Sie sind immer noch da, dieselben Gesten und Mimiken, so vertraut
und liebgewonnen über die Jahre: das charmante leichte Anziehen
des Mundwinkels oder der entschlossene Blick, mit dem es selbst
in den ausweglosesten Situationen den Bösewichten an den Kragen
geht. Doch irgendetwas ist anders. Harrison Ford ist alt geworden,
es lässt sich einfach nicht mehr ignorieren. Sie alle werden
älter, die Fords, Willis', Stallones oder Schwarzeneggers,
unsere Action-Idole vergangener Jahre. Während sich aber Arnie
zumindest vorrübergehend mit Todesurteilen in der realen Welt
beschäftigen darf, befinden sich Ford und Kollegen weiterhin
im immer strapaziöser werdenden
Leinwandkampf gegen böse Buben und nun auch noch sinkende Zuschauergunst.
Ein fast aussichtloser Kampf, den lediglich derjenige für sich
gewinnen kann, der den Mut besitzt, die einst so vertrauten Pfade
zu verlassen und neue Risiken einzugehen.
Nach zwei finanziellen Riesenflops ("K-19",
"Hollywood Cops") versucht
Ford aber genau dies mit "Firewall" tunlichst zu vermeiden.
Streng darauf bedacht, Überraschungen um jeden Preis aus dem
Weg zu gehen, schickt dieser Thriller seinen Star mit gelangweilter
Routine durch einen allzu schnell wieder vergessenen Plot, der den
Zuschauer anstelle von gelungener Unterhaltung mit einem handfesten
Dilemma konfrontiert: Soll man nun Mitleid oder Respekt für
Ford haben, der in seinem neuesten Film spürbar an seine körperlichen
Grenzen geht, nur um eine Rolle, die ihm einst auf den Leib geschrieben
war, nicht kampflos an die jüngere Generation abtreten zu müssen?
Wie auch immer die Antwort darauf ausfallen mag, mit "Firewall"
ist Ford leider wieder nicht das erhoffte große Comeback auf
der Kinoleinwand gelungen.
Es ist der zwielichtige Brite Bill Cox (Paul Bettany), den Ford alias Jack Stanfield diesmal als Gegenspieler serviert bekommt. Jack ist Chefdesigner und Security-Experte eines Computersystems einer großen amerikanischen Bank und damit genau das zu überwindende Hindernis, welches Cox und seine nicht minder kriminellen Gefolgsleute von rund 100 Millionen Dollar trennt. Doch Bill meint eine denkbar einfache Lösung für sein Problem gefunden zu haben. Anstatt sich selber mit viel Aufwand in das System der Bank einzuhacken, will man dies lieber dem Experten Stanfield selbst überlassen. Den nötigen Anreiz dazu soll die Entführung von Stanfields Frau (Virginia Madsen) und Kindern geben. Mit dem Rücken zur Wand scheint sich Jack zur Freude von Cox auf tatsächlich auf die Erpressung einzulassen, doch nicht nur werden Stanfields Arbeitskollegen (u.a. Robert Patrick, Mary Lynn Rajskub) nach einiger Zeit misstrauisch, Cox "menschliche Marionette" versucht auch schon bald, die Fäden selbst wieder in die eigene Hand zu nehmen. Konfrontiert mit einem mehr als widerspenstigen Stanfield wird Cox schnell bewusst, dass einfache Pläne nicht immer auch einfach umzusetzen sind.
Es mag in den letzten Jahren vielleicht etwas in Vergessenheit
geraten sein, aber kaum ein Schauspieler verfügt über
eine derart klangvolle Filmografie wie Harrison Ford. Er ist "Indiana
Jones", Han Solo und der "Blade
Runner", war "Auf der Flucht" und "Der einzige
Zeuge", während nebenbei auch noch mal eben Zeit für
einen Gastauftritt in "Apocalypse
Now" blieb. Umso härter trifft Ford nun natürlich
die Pechsträhne der letzten Jahre, bei der das Publikum selbst
gelungenen Filmen wie "K-19" gnadenlos den Rücken
kehrte.
Mit einer Mischung aus "Air Force One" und "Auf der
Flucht" kehrt er nun in einem ihm sehr vertrauten Genre zurück
auf die Leinwand, doch selbst in einer seiner Paraderollen scheiterte
er erneut an der amerikanischen Kinokasse. Noch schlimmer, diesmal
auch mehr oder weniger berechtigt, denn die Argumente zugunsten
eines Kinobesuchs fallen äußerst spärlich aus. "Firewall"
ist ein Thriller mit wenig Thrill, besitzt weder überraschende
Wendungen noch wirklich mitreißende Action-Sequenzen und wäre
ohne den Namen Ford wohl ein sicherer Kandidat für ein direktes
DVD-Release gewesen.
Es ist das Wort "Durchschnitt" welches einem bei "Firewall" mit 24 Bildern pro Sekunde von der Leinwand aus entgegenflackert und das so gut wie jede Komponente dieses Filmes ausreichend beschreiben kann. Da wäre zum einen die Story, die in vorhersehbare Bahnen eingebettet nie wirklich Tempo aufnehmen kann und dank mangelnder Überraschungsmomente nur mäßiges Interesse beim Betrachter weckt. Seien wir ehrlich, die Grundidee des Films ist weder neu noch sonderlich brillant, deswegen sollte man zumindest ein paar interessante Wendungen für den Zuschauer parat haben. Genau da hapert es jedoch bei "Firewall" gewaltig, denn es braucht keinen Nostradamus, um die wenigen Wendungen bereits Minuten vorher prophezeien zu können. Fast alle Figuren des Films sind dazu noch derart eindimensional geraten, dass weder ein bleibender Eindruck von noch wirkliches Interesse an ihnen entsteht. Ein gutes Beispiel ist ein junges Bandenmitglied mit Gewissensbissen, das aber schon von Anfang an so labil aussieht, dass man Cox Kompetenz in Punkto Personalpolitik schon sehr stark anzweifeln muss.
Im Einklang dazu befindet sich die Regie von Richard Loncraine ("Wimbledon"), die nach gutem Beginn immer mehr in die Richtung uninspiriert wandert. Zu Anfang gibt's noch einen netten Vorspann und eine gut gelungene Montage beim Kidnapping, doch dann ist für Loncraine auch schon Schluss mit Lorbeeren sammeln. Weder schafft er es, dem Film im weiteren Verlauf wirklich Tempo und Spannung zu verleihen, noch versteht er es, seine Ideen wirklich gewinnbringend und effizient umzusetzen. So schneidet der Film in der ersten Hälfte zwar immer wieder zwischen versteckten Überwachungskameras und normalen Aufnahmen hin und her, doch so behäbig und wahllos, dass der Einsatz dieses Stilmittels fast völlig im Nichts verpufft. Dazu passt dann auch ein eher lahmer Showdown, der in dieser Ausführung mehr an einen TV-Krimi als an großes Hollywood-Kino erinnert. Doch es ist der Mangel an Kreativität, nicht Budget, mit dem sich "Firewall" hier selbst ein Bein stellt.
Hatten
Ford und die anderen Darsteller unter diesen Bedingungen überhaupt
eine Chance, den Film vor der völligen Belanglosigkeit zu bewahren?
Vielleicht, wenn sie genau die Energie und Leidenschaft an den Tag
gelegt hätten, welche dem Drehbuch und der Regie bereits nach
wenigen Minuten abhanden gekommen waren. Doch lediglich Ford und
Madsen ist die Spielfreude und das Herzblut wirklich anzumerken.
Während Madsen aber ihre durchaus beeindruckende Leinwandpräsenz
einzig als leidende Mutter in nur wenigen Szenen ausspielen darf,
ist Ford allein gelassen mit einem behäbigen Drehbuch, das
ihm kaum Gelegenheit gibt wirklich zu glänzen. Noch dazu fehlt
ihm auch ein würdiger Gegenspieler, denn obgleich Paul Bettany
vom Papier her vielleicht die interessanteste Besetzung des ganzen
Films sein mag, sein unterkühlt britischer Bösewicht agiert
zu soft und berechenbar, um als wirklich ebenbürtiger Antagonist
für die Leinwandlegende Ford herzuhalten.
Und dann ist da eben noch die Sache mit dem Alter. Im Showdown,
der einzigen wirklichen Actionsequenz des Films, geht Ford deutlich
an seine körperlichen Grenzen und scheint dem Alter auch scheinbar
erfolgreich ein Schnippchen zu schlagen. Doch wenn die Kamera danach
auf seinen spürbar erschöpften Gesichtszügen liegt,
dann blickt das Publikum in die Augen eines Schauspielers, die fragend
in den Kinosaal zu flüstern scheinen: "Warum tu ich mir
das eigentlich in meinem Alter noch an?"
Die Antwort auf diese Frage dürfte schmerzhaft sein für einen Darsteller, der seine größten Erfolge im Action- und Abenteuergenre feierte. So schmerzhaft, dass Ford sich weiterhin weigert sie zu akzeptieren und stattdessen immer noch mit Spielberg und Lucas auf das vierte "Indiana Jones"-Abenteuer hinarbeitet. Unter deren Aufsicht dürfte Ford zwar mit ziemlicher Sicherheit ein belangloses Filmchen à la "Firewall" erspart werden, doch ob Ford in der Lage sein wird, die über Jahre so liebgewonnene Leichtigkeit unseres Lieblingsarchäologen aufrechtzuerhalten, wird mit jedem Jahr fraglicher. Nach unzähligen Überarbeitungen ist das Skript ja nun scheinbar tatsächlich von Lucas, Spielberg und Ford abgesegnet worden, und so dürften wir wohl spätestens im Jahre 2008 die Antwort dazu im Multiplex um die Ecke präsentiert bekommen. Ford wäre dann zwar schon stolze 66 Jahre alt, doch bekanntlich fängt da das Leben ja erst so richtig an.
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