Vorneweg: Es ist für jeden Fantasyfilm sehr schwer, sich am Standard des "Herrn der Ringe" messen zu lassen, ohne dabei als billige Kopie zu gelten. Man muss aber auch nicht auf ganzer Linie als Abklatsch daher kommen, wie es bei "Eragon" der Fall ist. Die Verfilmung des Fantasy-Bestsellers kommt pünktlich zum Weihnachtsgeschäft in die Kinos und soll der diesjährige Ersatz für "Harry Potter" sein. Aber es fehlt dem ersten Teil der Roman-Trilogie leider an witzigen und originellen Einfällen, um sich mit dem Zauberlehrling oder sonst einem erfolgreichen Fantasy-Vorbild vergleichen zu können.
Auch wenn sicher schon das eine oder andere Element von J. K. Rowlings Internatsgeschichten aus Hogwarts von bekannten Fantasy-Vorbildern abgekupfert war, half die eigenständige Geschichte und die gekonnte Umsetzung darüber hinweg. Im Gegensatz dazu ist die Story von "Eragon" einfach gestrickt, schnell erzählt und vor allem komplett beim "Krieg der Sterne" abgeschrieben: Ein Waisenjunge wächst bei seinem Onkel auf dem Land auf, entdeckt per Zufall ungeahnte Fähigkeiten und wird mit Hilfe eines alten Mentors zur Heilsfigur der Rebellen, die sich aufmachen, um den Todesstern, Verzeihung, den bösen König Galbatorix zu besiegen. Der Name des Waisenjungen ist allerdings nicht Luke Skywalker, sondern Eragon (Ed Speelers, die blonde Unschuld vom Lande) und seine magischen Fähigkeiten machen ihn nicht zum Jedi-Ritter, sondern zum Drachenreiter, als er von dem letzten Drachen Saphira dazu auserwählt wird. Eragon wächst gemeinsam mit Saphira heran und entwickelt eine besondere Beziehung zu dem Drachen. Dabei hilft ihm der verbitterte Brom, der im Dorf durch merkwürdige Legenden auffällt und in dem Jungen den Retter des Königreiches erkennt.
Natürlich wollen der König und dessen Oberfiesling Darth Vader, äh, Durza verhindern, dass der letzte Drachenreiter die Rebellen erreicht und ihrem Kampf neue Hoffnung verleiht (die hochklassige Besetzung der bösen Seite mit John Malkovich als leicht mafiosem König Galbatorix und dem immer fiesen Robert Carlyle kann leider die einfach gestrickte Schwarz-Weiß-Geschichte nicht retten). Selbstverständlich haben die beiden auch noch die schöne Prinzessin Arya (Sienna Guillory) entführt und versuchen so, Eragon in die Falle zu locken. Der lässt sich auch von seinem Mentor Brom (mit Jeremy Irons eine weitere hochkarätige Besetzung) nicht von Dummheiten abhalten und fliegt direkt in die Festung.
Während die grunzenden Urgals in finsteren Verliesen Waffen schmieden, um auf die finale Schlacht von Farthen Dur vorbereitet zu sein, hat Eragon gelernt, was es heißt ein Drachenreiter zu sein: "Ein Viertel Mut und drei Viertel Dummheit". Es wäre gemein, dieses Motto direkt auf die Filmemacher zu übertragen. Es ist aber schon erstaunlich, dass selbst die von den Effektstudios WETA Digital ("Herr der Ringe") und Industrial Light & Magic ("Star Wars") gefertigten Spezialeffekte den Film nicht retten können. Offenbar hat sich die Herstellung künstlicher Drachen nur unwesentlich verbessert, seit 1996 der wenigstens witzige "Dragonheart" erschien, die Ausflüge auf den Feuerspuckern sind jedenfalls kaum beeindruckender als seinerzeit "Die unendliche Geschichte".
Manche Szenen sind fast wörtlich aus dem "Herrn der Ringe" kopiert: Durza schickt seine im Tal aufgereihte Armee hässlicher Unholde mit erhobener Hand und den Worten "Lasst niemanden am Leben!" in die Schlacht. Da war Christopher Lee als Saruman wesentlich überzeugender. Das ist genauso stümperhaft wie die zahlreichen, lückenhaften Sprünge in der Logik (Woher kommen plötzlich die Pferde zur Flucht? Warum ist Brom auf seinem Pferd genau so schnell wie der Drache? Warum kann jeder einfach in die Festung der Bösen hereinspazieren?) und das Fehlen jeglicher Tiefe in den stereotypen Figuren. Einzig Murtagh (Gareth Hedlund), Sohn eines abtrünnigen Drachenreiters, der plötzlich als Retter Eragons auftaucht, hat das Potenzial zu einer etwas ambivalenteren Rolle, das allerdings nur angedeutet wird. Aber es kommen ja "zum Glück" noch zwei weitere Teile.
"Eragon - Das Vermächtnis der Drachenreiter" ist eine wirklich durchschnittliche und unoriginelle Fantasy-Geschichte, die noch nicht einmal besonders überzeugend umgesetzt ist. Klischeehaft und genretreu wartet der Film mit keiner Überraschung auf, sieht man von der Minigastrolle der Souldiva Joss Stone als Wahrsagerin mal ab. Auch wenn Christopher Paolini, der Erfolgsautor der Eragon-Saga, den ersten Band noch als Teenager schrieb und sich damit 87 Wochen lang auf der "New York Times"-Bestsellerliste hielt, besser macht das die Verfilmung auch nicht. Als seichte Fantasy-Unterhaltung zu Weihnachten wird "Eragon" sein Publikum wohl finden, und wer noch nie zuvor einen Film der Gattung gesehen hat, wird auch an "Eragon" Spaß haben. Als Einstieg ins fantastische Kino wäre aber selbst die 80er Jahre-Zwergen-Mär "Willow" besser geeignet.
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