Warum wohl Hallam (Jamie Bell, er war "Billy Elliot") keine Freunde hat? In den ersten Einstellungen des neuen Films von David Mackenzie sehen wir den in der Pubertät steckenden Jungen mit nacktem Oberkörper in einem alten maroden Baumhaus stehen und sich selber eine Kriegsbemalung verpassen. Nach der Prozedur setzt er sich ein Dachsfell auf den Kopf, schwingt sich an einer Leine vom Baumhaus und rutscht so mitten hinein in ein kopulierendes junges Pärchen. Warum er dies tut? Nun, der Film gibt keine wirklich plausible Erklärung dafür.
Vielleicht ist der bald die Volljährigkeit erreichende Junge einfach verstört. Verstört, weil er sich auf einem riesigen Familienanwesen in den schottischen Highlands herumtreibt, ständig auf der Suche nach dem wahren Grund für den Tod seiner Mutter. Hallam glaubt, dass die neue Frau seines Vaters (Ciaran Hinds) dahintersteckt, die junge und unterkühlt-aufregende Verity (Claire Forlani). Die fühlt sich von Hallam gestört und bringt ihn auf ihre eigene Weise dazu, endlich das Haus zu verlassen. Hallam packt seine Sachen und verschwindet nach Edinburgh, wo er einer Frau (wirklich schön: Sophia Myles) begegnet, die seiner toten Mutter zum verwechseln ähnlich sieht. Er fängt an, sie zu verfolgen, wobei sich seine enormen Talente als Spanner als sehr nützlich erweisen.
2003 drehte der schottische Regisseur David Mackenzie den Film "Young Adam". Ein mächtig düsteres Werk über einen ungeklärten Mord, der sich über den Alltag einer Familie auf einem Frachtkahn legt, als sie einen Fremden als Helfer anheuern. Neben den durchweg brillanten darstellerischen Leistungen von Ewan McGregor, Tilda Swinton und der jungen Emily Mortimer, schaffte es dieser Film, die mysteriöse Geschichte als Katalysator für die Entwicklung der Charaktere zu nutzen. Mackenzie sezierte seine Figuren und legte ihre schonungslosen Taten frei. Diese Art mit seinen Charakteren umzugehen hat der 41-jährige Regisseur zu seinem Markenzeichen gemacht. Doch seit "Young Adam" will diese Arbeitsweise nicht so recht fruchten. Ob in dem 2005 erschienenen "Asylum" oder jetzt in "Hallam Foe".
Sein jüngster Film krankt an dem völlig überfrachteten Drehbuch. Mackenzie möchte schizophrenen Ödipuskomplex, voyeuristisches Identitätsdrama, Coming of Age-Geschichte und einen Familienthriller zu einem kohärenten Film verweben. Ein Vorhaben, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Selbst der große Meister Hitchcock (den Mackenzie hier überdeutlich zitiert) hat diese Themen schön säuberlich getrennt und einzeln behandelt.
Wenn der Zuschauer nun Hallam dabei zu sieht, wie er seiner Doppelgängermutter mit dem Fernglas hinterher spioniert, wie er sich in dem Hotel, in dem sie arbeitet, von ihr als Küchenaushilfe einstellen lässt, und letztendlich (wer hätte es anders gedacht) mit ihr im Bett landet (Ödipus lässt grüßen), sieht man sich mit einer ganzen Welle an klischeehaften Versatzstücken konfrontiert, die es fast unmöglich machen die kühlen Bilder der kahlen Backsteinmauerfassaden der schottischen Großstadt zu bewundern, denn die versprühen einen gewissen Reiz.
Der junge Jamie Bell verkörpert Hallam Foe verstört, schrullig und pubertär. Das überzeugt über weite Strecken, und doch fällt seine Darstellung dem gleichen Problem zum Opfer wie die der anderen Schauspieler auch. Alle agieren nicht frei genug, sondern scheinen arg in Schablonen gepresst zu sein. Nur selten bricht diese Starre auf und man bekommt dann eine vage Idee von dem Potential, dass sich in der Geschichte verbirgt.
Doch spätestens, wenn das krude und unglaubwürdige Finale auf der Leinwand seinen Lauf nimmt, wird deutlich, dass "Hallam Foe" alle seine Chancen, ein gelungener Film zu werden, verspielt hat. Es hätte ein Film werden können, der - wie es die wunderbar berührende Filmmusik u.a. von Franz Ferdinand (übrigens ausgezeichnet mit dem silbernen Bären für die beste Filmmusik auf der Berlinale 2007) suggeriert - eine Verlorenheit und ein Suchen nach Geborgenheit und Liebe schildert, erdig, bodenständig und ohne aufgesetzte Skurrilität. So divergieren die Geschichte und die fantastische Musik auseinander und das Publikum muss enttäuscht in der Mitte zurückbleiben, versorgt mit nur ein paar wenigen Lichtblicken.
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