
Rezension Andreas Berger:
Bereits die Eröffnungssequenz, in der sich zwei computeranimierte Skorpione zu fetten Gitarrenriffs bis aufs Blut bekämpfen, macht deutlich, dass Subtilität hier eher klein geschrieben wird. Der Sieger dieser Auseinandersetzung kommt dann auch prompt unter die Räder des knallroten Cadillacs unserer Hauptfigur, dem frisch aus dem Knast entlassenen Michael Zane (Kurt Russell). Michael will das obligatorische letzte große Ding drehen, sich auf sein obligatorisches Segelboot zurückziehen und der Welt dann endgültig den Rücken zukehren. Dass dieser Plan nicht ganz problemlos ablaufen wird, ahnt der aufmerksame Zuschauer bereits als er Michaels Komplizen zu Gesicht bekommt: Besonders der Anführer der Gruppe, Thomas Murphy (Kevin Costner), macht schnell deutlich, dass er sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt und Witze über den King schon mal gar nicht dulden wird. Besagter Überfall, bei dem die fünf Männer während einer Elvis-Convention in entsprechendem Outfit ein Casino in Las Vegas überfallen, beschert ihnen schlappe 3,2 Millionen Dollar Papiergeld, die natürlich sofort zu Streitereien führen, an deren Ende sich nur noch Zane und Murphy gegenüberstehen. Für die Beute interessieren sich allerdings auch die Kellnerin Cybil und ihr kleptomanischer Sohn Jesse, die sich schließlich gemeinsam mit Michael auf die Reise zu einem Geldwäscher machen und dabei vom zunehmend mieser gelaunten Murphy gejagt werden ....
"Crime is King" eilt unter seinem Originaltitel "3000 Miles to Graceland" ein eher zweifelhafter Ruf voraus, für den die fünf Nominierungen für die Goldenen Himbeere (bekanntlich so eine Art Anti-Oscar) das griffigste Beispiel sind. Nachvollziehbar erscheinen diese Schmähungen indes nicht. Der Film mag nicht das brillanteste Script haben und stellenweise ein wenig zu sehr auf die Brechstangen-Methode setzen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen - Action-Szenen mit dröhnender Rockmusik zu unterlegen, macht sie nicht immer automatisch noch fetziger -, aber "Crime is King" hat genug zu bieten, um seine kleineren Schwächen größtenteils auszugleichen.
Zum Beispiel Kevin Costner. Gerade Kevin Costner. Speziell die Tatsache, dass der ehemalige Superstar und einstige Verkörperung des amerikanischen Gewissens inzwischen eher als 'Has been' gilt, trägt vielleicht einen guten Teil dazu bei, dass wir hier einen der charismatischsten Bösewichte der letzten Zeit auf der Leinwand bewundern dürfen. Wie Costner als unehelicher Sohn von Elvis mit monströsen Koteletten und schwarzem Mantel seinen Weg über die amerikanischen Highways macht, ist nicht einfach nur extrem cool, sondern hat Stil und Würde, und am Ende des Films ist dieser skrupellose Mistkerl, dem die ersehnte Anerkennung immer verwehrt geblieben ist, schon fast zur tragischen Figur geworden. Ganz groß.
Wie viel Spaß Kurt Russell dabei hatte, mal wieder ins Presley-Kostüm zu schlüpfen - er spielte den King ja bereits 1979 in John Carpenters "Elvis" -, zeigt nicht nur seine grandiose Performance während des Abspanns von "Crime is King". Gewohnt souverän gibt er hier den harten Kerl, der nie wieder jemand vertrauen wollte, sich aber plötzlich gegen seinen Willen mit einer durchtriebenen Bedienung (Courteney Cox) und ihrem frühreifen Sohn in einer komplizierten Zweckgemeinschaft wiederfindet. Auch neben den drei Hauptdarstellern wartet der Film mit vertrauten Gesichtern wie Christian Slater, David Arquette, Kevin Pollak oder Ice-T auf. Die (mehr oder weniger) großen Namen haben hier allerdings nur ziemlich kurze Auftritte, eine Parallele zu "True Romance", mit dem "Crime is King" sowieso recht viel gemeinsam hat, ohne allerdings wirklich an die Frische und den ungestümen Drive der Tarantino-Story heranzureichen.
Optisch macht der Film ebenfalls eine hervorragende Figur. Der Videoclip-erfahrene Demian Lichtenstein spart wahrlich nicht mit Oberflächenreizen und setzt die zahlreichen uramerikanischen Motive genauso farbenprächtig und flashig um wie die beiden wilden Schießereien, die den Film einrahmen. Auch wenn "Crime is King" offenbar nicht gerade wenig Angriffsflächen bietet: Derart ehrliches, schnörkelloses, im Grunde altmodisches Tough-Guy-Kino in derart schicker Verpackung gibt es derzeit nur sehr selten auf der großen Leinwand zu sehen. Und wenn Kurt Russell Courteney Cox nach der gemeinsamen Liebesnacht ein 'Snickers' aufs Kopfkissen legt, weil sie gesagt hat, dass sich Frauen über Blumen oder Schokolade freuen, hat das ganz einfach Klasse.
Gegenposition Simon Staake:
"Well there's a-one for the money, a-two for the show..." Die lustige Räuberbande um Elvis' angeblichen illegitimen Sprössling McMurphy (Kevin Costner) und seinen alten Kumpel Michael Zane (Kurt Russell) vereint gleich beides. Sie wollen das dicke Geld und ziehen dabei eine dicke Show ab: Während einer Elvis-Convention mischen sie sich halt in den entsprechenden Kostümen unters Volk und räumen dann das Casino leer. Der große Casino-Raub im Elvis-Kostüm, so verkauft uns auch der Trailer diesen Film, steht hier im Mittelpunkt. Leider ist dieser Coup aber nach einer halben Stunde vorbei, der Film um seinen einzigen halbwegs akzeptablen Höhepunkt ärmer und spätestens fortan wird's dann ganz ganz schlimm.
Dies ist ein schlechter, schlechter Film. Das großartigste an "Crime is King" - der übrigens bezeichnenderweise fast anderthalb Jahre brauchte, um es auf deutsche Leinwände zu schaffen - ist jedoch, dass man selten einen ‚großen' Film derart jämmerlich krepieren sieht wie diesen. Immerhin kann man mit Kevin Costner und Kurt Russell zwei Herren aufbieten, die zwar ihre besten Jahre auch schon deutlich hinter sich haben, aber immer eine gewisse Zugkraft an der Kinokasse garantieren sollten. Dazu eine wahrlich erstaunliche Reihe von Co-Stars: Courteney Cox nebst Gatten David Arquette, Christian Slater, Kevin Pollak, Ice-T, John Lovitz, und, und, und. Was haben diese durchaus wohlklingenden Namen bloß in diesem Mist zu suchen?
Ein Rätsel, denn Vertrauen in Regisseur und Co-Autor Demian Lichtenstein kann es wohl kaum gewesen sein. Der hat außer einer Reihe von Musikvideos nur sein Debüt "Lowball" zugute stehen - eine Low Budget Produktion, die offenbar tatsächlich in allen Bereichen sehr low ist und nicht einmal auf Video erschien. Und nimmt man "Crime is King" zum Maßstab, dann wächst mit Herrn Liechtenstein hier ein neues Trash-Talent heran, dessen Filmographie für Entsetzen sorgen wird. Sein Versagen hier ist absolut und in allen Bereichen. Vom lachhaft klischeehaften Skript bis hin zur den Rest verhunzenden Videoclip-Ästethik versaut der Mann, was man versauen kann. Hier ist alles Stil und nichts Substanz. Was noch einigermaßen akzeptabel wäre, wenn man sich denn wenigstens für einen Stil entschieden hätte. Wie ein kleiner Junge im Süßwarenladen will Lichtenstein aber alles und panscht das dann feucht-fröhlich zusammen: Zeitlupe, Zeitraffer, Farbfilter und ein halbes Dutzend anderer Spirenzchen, alles packt er aus. Dass das dann im Zusammenspiel miteinander keinerlei Sinn macht, ist ihm dabei auch egal. Dazu kommen dann Filmszenen, die wahrlich jeder Beschreibung spotten.
Ein Beispiel: McMurphy wird von einem Cop wegen Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten. Der Cop - natürlich fett und korrupt aussehend - legt seine Hand auf sein Pistolenhalfter als wolle er McMurphy zum Duell herausfordern. Und dann - haben die beiden ein Duell! Was will uns diese Szene sagen? Fordert der Cop jeden Verkehrssünder zum Pistolenduell? Werden Raser in den Hinterwäldlerregionen im Standgericht erschossen? Oder stand Herr Lichtenstein, als er dieses zu Papier brachte, unter dem Einfluss illegaler Narkotika? Eindeutig letzteres. Eine Szene, die in ihrer Dummheit ihres gleichen sucht - in diesem oder jedem anderen Filmjahr.
Doch damit hört es noch lange nicht auf, denn das Drehbuch hat auch eine grandiose Auswahl wirklich, wirklich schlechter Zeilen zu bieten. Als Kurt Russell Courteney Cox fragt, wie sie ihren Sohn mit einem völlig Fremden (er meint damit sich) allein lassen kann, erwidert sie ihm inbrünstig: "Ich habe ihn nicht mit einem Fremden allein gelassen - sondern mit Dir!" Ah ja. Also mit dem Ex-Knacki, mit dem sie einen One Night Stand und zirka zehn Minuten Konversation hatte. Sehr vertrauenserweckend. Hat da jemand grad Rabenmutter geschrieen? Nein, nein, hier die Heldin des Films. Und mit genauso albernen One-Linern geschlagen wie jeder andere in diesem Fiasko.
Und der Unsinn hört nicht auf. Allein die vom geschätzten Kollegen Berger beschriebene Anfangssequenz mit dem Kampf der Skorpione mag ja noch als neuestes Limp Bizkit-Video durchgehen, wirkt aber hier einfach nur lächerlich wie die Roboterkämpfe auf DSF und hat mit dem Film auch nix zutun. Bis auf die Tatsache, das dann an entscheidender Stelle im Film unser Freund der Skorpion wieder auftaucht und - hurra - genauso falsch aussieht wie sein Kollege am Anfang. Nur dass man dort voll digitalisiert unterwegs war, und sich das CGI-Tierchen im realen Umfeld nur lächerlich macht. Ein peinlicher Faux-Pas unter vielen.
Wenn man dann denkt, dass die Zelluloidveteranen Costner und Russell hier noch irgend etwas retten können: sie können nicht. Ganz im Gegenteil. Während Russell immerhin noch solide spielt, ist Costners Vorstellung ein Debakel. Wie der Mann mit "Im Zeichen der Libelle" und diesem Streifen gleich zwei Megastinker hintereinander hinlegt - das riecht ganz schwer nach Midlifecrisis. Man will ihn ja dafür loben, dass er sich hier nicht durch seine Routine als wahlweise trauernder Witwer oder alternder Sportstar schlafwandelt, aber Costner übertreibt so dermaßen, dass McMurphy zur Abziehfigur eines Bösewichts wird. Wirklich grauslich: Verprügelt kleine Kinder, murkst mir nicht dir nichts liebe alte Opas ab und lässt sich dann am Steuer Blowjobs geben - natürlich begleitet von "B-B-B-B-B-B-Bad to the Bone" im Soundtrack. Himmel lass nach! Am Ende hasst das Publikum Costner in der Tat - aber nicht weil er einen so großartigen Halunken abgibt, sondern weil er chargiert wie ein Schmierenkomödiant. Und auch den Nebendarstellern geht es nicht besser. Trotz der oben beschriebenen und tatsächlich offensichtlichen Parallelen zu "True Romance" lohnen sich die mehr oder weniger Cameo-Auftritte hier nicht. Denn während das Tarantinodrehbuch damals grandiose Zeilen als Belohnung abwarf (zum Beispiel den unvergessenen Dialog zwischen Dennis Hopper und Christopher Walken), gibt es für die Co-Stars hier nur eins zu holen: Einen möglichst blutigen Filmtod.
Womit wir dann beim letzten Nagel im Sarg für "Crime is King" sind: Die völlig überzogene Gewalt. Einhergehend mit einem leckeren Maß an Profanität - hier wird so oft fuck geschrieen, bis der arme Zuschauer auch wirklich verstanden hat, dass das hier ganz hartgesottene Gestalten sind - wird hier fröhlich gemetzelt, was das Zeug hält. Leider wirkt das zumeist eher albern als effektiv und ist auch völlig unnötig. Und wenn man zum Schluss denn unbedingt ein (wiederum überbrutales) Todesballett haben muss, sollte man auch Figuren haben, deren Tod dadurch eine tragische, epische Dimension bekommt. Da der Zuschauer sich hier aber einen feuchten Kehricht um die egoistischen und allesamt eher dümmlichen Figuren kehrt, ist auch das für den A...Abfalleimer.
Wie eben auch der ganze Film. Wenngleich ich abschließend Kollege Berger doch ein wenig recht geben muss. In seiner unendlichen Stumpfsinnigkeit und Übertreibung, jedoch nicht gänzlich ohne Schwung, ist der Film fast schon wieder einen Blick wert - allerdings nur mit reichlich Dosenbier und für einen dieser Abende, an denen man mal wieder so einen richtig miesen Film braucht, um sich der eigenen intellektuellen Überlegenheit zu rühmen.
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