Echte Frauen haben Kurven

Originaltitel
Real Women Have Curves
Land
Jahr
2003
Laufzeit
90 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Kai Kollenberg / 8. März 2011

Manchmal dauert es länger bis ein Film seinen langen Weg aus den Staaten nach Deutschland findet. Handelt es sich noch dazu um einen "kleineren" oder Independent-Film, der nicht von einem der großen Studios produziert wurde, sind die Aussichten auf einen Deutschlandstart bereits gering. Das deutsche Publikum wird von den Verleihern als zu "konservativ" bewertet, so dass nur Filme mit groß klingenden Namen einen entsprechend großen Release bekommen. Beruhigend, dass es trotzdem immer wieder rühmliche Ausnahmen gibt, die sich zumindest einen kleinen Start erkämpfen, auch wenn es manchmal lange dauert. So wie "Echte Frauen haben Kurven" der Regisseurin Patricia Cardoso, der schon vor zwei Jahren auf dem Sundance-Festival reüssierte und dort nicht nur den Publikumspreis, sondern auch den Spezialpreis der Jury erhielt.
Große Namen gibt es auch hier keine. Die weibliche Hauptrolle spielt America Ferrera als pubertierende Ana, die im hispanischen Viertel von Los Angeles aufwächst. Nicht nur, dass sie ein paar Kilo zu viel auf den Rippen hat, und sich dadurch ständigen Triaden ihrer Mutter ausgesetzt sieht, sie hat auch sonst mit den antiquierten Vorstellungen ihrer Eltern zu kämpfen: Ana, die erfolgreich die Beverly-Hills Highschool besucht hat, möchte sich gern auf ein Stipendium an der Columbia-Universität bewerben, was ihr aber von den Eltern verwehrt wird. Sie sehen sie viel mehr als angehende Schneiderin im Betrieb ihrer Schwester Estella (Ingrid Olin). So muss Ana gegen ihren Willen diese Arbeit annehmen und sich gegen klassische Rollenbilder sowohl in ihrer Familie als auch in der amerikanischen Gesellschaft zu Wehr setzen.

Es ist die klassische "Coming-of-age"-Geschichte, die Patricia Cardoso uns erzählt. Ana hat mit allen Problemen des Erwachsen-Werdens zu kämpfen: Erste Liebe - hier in Form von Jimmy (Brian Sites), einem Sohn aus wohlhabenden Hause -, Konflikte mit den Eltern und die Erkenntnis, was wirklich wichtig im Leben ist. Womit also hebt sich dieser Film so wohlwollend von anderen ab?
Es ist die Tatsache, dass man den Eindruck hat, dass man "wirklichen" Menschen zuschaut, so abgedroschen dieses Argument klingt. Es sind nicht die typischen gut aussehenden, durchgestylten Teenager aus amerikanischen Filmen, mit all ihrer Schönheit, Coolness, und trendigen Kleidungsstücken, die diesen Film bevölkern. America Ferrera ist füllig, und fast jede weibliche Schauspielerin entspricht hier ebenfalls nicht den gängigen Schönheitsidealen. Sie sind zu dünn, zu dick, zu alt, zu unsexy. Und doch sind sie mit ihrem Äußeren zufrieden. Auch wenn sie mit den Vorurteilen von Leuten wie Anas Mutter konfrontiert werden. Und das sind mitunter die besten Szenen.
So reißen sich Ana und die anderen Schneiderinnen in einer Szene aufgrund der Hitze die Kleider vom Leib - zum Entsetzen von Anas Mutter - und sprechen ganz offen über ihre körperlichen Mängel. Das ist nicht nur wirklich komisch, sondern auch so unbefangen inszeniert, dass man als Zuschauer gar nicht mitbekommt, dass es sich wahrscheinlich um die erste Szene solcher Art handelt, die man im Kino gesehen hat.
Dennoch werden auch die bitteren Seiten thematisiert. Wenn sich Ana und Jimmy zu einem Rendezvous treffen, dann tun sie das heimlich, weil weder Anas noch seine Familie den anderen akzeptieren würden. So muss Ana sich gegenüber ihrer Mutter den Anschein einer echten "Latina" geben, was so viel bedeutet, dass sie so schnell wie möglich einen Mann findet, und in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter aufgeht. Auch Anas Argumente für ein selbst bestimmtes Leben können da kaum fruchten. Wie überzeugend dabei Lupe Ontiveros Anas Mutter Carmen gibt, spricht für die Qualität des Filmes. Denn zu keiner Sekunde wird die Mutter - wie sonst in ähnlichen Filmen - dämonisiert, sondern man kann erahnen, wie sehr sie selbst von diesem Bild geprägt wurde: Sie will nur das Beste für ihre Kinder, und das ist in ihren Augen nun einmal dieses Rollenmodell.
Und auch die Beziehung zwischen Ana und Jimmy selbst kommt nicht ohne einen Tropfen Wermut aus. Als Jimmy Ana beichtet, dass er Los Angeles verlassen wird, um zu studieren, ihr aber immer schreiben wird, erwidert Ana einfach nur: "Machen wir uns nichts vor, Du wirst ein anderes schlankeres Mädchen finden!" Diese offene Ehrlichkeit macht den Charme dieses Filmes und seiner Hauptfigur aus.
Männer spielen in diesem Film nur eine untergeordnete Rolle. Der Vater von Ana (Jorge Cervera jr.) gibt den treuguten Patriarchen, der von seiner Frau dominiert wird, zum Schluss aber noch einmal auftrumpfen kann. Auch Anas Bruder und ihr Freund sind nicht mehr als Stichwortgeber, um oben genannte Probleme deutlich zu machen. Das schadet dem Film aber nicht, da ja auch der Titel bereits klarmacht, dass sich dieser Film mit den Problemen von Frauen auseinandersetzt.
Der einzige Wehmutstropfen sind die vielen angerissenen und nicht zu Ende geführten Handlungspunkte: So soll Ana für ihre Bewerbung zur Columbia-Universität eine persönliche Stellungnahme schreiben, womit sie sich schwer tut. Wie sich dieser Spannungspunkt auflöst wird im Film nicht deutlich, da er hinterher nicht mehr zur Sprache kommt. Der Zuschauer wird vielmehr vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Problem ist gelöst, nächster Punkt. So hastet der Film jedes erdenkliche Problem, dem sich Frauen im Allgemeinen und Menschen hispanischer Abstammung im Speziellen in den USA stellen müssen, ab, wobei leider viele interessante auf der Strecke bleiben - wie die Ausbeutung kleinerer Firmen durch Großunternehmen zum Beispiel.
Sollte man trotz dieses kleinen Makels "Echte Frauen haben Kurven" empfehlen? Unbedingt. Denn wann hat man zuletzt einen Film gesehen, der einem mit einer Prise Humor und Warmherzigkeit die alltäglichen Grausamkeiten vor Augen führt, und dennoch nur eine Botschaft hat: Na und, was soll's?!


10
10/10

Top Film! Hab dne mal aufm ersten oder zweiten gesehen und er ist Faszinierend. Auch da manin diesem Film nicht nur viel über andere Kulturen lernt, sondern auch über die eigene Kultur, die Schwechen der Industry-Menscheit sowie das erwachsenwerden eines Jungen Mädchens!

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