
Es war abzusehen: Nach Baz Luhrmanns cineastischem Knallbonbon
"Moulin
Rouge" und dem
Oscar-gekrönten Erfolg von "Chicago"
gilt das tot geglaubte Genre Musical offiziell als
reanimiert -
und da war es nur eine Frage der Zeit, bis der Großfürst
der Tanztheater dieser Welt, Andrew Lloyd Webber, sein
eigenes Stück
vom Kinokuchen einfordern würde - denn auf diese
Gelegenheit
wartete er anscheinend schon eine ganze Weile.
Nach eigenem Bekunden planen er und der (im
Musical-Bereich bis
dato gänzlich unerfahrene) Regisseur Joel Schumacher die
Leinwand-Adaption
von "Das Phantom der Oper" schon seit einem Jahrzehnt.
Was angesichts des drögen und todlangweiligen Endprodukts
die
Frage aufwirft, wie lange sie noch hätten planen müssen,
bis ein vernünftiger Film dabei raus gekommen wäre.
Für alle, die nicht zu den acht Millionen Zuschauern
gehören,
die sich allein in Deutschland die Bühnenshow von "Das
Phantom der Oper" bereits angesehen haben, kurz der
Inhalt:
Das Musical (basierend auf dem gleichnamigen Roman von
Gaston Leroux)
erzählt die Geschichte eines Pariser Opernhauses anno
1870,
als zwei neue Direktoren das Theater mit Hilfe des
Jung-Millionärs
Graf Raoul de Chagny (Patrick Wilson) übernehmen und
gleich
bei der ersten Generalprobe erfahren, dass das Theater von
einem
mysteriösen Phantom (Gerard Butler) bewohnt wird, welches
dazu
neigt, Proben und Aufführungen empfindlich zu stören,
wenn seinen Wünschen nicht nachgegangen wird. Diese
Wünsche
kreisen aktuell um das Chormädchen
Christine (Emmy Rossum aus "The
Day after Tomorrow"), in das sich das Phantom verliebt
hat und dem es nun zum Durchbruch als gefeierte Sängerin
verhelfen
will - zur erheblichen Missgunst der regierenden Operndiva
La Carlotta
(Minnie Driver mit einem recht schrillen Auftritt). Doch
als sich
Raoul und Christine als alte Sandkastenliebe wieder
erkennen, entspinnt
sich ein verhängnisvolles Liebesdreieck, dessen
Leidenschaft
mehr als nur den prunkvollen Kronleuchter zu Bruch gehen
lassen
wird ….
Liebe, Leid, Mysterium und viel Pathos - die Geschichte
vom "Phantom
der Oper" ist in der Tat wie gemacht für ein
theatralisches
Singspiel. Zu schade, dass Regisseur Joel Schumacher sich
als komplett
unfähig erweist, diese dramatische Kraft auch nur
annähernd
auf die Leinwand zu retten. Tatsächlich entpuppt sich die
Kinoversion
von "Das Phantom der Oper" als Musical zum Abgewöhnen:
Für wen dieses Genre noch nie mehr war, als Leuten beim
Singen
zuzugucken, findet hier vollständige Bestätigung. Ohne
Konzept und Kreativität folgt Schumacher brav und bieder
über
zwei Stunden seinen Akteuren mit der Kamera, während sie
vor
sich hin trällernd über Bühnen und durch Katakomben
wandern, und entfaltet dabei ungefähr soviel Tempo und
Dramatik
wie ein Schnecken-Wettrennen.
Bedenkt man, dass Schumacher einstmals für seine
überladenen
Popcorn-Inszenierungen der zwei letzten Batman-Filme
berühmt-berüchtigt
wurde, ist es geradezu erstaunlich,
mit welcher stocksteifen Behäbigkeit er ausgerechnet hier
agiert,
wo ausschweifende Kamerafahrten und optische Mätzchen
genau
richtig am Platz wären. Wenn man die optischen Feuerwerke
von
"Moulin Rouge" und "Chicago" im Kopf hat und
dazu im Vergleich nun Schumachers "Phantom" betrachtet,
bei dem sogar die großen Ensemble-Nummern wie eingefroren
wirken, kann man sich angesichts derart abwesender Dynamik
nur noch
wundern - wenn man vor lauter Langeweile nicht schon halb
eingenickt
ist.
Denn die Leidenschaftslosigkeit der lahmen Inszenierung
überträgt
sich leider auch auf die Akteure, die mit alberner
Bühnen-Gestik
(allen voran Blondchen Jennifer Ellison als Christines
Freundin
Meg) die künstliche Atmosphäre des Films nie durchdringen
können und sich als entsprechend unfähig erweisen, die
kraftvollen Emotionen der Geschichte erfolgreich zu
transportieren.
Erst zum großen Finale stellt sich hier ein bisschen
Besserung
ein, die jedoch viel zu spät kommt. Die mangelnde
Überzeugungskraft
des stetigen, gekünstelten Singsangs ist dabei auch der zu
offensichtlichen Nachvertonung
zu verdanken: Selbst in der englischen Originalversion
wollen Bild
und Ton nicht so recht zueinander passen, ist die
Diskrepanz zwischen
gespieltem und nachträglich aufgenommenem Gesang einfach
zu
groß, um nicht negativ aufzufallen. Schlechtes Playback,
kein
Vergleich zu einer kraftvollen Live-Performance.
Mit angezogener Handbremse und erschreckend
bewegungsarmer Kamera
inszeniert, fällt "Das Phantom der Oper" als Kino-Musical
gnadenlos durch. Die narrative Geschwindigkeit des
Zelluloid-Mediums
konsequent ignorierend, schleppt sich der Film träge dahin
durch endlose Song-Nummern ohne Höhepunkte oder
dramatische
Entwicklung, braucht entsprechend für seine
Story-Wegstrecke
viel zu lange und fängt schon nach fünf von 143 endlos
langen Filmminuten an, kolossal zu langweilen. Dass Andrew
Lloyd
Webber höchstselbst als Drehbuchautor und Produzent seine
Finger
hier stetig mit im Spiel hatte, dürfte dem flexiblen
Umgang
mit dem Ausgangsmaterial nicht gerade geholfen haben -
dass hier
anscheinend niemand begriffen hat, dass ein Kino-Musical
mehr ist
als eine abgefilmte Bühnenshow mit teureren Kulissen ist
angesichts
solch aktueller beeindruckender Vorbilder wie "Moulin
Rouge"
oder "Chicago" nur noch peinlich.
Das Poster mag vollmundig "Das größte Film-Musical
aller Zeiten" versprechen, die Wahrheit sieht indes anders
aus: Diese Inszenierung vom "Phantom der Oper" erweist
sich als stocksteifer, lahmer Rohrkrepierer, und wäre als
Bühnenshow
schon nach einer Woche abgesetzt worden.
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