In the Bedroom

Originaltitel
In the Bedroom
Land
Jahr
2001
Laufzeit
130 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Frank-Michael Helmke / 11. Juni 2010

Vor gut einem Jahr, im Januar 2001, habe ich an dieser Stelle "You can count on me" als jene Perle des Indie-Films gelobt, welche den längst weit überzogenen Sundance-Hype im vergangenen Jahr zurecht am Leben hielt. In diesem

Polizei in 
Florenz
Stolze Mama: Sissy Spacek als Ruth
Fowler und Nick Stahl als Frank.

Jahr kommt diese Rolle Todd Fields intensivem Familiendrama "In the Bedroom" zu, der mit "You can count on me" nicht nur den Veröffentlichungs-Zyklus teilt (im Januar auf dem Sundance Festival, fast ein Jahr später in den amerikanischen Kinos, noch später - wenn überhaupt - in den deutschen), sondern auch ein ähnliches Handlungsmilieu und dieselben herausragenden Stärken.

Angesiedelt ist "In the Bedroom" in einem beschaulichen
Nest inmitten der Wald- und Seenlandschaft Maines, einer der Orte, in denen die halbe Bevölkerung von der Fischindustrie lebt. Eine Ausnahme bildet das Ehepaar Fowler, er der örtliche Arzt, sie Leiterin des Schulchors, die es voller Stolz kaum erwarten können, dass ihr einziger Sohn Frank Ende des Sommers sein Architektur-Studium beginnt. Frank jedoch hat eine Romanze mit der älteren Natalie begonnen, zweifache alleinerziehende Mutter und Ex-Frau des latent gewalttätigen William Strout - seines

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Mehr als nur ein Sommerflirt? Natalie (Marisa
Tomei) und Frank (Nick Stahl).

Zeichens Sohnemann des lokalen Fischerei-Giganten. Der Sommerflirt wird für Frank wichtiger, als er es sich und seinen Eltern zunächst eingestehen mag, doch bevor er seine Karriere für die Liebe zu Natalie opfern kann, opfert er sein Leben - in einem Kampf mit dem seine Ex-Frau terrorisierenden William wird Frank erschossen.
Kurze Zwischenbemerkung: Dieses Ereignis kommt als eine Überraschung, wirft es doch das gesamte bisherige Handlungskonstrukt über den Haufen und nimmt den vermeintlichen Hauptdarsteller aus der Rechnung. So gesehen ist es vielleicht unfair, es in dieser Rezension überhaupt zu erwähnen, doch ist es schlichtweg unmöglich,
die eigentliche Thematik von "In the Bedroom" zu erläutern, ohne diesen Todesfall anzusprechen.
Das Thema des Films entfaltet sich langsam in den Folgen dieser Tragödie, in dem Kampf von Matt und Ruth Fowler, mit dem Tod ihres Sohnes klar zu kommen - ein Kampf, der erschwert wird durch jahrelang unter der Oberfläche brodelnde Konflikte, die jetzt aufkochen und nicht länger ignoriert werden können. Und so wandelt sich "In the Bedroom" langsam zu einem stillen, detailversessenen und faszinierenden Portrait der Ehe von Matt und

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Anschuldigungen: Ruth und Matt
haben sich einiges zu sagen.

Ruth. Einem dieser wertvollen Filme, in denen viel gesagt wird, aber die wichtigsten Dinge unausgesprochen in den Kleinigkeiten darauf warten, vom Zuschauer entdeckt zu werden.

Wie schon bei "You can count on me" begeistert auch "In the Bedroom" mit Charakteren, die derart genau geschliffen sind, dass man sie schon fast für wirklicher als die Wirklichkeit halten könnte. Keine Figur wird hier in billige Gut/Böse-Schemata gequetscht, alle haben ihre Ecken und Kanten, die sie zu greifbaren Persönlichkeiten machen, die kennen zu lern
en zu den spannendsten Erfahrungen dieses Films zählt. Und wie bei "You can count on me" ist es an einem Ensemble unglaublicher Darsteller, diese Rollen mit leben zu füllen. Herausforderungen an einen Schauspieler die, bei meisterlicher Ausführung, weit mehr Respekt verdienen als eine überdramatisierte "Made for an Oscar"-Performance wie sie Leute wie Russell Crowe oder Jodie Foster in jedem Film spielen. Denn in Fällen wie diesem bekommen die Akteure keine grandiosen Monologe zum rezitieren, keine

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Grandiose Leistung im Doppelpack:
Tom Wilkinson und Sissy Spacek.

plakativen Charaktereigenschaften, die jede Szene dominieren, sondern einen Alltagsmenschen mit alltäglichem Erfahrungsschatz, der eine nicht alltägliche Situation zu meistern versucht. Das ist Intensität auf einem ganz anderen Level, und Tom Wilkinson und Sissy Spacek brillieren hier in den Hauptrollen in einer Art und Weise, die sämtliche dafür eingeheimste Preise mehr als berechtigt.

Der Kampf mit dem Verkraften wird nicht nur für die Fowlers selbst und ihre Ehe zur Zerreißprobe, sondern auch für ihren Lebensrhythmus, ihre Freunde, kurz alles, was einstmals normal und gesetzt erschien. In einer Gegend, wo man zum Probleme lösen nicht einfach zum Psychiater rennt, versuchen sie sich an Routinen zu klammern, die doch unwiederbringlich and
ers geworden sind oder einen unerträglichen Beigeschmack in sich tragen.
Am Ende mögen sich Matt und Ruth in ihren Augen ein Stück Normalität erkämpft haben, aber es ist teuer erkauft und letztlich doch nur Selbsttäuschung. Umso kraftvoller wirken jedoch die letzten Szenen des Films, vervollkommnen sie schließlich das Portrait der unglaublich komplizierten Beziehung der Fowlers - einer Ehe, die weit weg von perfekter Harmonie ist, aber in ihrem eigenen, über Jahre erarbeiteten Regelwerk doch besser funktioniert, als der Zuschauer die meiste Zeit geglaubt hat.

"In the Bedroom" ist natürlich kein Film für ein großes Publikum, wird aber dankbare Zuschauer in all jenen Leuten finden, die es zu schätzen wissen, wenn ein Film weniger daran interessiert ist, was seine Figuren tun, als an dem Warum.


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