
Der gigantische Erfolg von Mel Gibsons "Die
Passion Christi" verursachte 2004 eine Menge dummer Gesichter
bei Leuten, die zuvor noch prophezeit hatten, dass es mit Religion
an der Kinokasse nichts zu holen gibt (erst recht nicht auf Aramäisch
mit Untertiteln), und bescherte Hollywood die Erkenntnis, dass man
mit Religion sehr wohl Geld machen kann - wenn es gelingt, die erzkonservative
Rechte zu mobilisieren, die ansonsten nur selten ins Kino geht.
Das klappte bereits erfolgreich mit der Verfilmung der mit christlicher
Symbolik
durchsetzten "Chroniken von Narnia",
und soll jetzt auch mit "Es begab sich aber zu der Zeit …"
funktionieren, der quasi als Gegenstück zu Gibsons Darstellung
von Jesu Tod nun dessen Geburt als Film dramatisiert. Das Ergebnis
kann man in allen Belangen mit einem Wort beschreiben: Brav.
Brav ist schon das Drehbuch von Mike Rich ("Finding
Forrester", "Sie nannten
ihn Radio"), das vor Produktionsbeginn von religiösen
Vertretern jeglicher Couleur abgesegnet wurde und sich bemüht,
aus der spärlichen Quellenlage eine ausreichende Filmhandlung
zu generieren (die Beschreibungen zu den Geschehnissen bis zur Geburt
Jesu im Lukas- und Matthäus-Evangelium sind zusammen keine
fünf Seiten lang), ohne sich dabei kreative Freiheiten zu nehmen,
die für Aufregung sorgen könnten.
Die Handlung ist dementsprechend knapp und hält sich streng
an die biblische Vorgabe: Am Anfang steht die göttliche Prophezeiung
an Zacharias, dass seine unfruchtbare (und eigentlich schon zu alte)
Frau Elisabeth einen Sohn gebären wird (der spätere Täufer
Johannes). Dieses Wunder wird auch der mit Elisabeth verwandten
Maria (Keisha Castle-Hughes) angekündigt, als ihr kurz nach
ihrer Verlobung mit dem Zimmermann Josef (Oscar Isaac) ein Erzengel
erscheint und verkündet, dass sie jungfräulich den Sohn
Gottes gebären wird. In Persien beobachten derweil drei Sterndeuter
ein astronomisches Phänomen, dass sie als Erfüllung der
Prophezeiung über die Ankunft des Messias sehen, und folgen
diesem "Stern" nach Judäa. Dort wiederum fürchtet
sich der machtgierige König Herodes (Ciarán Hinds, "München")
vor besagter Prophezeiung über einen "König der Könige"
und will die anstehende Volkszählung nutzen, um allen "Verdächtigen"
auf die Spur zu kommen.
Mit diesen drei Handlungsfäden versuchen Autor Rich und Regisseurin
Catherine Hardwicke ("Dreizehn", "Dogtown
Boys") nun einen fesselnden Film zu weben, dessen Ausgang
und komplette Geschichte eigentlich sattsam bekannt sind. Immerhin,
sie mühen sich redlich: Die drei heiligen "Könige"/Sterndeuter
in ihren eingestreuten Reiseszenen juxen zu lassen wie in einem
buddy movie und sie so für ein wenig komische Auflockerung
zu nutzen ist vom Ansatz her eine gute Idee, ebenso wie die Konstruktion
von Herodes als tragenden Bösewicht. Warum beides allerdings
nicht so recht
funktioniert, liegt zum einen an dem leicht überkandidelten,
manchmal amateurhaften Spiel der drei Sterndeuter-Darsteller, zum
anderen daran, dass es trotz der grimmigen Maskerade von Ciarán
Hinds als Herodes nicht gelingt, ihn für das Publikum (wider
besseren Wissens) als ernstliche Bedrohung wirken zu lassen.
Hierfür mangelt es einfach an starken Bildern, denn auch in
dieser Beziehung ist der Film äußerst brav. Während
in Gibsons "Die Passion Christi" noch gepeitscht, geschlagen
und geblutet wurde wie nichts Gutes, belässt es "Es begab
sich aber zu der Zeit…" bei ein paar bildlichen Andeutungen
über die Ausbeutung des Volkes durch den König und das
von ihm befohlene Massaker an neugeborenen Kindern, schneidet aber
immer schnell weg, bevor es wirklich blutig wird. Nicht anders verhält
es sich in den zwei Geburtsszenen, da hier sowohl Johannes als auch
Jesus anscheinend ohne Nabelschnur, hübsch sauber und groß
als wären sie schon sechs Monate alt auf die Welt kommen.
Die Absicht, hier eine möglichst "saubere", gänzlich
unkontroverse Filmversion zu schaffen, die sich ergo gut eignet
für die besinnliche Weihnachtszeit, ist offensichtlich und
(vom Marketing-Gesichtspunkt her) verständlich. Sie beißt
sich allerdings mit dem angeblichen Vorhaben der Filmemacher, hier
eine quasi-realistische Nachzeichnung zu versuchen, die vor allem
die Charaktere von Maria und Josef tiefer ergründen will. Auch
dies gelingt im Ansatz durchaus, indem man die soziokulturellen
Lebensumstände der beiden wiedergibt und darin Konflikte sucht,
die in den dünnen biblischen Angaben nicht zu finden sind.
So deutet der Film an, dass Maria Josef zunächst nicht heiraten
will, die Ehe aber von ihren Eltern aufgrund der misslichen Lage
ihrer armen Familie arrangiert wird. Dieser "Konflikt"
löst sich aber ebenso schnell auf wie alle weiteren Zweifel
des jungen Paares, sei es Marias verständliche Überforderung
mit der Rolle als plötzliche Gottesmutter oder Josefs anfänglicher
Wunsch, sich von Maria wieder zu trennen, als sie schwanger von
ihrer Reise zu Elisabeth zurückkehrt (und sie dafür auf
seinen Willen hin gesteinigt werden könnte).
Man
hätte mit ein wenig dramaturgischer Freiheit noch mehr aus
diesen Konflikten schöpfen können, doch getreu der Bibel
beseitigt hier jeweils eine göttliche Erscheinung beider Zweifel.
Das soll nicht gehässig klingen, aber jeder Drehbuchratgeber
der Welt predigt, die Finger von einem "Deus ex Machina"
zu lassen, einem quasi-göttlichen Eingriff um die Handlung
aufzulösen. "Es begab sich aber zu der Zeit …"
liefert ein sehr gutes Beispiel, warum so etwas schlecht für
die Dramatik ist.
Es ist zum Teil wohl auch diesem Mangel an echtem Drama zu schulden,
dass Keisha Castle-Hughes ziemlich blass bleibt, obwohl man gerade
wegen ihr auf diesen Film gespannt sein durfte. Seit sie für
ihre Debütrolle in "Whale Rider"
(2003) als 13-jährige zur jüngsten Nominierten für
den Hauptdarstellerin-Oscar aller Zeiten wurde, wartete man neugierig
auf ihren nächsten großen Auftritt, der nun allerdings
ziemlich enttäuschend ausfällt. Während sie in "Whale
Rider" mit ihrer Intensität und Ausstrahlung noch die
Leinwand erleuchtete, überrascht sie hier mit einem verwunderlich
eingeschränkten Repertoire an Gesichtsausdrücken. Zwischen
einem kindlich-ängstlichen Stirnrunzeln und einem milde-erhabenen
Lächeln passiert sonst nicht viel. Dass die Entwicklung ihrer
Figur auf halber Filmstrecke zum Erliegen kommt und sie einen Großteil
der Resthandlung auf einem Esel sitzend verbringt, hilft da auch
nicht gerade weiter.
Einzig als Verkörperung einer reinen Unschuld (und das ist
in dieser Rolle ja nun ziemlich wichtig) ist Castle-Hughes nahezu
perfekt - das Identifikationspotential der gleichaltrigen Hauptdarstellerin
für junge Mädchen aus der christlichen Zielgruppe ist
nicht zu verachten. Diese offensichtliche Kindlichkeit dürfte
die Filmemacher aber wohl auch dazu bewogen haben, den etwas sensiblen
Aspekt einer Teenager-Schwangerschaft
lieber nicht allzu deutlich zu betonen, weshalb Castle-Hughes zwar
ständig ihren unter weiten Gewändern versteckten Bauch
hält, aber niemals wirklich schwanger aussieht. [Übrigens:
Man sollte sich nicht davon irritieren lassen, dass Maria und Elisabeth
im Film als Cousinen bezeichnet werden - das ist ein gängiger
Bibel-Übersetzungsfehler und angesichts des Generationenunterschieds
offensichtlich falsch]
Es ist alles schön und brav aufbereitet und handwerklich sauber
umgesetzt, aber es ist auch die ganze Zeit zu spüren, dass
man hier eigentlich nichts zu sagen hat. Man mag von Gibsons "Die
Passion Christi" halten, was man will, aber seine Interpretation
des Kreuzwegs verlangte wenigstens nach Auseinandersetzung (die
ja auch reichlich kam). "Es begab sich aber zu der Zeit …"
bleibt mit seinen Ansätzen zur Charakterzeichnungen von Maria
und Josef zu sehr an der Oberfläche, ist in all seinen Aspekten
einfach zu brav, als dass sich eine tiefere Auseinandersetzung lohnen
würde - oder sich überhaupt anbietet.
Als Lehrmaterial für den Religionsunterricht erhält "Es
begab sich aber zu der Zeit …" das Prädikat "besonders
wertvoll" für eine akkurate Nachzeichnung der biblischen
Ereignisse unter Berücksichtigung der damaligen Lebenswelt.
Wen aber weder die eigene christliche Gesinnung ins Kino treibt
noch der Wunsch, an Weihnachten lieber den Film zu sehen als das
Buch zu lesen (oder in die Kirche zu gehen), für den gibt es
eigentlich keinen Grund, sich "Es begab sich aber zu der Zeit
…" anzusehen.
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