Die Frau des Nobelpreisträgers

Originaltitel
The Wife
Jahr
2017
Laufzeit
100 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Maximilian Schröter / 1. Dezember 2018

Jonathan Pryce & Glenn CloseConnecticut, 1992: Joe Castleman (Jonathan Pryce) ist einer der angesehensten und bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart. Eines Morgens erhält er einen Anruf aus Stockholm, von dem wohl viele Literaten träumen. Das schwedische Nobelpreis-Komitee teilt ihm mit, dass er als diesjähriger Preisträger des Nobelpreises für Literatur ausgewählt wurde. Joe kann sein Glück kaum fassen und auch seine Ehefrau Joan (Glenn Close), mit der er seit fast 40 Jahren verheiratet ist, freut sich für ihren erfolgreichen Mann. Nachdem die gute Nachricht gemeinsam mit der Familie, Freunden und Kollegen gebührend gefeiert worden ist, fliegt das Ehepaar zusammen mit dem Sohn David (Max Irons) nach Schweden, wo die Preisverleihung stattfinden wird. Bereits im Flugzeug treffen sie auf den Autoren Nathaniel Bone (Christian Slater), der schon seit längerem eine Biographie über Joe schreiben will. Joe wimmelt den lästigen Verfolger ab, doch Nathaniel lässt nicht locker und heftet sich auch in Stockholm an die Fersen des Ehepaares. Joes Zeit dort ist vollgepackt mit Terminen und Empfängen, bei denen seine Frau meist an seiner Seite ist, sich aber höflich im Hintergrund hält. Dennoch treten bald Spannungen zwischen Joan, ihrem Mann und deren Sohn auf, die noch zusätzlich durch Nathaniels hartnäckige Versuche verstärkt werden, mit dem Ehepaar Gespräche über Joes literarisches Werk und Joans Rolle in der Ehe zu führen. Denn Nathaniel ist fest davon überzeugt, einem dunklen Geheimnis auf der Spur zu sein, dessen Offenlegung nicht nur die Ehe der beiden, sondern auch die Bewertung von Joes literarischem Werk vollkommen verändern würde.
 

Sowohl der deutsche als auch der Originaltitel des Films stellen die von Glenn Close gespielte EhefrauSlater, Close & Pryce in den Mittelpunkt. Tatsächlich ist es ein interessantes Gedankenspiel, wie sich die Wahrnehmung und Bewertung des Films verändern würden, wenn er etwa „Der Autor“ oder „Der Nobelpreisträger“ hieße. Denn Jonathan Pryce spielt hier keineswegs nur eine Nebenrolle, bekommt fast genauso viel Leinwandzeit ab wie Close und liefert ebenfalls eine beeindruckende, facettenreiche Leistung ab. Dennoch steht in dieser Verfilmung von Meg Wolitzers Roman „Die Ehefrau“ eben genau diese im Zentrum der Aufmerksamkeit. Das ist umso bemerkenswerter, als sie nämlich im Film keineswegs durchgehend im Mittelpunkt steht. Joan ist die Frau an der Seite eines berühmten Schriftstellers, der wohin er auch geht stets die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Der Film schafft es jedoch, Joan dabei nie aus den Augen zu verlieren und fängt ihre Reaktionen auf das Geschehen um sie herum auch im Trubel, der um ihren Mann meist herrscht, für den Zuschauer ein.

Dass das so gut funktioniert, ist natürlich auch Closes hervorragendem Schauspiel zu verdanken. Mit oftmals nur wenigen, aber gezielt eingesetzten Gesten und Gesichtsausdrücken macht sie immer sofort klar, wie sich ihre Figur in der jeweiligen Situation fühlt. Ein höfliches Lächeln hier, ein skeptischer Blick dort – viel mehr braucht es in einigen Annie STarke & Harry LloydSzenen gar nicht, um den Zuschauer schon ein bisschen hinter die Fassade der Frau an der Seite des gefeirten Literaten blicken zu lassen. Überhaupt sind die Handlungen und Gefühle aller Protagonisten im Film zu jedem Zeitpunkt für den Zuschauer nachvollziehbar, was nicht nur den durchweg erstklassigen Schauspielleistungen zu verdanken ist, sondern auch dem cleveren Drehbuch. Glenn Close wird für ihre Leistung wohl hochverdient zum siebten Mal mit einer Oscarnominierung bedacht werden; die Frage, ob es dieses Mal allerdings für den Oscar selbst reichen wird, bleibt trotzdem spannend. Schließlich ist die Konkurrenz beispielsweise in Form von Lady Gaga stark.

Glenn Close darf allerdings nicht nur bei Empfängen und Dinnerpartys an der Seite von Jonathan Pryce glänzen, sondern hat einige ihrer stärksten Szenen mit ihm allein, als sich der Film im späteren Verlauf immer mehr zum Ehedrama wandelt. Der Einblick in die Beziehung des Paares wird zusätzlich noch durch Rückblicke in die 1950er und 1960er Jahre verstärkt. Sie zeigen das Kennenlernen des Paares und die frühen literarischen Anstrengungen, wodurch vor allem Joan für den Zuschauer zusätzliche Facetten erhält, als sich ihre Lebensgeschichte vor dessen Augen komplettiert. Sollte sich der eine oder andere Zuschauer übrigens über die frappierende Ähnlichkeit der jungen Joan mit deren älteren, von Glenn Close gespielten Ich wundern, so lässt sich dies leicht erklären: Annie Starke, die Joan in den Rückblicken spielt, ist die Tochter von Glenn Close.

Nach und nach kristallisiert sich schließlich ausGlenn Close den verschiedenen Handlungssträngen – die Rückblicke, Nathaniel Bones hartnäckiges Bohren in der Castlemanschen Familiengeschichte und die sich vertiefenden Gräben zwischen Joan, ihrem Mann und ihrem Sohn – der Kern der Handlung heraus. An dieser Stelle sei auch Max Irons' Schauspielleistung hervorgehoben (zusammen mit Glenn Close ist dieser zurzeit auch in „Das krumme Haus“ im Kino zu sehen); dieser spielt den im Schatten seines berühmten Vaters stehenden und sich nach dessen Aufmerksamkeit und Wertschätzung sehnenden Sohn nämlich so überzeugend, dass man vollkommen vergisst, wie klischeehaft dieser Teil der Handlung eigentlich ist.

Wie es sich für ein ordentliches Drama gehört, spitzen sich zum Ende hin die Ereignisse zu. Bis dahin hat der Film zahlreiche Themen angesprochen und so manche Frage aufgeworfen. Wie geht man mit großem Erfolg des eigenen Lebenspartners um? Welche Opfer ist man bereit zu bringen, um den Familienfrieden nicht zu gefährden? Und natürlich stellt der Film ganz explizit auch die Frage nach der Rolle der (Ehe-)Frau an der Seite eines erfolgreichen Mannes in den Raum. Damit ist er, obwohl er im 20. Jahrhundert spielt, natürlich auch heute hochaktuell. Ob Joan Castleman nun eine besonders mutige oder einfach nur pragmatisch handelnde Frau ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist, dass man selten im Kino auf so hohem Niveau gleichzeitig unterhalten und zum Diskutieren angeregt wird.

Bilder: Copyright

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