potter und der Halbblutprinz" jedenfalls recht überzeugend untermauern, denn der Film ist schön anzusehen und unterhält mühelos über die Laufzeit von zweieinhalb Stunden. An die Qualität eines "Askaban" oder "Feuerkelch" reicht er aber nicht heran, und das ist im Gegensatz zu Teil Fünf nicht die Schuld der Vorlage.
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