Factotum

Originaltitel
Factotum
Land
Jahr
2005
Laufzeit
94 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Patrick Wellinski / 2. Juni 2010

 

"Factotum: A Man of Many Jobs"

Charles Bukowski, dass ist der amerikanische Antiheld schlechthin. Für die Protagonisten in den Werken des Literaten und Dichters bleibt der "American Dream" immer nur ein Traum. Ein Schicksal, dass Bukowski am eigenen Leib erfahren musste oder vielleicht auch wollte. Der norwegische Regisseur Bent Hamer (der mit "Kitchen Stories" einen kleinen Arthouse-Hit landete) ist mit "Factotum" (basierend auf dem gleichnamigen Gedichtband von Bukowski) ein beachtliches Biopic der etwas anderen Art gelungen.

Henry Chinaski (Matt Dillon) arbeitet mal hier und mal da. Keine Arbeit behält er sonderlich lange, und immer verschuldet er seine Entlassungen selbst. Von Zeit zu Zeit schickt er selbstgeschriebene Kurzgeschichten an verschiedene Literaturzeitschriften, doch immer ohne Erfolg. Ein nennenswertes Liebesleben hat er nicht. Ab und zu schläft er mit Jan (Lili Taylor), die er in irgendeiner Bar aufgegabelt hat. Henry Chinaski, der Verlierer, und Jan, die Schlampe - zwei hoffnungslose Individuen, die eigentlich nichts zusammenhält außer der Alkohol und der Sex. Es ist kein Liebesverhältnis, es ist vielmehr eine Schmarotzerbeziehung. Der eine nimmt vom anderen was er bekommen kann und umgekehrt. Es zeigt sich ein erschreckendes Panorama der Gleichgültigkeit.

Bent Hamer kleistert Episoden aus diesem trostlosen Leben lose zusammen und projeziert damit ein Bild der Einsamkeit, oder vielmehr der Verlorenheit eines Menschen. Man springt von Episode zu Episode und sieht Henry, wie er sich betrinkt, wie er von seinen Eltern nur noch verachtungsvoll aus dem Haus geschmissen wird, und wie er wieder gefeuert wird oder sich vielmehr feuern lässt. Chinaski beim Gurkensortieren, beim Taxifahren oder beim Eiskleinhacken.
Und dann ist da noch der Henry Chinaski, der schreibt, und es sind besonders diese Momente, welche tief in seine Seele und Persönlichkeit blicken lassen. Es schimmert ein schwacher Mann durch, zerfressen von Selbstzweifeln und Zukunftsängsten. Begleitet wird diese Entblößung durch einen immer wiederkehrenden Off-Kommentar, den seit "Y tu Mama tambien" keiner mehr so künstlerisch genial in einen Film integriert hat wie hier Hamer.

Matt Dillon verkörpert Henry Chinaski, Charles Bukowskis Alter Ego, bemerkenswert gut. Der Drei-Tage-Bart, der Bauch, der aus der Hose quillt, die Tränensäcke und die rot unterlaufenen und unausgeschlafenen Augen spiegeln Chinaskis innerlichen Zerfall wieder. Auch Lili Taylor als Dillons Bettgespielin Jan macht ihre Arbeit mehr als ordentlich. Sie säuft mit Chinaski im Akkord und steht ihm in Sachen Zerfall in nichts nach. Vielleicht kommen die Beiden nicht ganz an Mickey Rourke und Faye Dunaway heran, die 1987 in der Bukowski-Verfilmung "Barfly" ein ähnliches Pärchen spielten, dennoch können Dillon und Taylor mit ihrem Mut zum Säufer-Elend durchaus beeindrucken. Denkwürdig Szenen wie die, in der erst sie aufsteht und sich in die Toilette übergibt, und zwei Minuten später er es genau so wiederholt.

Lakonisch, einfach und leise inszeniert Bent Hamer seinen Film und erinnert damit oft an den tieftraurigen und melancholischen Humor eines Aki Kaurismäki. Dialoge beschränken sich auf ein Minimum. Hier spürt man, dass diese zwar in Amerika gedrehte und mit amerikanischen Stars ausgestattete Geschichte ein sehr europäischer Film geworden ist.

Man verrät nicht zu viel, wenn man sagt, dass zum Schluss eine von Chinaskis Geschichten veröffentlicht wird. Doch er wird das nicht mitbekommen. Er wechselt zu oft den Wohnort. Briefe erreichen ihn nicht. Was also bleibt, ist der Spruch eines Saufkollegen von der Bar, der sagt: "Ich hab viel länger geschlafen, als du je gelebt hast." Und ein stiller Matt Dillon, der in sein Whiskeyglas starrt….

Bilder: Copyright

Der bessere Bukowski-Film ist aber, wie ich finde, Barfly.

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