Wenn der kleine Nicki (Jonas Hämmerle) nur wüsste, was ihm da gerade durch Zufall in die Hände gefallen ist. Die Gauner Max (Oliver Korittke) und Kwapisch (Arndt Schwering-Sohnrey) sind jedenfalls verdammt scharf drauf, schließlich handelt es sich um Beethovens geheime Morphus-Komposition. Und was diese so besonders macht, ist ihre - aus Sicht der Ganoven - nützliche Eigenschaft, Menschen in einen tiefen Schlaf zu versetzen, wenn sie erklingt. Dumm nur: Sie ist eben nicht in ihrem Besitz. Womit wir wieder bei Nicki wären, der mit seinem Vater (Michael Roll) einen Abenteuer-Trip in die Berge unternimmt, schließlich soll mal ein richtiger Mann aus ihm werden. Zunächst unbemerkte, aber auch ziemlich dusselige Verfolger: Max und Kwapisch.
"Das Morphus-Geheimnis" stellt den Rezensenten vor ein Problem. Wie viele Augen kann ihm ein Film wert sein, der nach spätestens zehn Minuten in ihm fast körperliche Qualen hervorruft? Der ihn geschätzte 237 Male genervt zur Uhr blicken lässt. Ein Film, den er sich nur gegen großzügige Bezahlung ein weiteres Mal anschauen würde. So wahnsinnig viele Augen kann so ein Film eigentlich nicht kassieren.
Andererseits muss sich der Rezensent natürlich auch ins Bewusstsein rufen, dass er ganz sicher nicht zur Zielgruppe dieses Films gehört, welche etwa bis "Ende Grundschule" reichen dürfte. Doch ist das entscheidend? Würden Filme nur nach ihrer Zielgruppe beurteilt, so müssten "Saw 5" oder "High School Musical 3" in den Jahres-Bestenlisten ganz oben stehen. Entscheidend bei der Beurteilung ist letztlich, ob man einen Film auch einem Nicht-Genre-Anhänger empfehlen kann. Also: Kann man sich "Das Morphus-Geheimnis" als Jugendlicher oder Erwachsener anschauen? Und hier lautet die klare Antwort: Natürlich kann man das. Man sollte es aber auf keinen Fall auch wirklich tun.
Die Dinge, die einem halbwegs gereiften Menschen hier konstant zusetzen, sind vielfältig. Die Leistungen der Schauspieler gehören nicht dazu. Dafür aber der gesamte Rest. Zum Beispiel Hauptcharakter Nicki: "Unsympathisch" wäre der falsche Ausdruck, schließlich verhält er sich wie zig andere Kinder in diesem Alter auch. Aber das ist eben genau das Problem. Zudem übertreibt man es bei ihm in Sachen Tollpatschigkeit ziemlich gehörig. Wenn er innerhalb weniger Momente gleich mehrmals irgendwo unbeholfen raus oder runter fällt, formiert sich sehr schnell das Bild eines kleinen Zirkus-Clowns.
Regelrecht Kinderfilm-typisch ist die Charakterisierung der Erwachsenen. Die Gier der beiden Gauner wird nur noch durch ihre Dummheit übertroffen. Wobei einer von Beiden noch eine Spur dämlicher ist als der andere, weshalb letzterer (Korittke) auch der Boss ist. Der Vater von Jonas fällt zu Beginn vor allem dadurch auf, dass er seinem Sohn mehrfach keinen Glauben schenkt - zu Unrecht natürlich - und ihn für ein Weichei hält. Wie, da ist jemand eingebrochen? Erzähl doch keinen Unsinn! Jemand verfolgt uns? Ich sehe niemanden.
Dies führt zu einem der wirklich ärgerlichen Aspekte an diesem Film, der durchaus durchblicken lässt, dass auch das ganz junge Publikum hier nicht so ganz ernst genommen wird. Jonas schaut durchs Fernglas: er sieht die Ganoven. Sein Vater blickt hindurch: er sieht sie nicht. Das Spiel wiederholt sich noch einmal. Hier wird der kleine Vater-Sohn-Konflikt durch ein völlig an den Haaren herbeigezogenes Element verschärft: der Vater ist scheinbar einfach zu doof, durch das Fernglas zu blicken, und zwar in die Richtung, die ihm sein Sohn zeigt.
Es geht allerdings auch noch eine Spur härter: Wie beschrieben bemerkt Jonas ja, dass er und sein Vater verfolgt werden, und er sieht auch, von wem. Kurze Zeit später kommt es in einem Hotel zur unmittelbaren Begegnung der beiden Duos. Nun könnte man meinen, dass Jonas vielleicht ein klein wenig misstrauisch sein könnte, vielleicht sogar Angst bekommt. Doch was passiert? Er lässt sich munter in eine freundliche Unterhaltung mit den Bösen verwickeln. Spätestens an dieser Stelle verlieren die Macher dieses Films auch den letzten Erwachsenen, der sich noch tapfer geschlagen hat. Oder schafft es tatsächlich jemand, bis zu der Passage durchzuhalten, in der einige Gäste des Hotels beginnen, umherzuwandeln - und zwar wie Zombies...
Das nicht gerade nachvollziehbare Verhalten der Charaktere ist der größte Knackpunkt, an dem sich jeder erwachsene Kinogänger stoßen wird. Es sind aber auch Kleinigkeiten, wie eine lächerlich animierte Lawine (die keine wirkliche Funktion erfüllt, also in Anbetracht des schmalen Budgets getrost hätte gestrichen werden können) oder Dynamit, das mal von ganz alleine explodiert und mal eine halbe Minute braucht, obwohl der Timer noch vier Sekunden anzeigt. Dass der Film optisch auch nicht so viel hergibt und genau so gut, wenn nicht gar besser im TV-Programm aufgehoben wäre, rundet den unglücklichen Gesamt-Eindruck ab.
Natürlich ist "Das Morphus-Geheimnis" kein Film für irgendwelche Kritiker. Aber warum muss eine Produktion für Kinder zwingend das erwachsene Publikum ausschließen? Dass es auch anders geht, zeigt doch am Besten Quadrat-Schädel Spongebob: bei den Kids die wohl beliebteste, in jedem Fall aktuell bekannteste Zeichentrick-Figur, und bei vielen Älteren absoluter Kult. Wer aber einen Kinderfilm so maßschneidert, dass er wirklich nur den Kleinsten der Kleinen gefällt (und selbst für die gibt es bessere Alternativen), der bekommt als Quittung halt die Fast-Niedrigstwertung. "Fast", weil der Rezensent ein paar Mal ja schon lachen musste. Wenn auch meist über die verkorksten Elemente.
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