
"Der Exorzist" sorgte im Jahr 1973 für schweißnasse
Hände beim Publikum und auch für einige kontroverse Diskussionen.
Die Thematik eines vom Teufel besessenen jungen Mädchens, dessen
entsprechend deftige Sprache und die sehr reißerisch eingesetzten
Effekte hatte man so noch nicht gesehen, und wohl auch deshalb wurde
der Film ein wesentlich größerer kommerzieller Erfolg
als einige Jahre zuvor "Rosemarys Baby", Roman Polanskis
deutlich subtilere Variante des Themas. Allerdings sollte man dem
später viel geschmähten "Exorzisten" zugute
halten, dass er seine beklemmende Atmosphäre durch ein sehr
klug gewähltes und oft auch sehr ruhiges Erzähltempo erzielte
und zudem eine ganze Reihe außergewöhnlicher Schauspielleistungen
bot. Wie dem auch sei, die Kassen klingelten so laut und nachhaltig,
dass man seit nunmehr dreißig Jahren versucht, aus dem Thema
eine Franchise zu machen. Dies führte erst einmal zu zwei Fortsetzungen,
dem kruden und mystisch abgehobenen "Exorzist II - Der Ketzer"
und dem recht soliden, aber eher unoriginellen dritten Teil. Nachdem
aber auch
der leicht aufgemotzte "Director's Cut" des Originals
vor ein paar Jahren geradezu unverschämt viel Kohle einspielte,
gebaren die Kreativen schließlich die clevere Idee eines "Prequels".
Und in der Theorie klang die Entscheidung, uns die erste Begegnung
des Pater Merrin mit seinem Erzfeind Luzifer zu präsentieren,
ja auch durchaus plausibel. Keiner der Verantwortlichen konnte schließlich
ahnen, dass sich die Produktion dieses Films zu einem gewaltigen
Desaster entwickeln würde.
Denn die Produktionsgeschichte dieses Films ist hier in der Tat
interessanter als die neue Episode des Spiels "Gut gegen Böse"
selbst. Was Regisseur Paul Schrader dem Studio nämlich ablieferte,
ließ den Bossen die Gesichtszüge gefrieren. Und zwar
aus Furcht, dieser blut- und actionarme Film würde heutzutage
keinen Einzigen aus der durch Freddy und Jason gestählten Zielgruppe
mehr ins Kino locken. Vom "psychologischen Horror, der sich
im Kopf abspielt" und den Schrader stolz präsentierte,
wollte keiner der Geldgeber etwas wissen und dies führte dann
zu einer ziemlich einmaligen Reaktion: Die Schauspieler wurden zurück
ans Set geholt (oder auch gleich ganz ausgetauscht, wenn sie keine
Zeit hatten) und nahezu der komplette Film noch einmal neu gedreht.
Mit dem alten Finnen Renny Harlin holte man sich dafür folgerichtig
einen Mann, der eigentlich nur für Eines bekannt ist, nämlich
Action-Ware. Dessen Entscheidung, diesen Ausbesserungsjob anzunehmen,
bestätigt allerdings die weit verbreitete Ansicht, dass Harlin
seine beste Zeit bereits hinter sich hat.
Puristen und Filmliebhaber schreien jedenfalls ob solcher Vorgehensweisen
reflexartig auf und verurteilen das gleich mal kräftig. An
den amerikanischen Kinokassen blieb das befürchtete Desaster
jedoch aus und der Film kam mit einem blauen Auge davon: Zumindest
für eine der zwei Produktionen sind die Kosten wieder drin.
Ob Schraders Version besser gelaufen wäre darf durchaus bezweifelt
werden, und ob sie tatsächlich der bessere Film ist, können
wir zurzeit nicht beurteilen. Betrachten wir also das vorliegende
Produkt und konstatieren nach dieser überlangen Einführung:
Viel Lärm um relativ wenig.
Einen direkten Exorzismus gibt es hier erst einmal nicht, denn
ob und wer da genau vom Dämon besessen ist bleibt zunächst
unklar. Klar ist nur, dass irgendwas nicht stimmt an der Ausgrabungsstätte
in Kenia, zu der es den ehemaligen Priester Lankester Merrin im
Jahre 1949 verschlagen hat. Der hat seinen Glauben vor einigen Jahren
in einem deutschen Konzentrationslager verloren, interessiert sich
aber trotzdem für die Freilegung einer christlichen Kirche
an einem Ort, wo diese eigentlich gar nicht sein dürfte. Ein
Ort, an dem es zudem vor fünfzig Jahren angeblich eine Plage
gab, der die gesamte einheimische Bevölkerung zum Opfer fiel.
Und deren Nachfahren reagieren empfindlich und beunruhigt, als sich
plötzlich wieder die merkwürdigen Vorkommnisse häufen
und es zu ersten Todesfällen kommt. Zusammen mit dem jungen
Pater Francis und der Ärztin Sarah versucht Merrin, zwischen
den Eingeborenen und den Militärs der britischen Kolonialmacht
zu vermitteln. Doch bald tränkt das Blut vieler Unschuldiger
die afrikanische Erde und Merrin erkennt, welcher Feind hier wirklich
lauert.
"Blut" ist ein gutes Stichwort, denn davon fließt
nun wirklich reichlich in der "neuen Version". Schlachtplätze
voller Leichen sowie allerlei ekliges Getier und Gewürm halten
den Gore-Faktor zusätzlich hoch und machen den Film zu einem
Horror-Streifen der härteren Sorte. Zusammen mit der flirrenden
Hitze Afrikas entwickelt sich so eine unangenehme und bedrückende
Atmosphäre, die insgesamt als stimmig angesehen werden kann
und auch durchaus etwas Apokalyptisches hat.
Die Spannungskurve verläuft dabei sehr wechselhaft, mit Ausschlägen
nach oben am Anfang und zum Schluss. Schwer zu akzeptieren ist dabei
der Versuch, den Zuschauer hinsichtlich des "Besessenen"
bewusst in die Irre zu führen und die Einführung des "Zehn
kleine Negerlein"-Prinzips, welches im Slasher-Film zwar Standard
ist, beim "Exorzisten" aber doch eher unpassend wirkt.
Und was hier dann gar nicht mehr geht, sind die wirklich grottenschlechten
Spezialeffekte. So sorgt der Angriff mehrerer Hyänen auf einen
kleinen Jungen für Gelächter
beim Publikum, ganz gleich ob man von den Viechern nun gerade die
gepixelte oder die mechanische Version zu sehen bekommt. Und ist
es wirklich so schwer zu verstehen, dass es nur in einer künstlichen
Welt a la "Matrix" cool ist, wenn bei einem Zweikampf
die Personen fünfzig Meter weit durch die Luft fliegen und
dann am Fels entlang krabbeln? Es ist nun müßig darüber
zu spekulieren, ob hier das Budget einfach so ausgereizt war, dass
für bessere Qualität einfach kein Geld mehr vorhanden
war. Das Ergebnis ist jedenfalls äußerst unbefriedigend
und diese Art von Spezialeffekten schadet dem Film mehr als das
sie ihn attraktiv macht.
Recht gelungen ist dagegen wiederum die Charakterisierung vom ehemaligen
und dann doch wieder Pater Merrin, der eine überzeugende und
sogar emotional berührende Hintergrundgeschichte verpasst bekommt,
die schließlich sogar in der ein- oder anderen Szene Verbindungen
zum Originalfilm aufweist.
So sieht es letztendlich aus, eine ziemlich ausgeglichene Mischung aus gelungenen und weniger geglückten Elementen. Dementsprechend passt hier allerdings auch Vieles nicht zusammen und das führt dann halt zu einer mittelmäßigen Wertung. Ob man allerdings so weit gehen sollte zu konstatieren, diesem Film sei - passend zum Thema - seine "Seele" gestohlen worden und dahinter verberge sich eigentlich ein ganz Anderer? Ach nö, das wäre dann wohl doch etwas zu dramatisch und wie bereits gesagt, auch viel zu viel Lärm um relativ wenig.
P.S.: Die weiter oben geschilderten Produktionsumstände sind ja nun allgemein bekannt und werden auch in jeder Fachzeitschrift und sogar in den Tageszeitungen geschildert. Um die durch den doppelten Dreh entstandenen Kosten aufzufangen überlegt das Studio sogar, später beide Versionen auf der DVD zu veröffentlichen. Warum glaubt dann der Verleih, dass die schreibenden Journalisten nicht wissen, was sogar einem Großteil des Publikums bereits bewusst ist? Muss das alles im ausgehändigten Presseheft beim ausführlichen Produktionsbericht tatsächlich komplett totgeschwiegen werden? Muss man dann den - kurzfristig in der Not eingesprungenen - Renny Harlin dort wirklich von seinem "Lieblingsfilm" erzählen lassen und davon wie "lange und intensiv" er nach der "richtigen Schauspielerin" gesucht hat und dass er "etwa 200 junge Schauspieler" getestet habe? Niemand erwartet, dass ein Studio sich in der Öffentlichkeitsarbeit selbst zerfleischt, aber ein wenig mehr Ehrlichkeit und Mut, zu den eigenen Entscheidungen auch zu stehen, wäre doch wünschenswert.
Neuen Kommentar hinzufügen