Babel

Originaltitel
Babel
Land
Jahr
2006
Laufzeit
142 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Patrick Wellinski / 30. Mai 2010

Vom ganz Kleinen bis zum ganz Großen. Der mexikanische Regisseur Alejandro Gonzales Inarritu geht Schritt um Schritt weiter die Karriereleiter hoch. In seinem letzten Drama "21 Gramm" beobachtete er, wie sich das Leid und das Schicksal über das Leben dreier Menschen legt. Davor lieferte sein furioses und kraftvolles Debüt "Amores Perros" eine mächtige und aufgeladene Metapher über den sozialen Zustand seines Heimatlandes Mexiko. Und jetzt muss sich die aktuelle Weltlage Innaritus kritischem Blick unterwerfen, er richtet sein Vergrößerungsglas auf uns - und das ist ganz großes Kino.

In Marokko spielen zwei Kinder in der afrikanischen Einöde mit einem Gewehr. Das Kinderspiel wird schnell zum tödlichen Ernst: Sie feuern auf einen in der Ferne fahrenden Touristenbus und treffen eine Frau, Susan, in den Nacken. Susan (Cate Blanchett) wurde von ihrem Mann Richard (Brad Pitt) auf die Reise nach Marokko mitgenommen, um die Ehe zu retten. Derweil sind die Kinder der beiden in den USA unter der Aufsicht des mexikanischen Kindermädchens Amelia (Adriana Barraza). Die muss aber zur Hochzeit ihres Sohnes und nimmt die beiden einfach über die Grenze mit, als Richard und Susan nicht rechtzeitig heim kommen können. In Tokyo wandelt unterdessen das junge taubstumme Mädchen Chieko (Rinko Kikuchi) durch die Stadt, auf der Suche nach Liebe und Zuneigung.

Was hier trocken und chronologisch wiedergegeben worden ist, stellt den groben Inhalt von "Babel" dar. Doch wer sich mit dem Werk von Innaritu schon näher beschäftigt hat, weiß, dass es zu den Spezialitäten dieses jungen Ausnahmetalentes gehört, seine scheinbar unabhängigen Geschichten immer in eine - auf den ersten Blick - chaotisch verschachtelte Erzählweise zu bringen. Dabei bedient sich der Regisseur beim bekannten "Butterfly Effect", welcher besagt, dass sogar der kleinste Flügelschlag eines Schmetterlings irgendwo auf der Welt einen Orkan auslösen kann. Der Schuss, den die beiden marokkanischen Jungen abfeuern, löst schließlich in allen Erzählsträngen des Films eine entscheidende Wendung aus und sorgt für eine wuchtige Kettenreaktion, die die Figuren an ihre körperlichen und psychischen Grenzen bringt.

Innaritu ist ein begeisterter Filmemacher und das spürt man in seinen Werken zweifellos. Er weiß, wie man die große Leinwand auszufüllen hat. Das Wunderbare an "Babel" ist, dass er eine ganze Fülle an Assoziationsketten beim Zuschauer auslöst. So ist der Zusammenprall des amerikanischen Ehepaares mit der islamischen Bevölkerung eines kleinen marokkanischen Dorfes eine eindringliche Begegnung zweier Kulturen, die nicht - wie es ständig durch die aktuelle politische Lage suggeriert wird - von Hass dominiert ist.
In der größten Not merkt der Mensch schnell, wo seine Freunde und wo seine Feinde sind. Wenn Brad Pitt (übrigens mit einer Glanzleistung) völlig verzweifelt und hilflos versucht, einen Rettungswagen zu organisieren und gegen panisch nörgelnde Mitreisende ankämpft, scheint die Antwort der amerikanischen Botschaft, die zuerst noch ermitteln muss, ob es sich um einen Terroranschlag handelt, bevor sie Hilfe schicken kann, einfach nur lächerlich. Was für ein beängstigendes Bild fehlender Kommunikation.
Obwohl wir immer mehr Möglichkeiten der Kommunikation haben, hören wie uns nicht mehr zu. Die Sprache verkommt zu etwas Nutzlosem. Im Film selbst werden fünf unterschiedliche Sprachen gesprochen: Arabisch, Englisch, Japanisch, Spanisch und die Gebärdensprache. Durch eine Weitere, nämlich die Deutsche der Untertitel, bekommt man als Zuschauer die Möglichkeit mehr zu wissen als die agierenden Personen. Wir verstehen, was die Charaktere nur mit viel Mühe erahnen können, oder nie ganz begreifen werden. Das macht den Film noch zusätzlich spannend.
Kommunikation und Sprache und ihre Grenzen in der heutigen Welt, dass ist der rote Faden der sich durch alle Episoden in "Babel" zieht. Aber auch ein eiskalter Realismus durchzieht die Bilder wie ein starker Windstoß. Wenn die Kamera in die Grenzlinie zwischen Mexiko und den USA eindringt, da offenbart sich der grausame Alltag zwischen Illegalität und der durch die Grenzbeamten offensichtlich ausgeübten Brutalität und Gewalt. Keine Frage, so etwas wie Mitgefühl und Verständnis hat die Menschheit, laut Innaritu, verloren. Vielleicht dürfen wir so etwas nicht mehr haben, da die Realität kälter und gnadenloser geworden ist. Schwäche wird nicht mehr akzeptiert.
Man kann verstehen, wer den Film zu fatalistisch oder zu schwarzmalerisch findet. Aber diese Radikalität scheint doch notwendig, um zu verdeutlichen, dass die Menschheit trotz immer weiter fortschreitender Technologie (Stichwort: Internet) - die den Anschein erweckt, sie würde uns näher zusammenrücken lassen - sich immer mehr von einander entfernt. In diesem Zusammenhang scheint auch der biblische Titel des Films gerechtfertigt. Im 21.Jahrhundert scheinen die Menschen einen zweiten Turm zu Babel gebaut zu haben, aber keiner erinnert sich mehr an das Schicksal des ersten und zu was er führte. In dieser Hinsicht ist "Babel" das reifste Werk des Regisseurs und ein krönender Abschluss seiner Fatalismus-Trilogie, schließlich wurde das Leben aller seiner Protagonisten bisher vom Schicksal bestimmt.

"Babel" ist voller Kinomomente. Wenn zum Beispiel das taubstumme Mädchen Chieko in die Disco geht und Innaritu abwechselnd zwischen lauten Beats und totaler Stille hin und herwechselt, dann ist das an Intensität kaum mehr zu überbieten. Der Mexikaner hat eine eindringliche Kinosprache gefunden, die ohne Umschweife die Missstände globaler Kommunikationslosigkeit freilegt. Doch trotz der scheinbar ausweglosen Situation in der sich alle befinden, lässt Innaritu allen Figuren wenigstens einen kleinen schmalen Hoffnungsstreifen am Horizont und demonstriert in einem eindringlichen Bild, dass Sprache wohl mehr als nur Worte bedeuten kann.
Einmal, während der Busfahrt, da legt Cate Blanchet völlig unerwartet ihre Hand auf die von Brad Pitt und signalisiert Zuwendung. Wenn man dies sieht, dann ist das die stärkste Sprache zu der Menschen in der Lage sind; die intensivste, die, die wir verlernt haben, oder gerade im Stande sind zu verlieren.
"Babel" ist großartiges cineastisches Futter für die Gefühlsgourmets unter den Kinobesuchern und ohne Frage ein Höhepunkt im nun langsam zu Ende gehenden Kinojahr.


Der Film zeigt, wie sehr die Menschen untereinander uneins sind. Aber sie trennt weniger die Sprache (wie uns die Bibel in der Babel-Episode lehrt), sondern heute sind es soziale, religiöse und kulturelle Unterschiede. Die reiche USA sieht im armen Mexiko ein Hord von illegalen Einwanderern und Wirtschaftsflüchtlingen und im muslimischen Marokko Terrorismusgefahr. Die persönliche Ausgrenzung und Isolierung des Individuums zeigt der Film in der Japan-Episode. Der Film ist daher ein Plädoyer für Verständnis und Toleranz unter den Nationen und einzelnen Menschen.

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5
5/10

Der Film ist gut fotografiert, realistisch, das wahre Leben mitten im Wohnzimmer. Man brauch gar nicht mehr vor die Tür! Selbst Nachrichten kann ich mir sparen, hier wird sogar der Hintergrund mitgeliefert.
Und ich kann es an mich ran lassen, ist ja ´n absolut geiler Film, macht mich echt betroffen.
Also ich fahre lieber in den Urlaub und habe dort reale Gespräche mit realen Menschen, geht auch zu Hause.
Dieser Film ist stinkend langweilig aber das gut gemacht, fast so gut wie eine Doku auf 3Sat und die mag ich wirklich !

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1
1/10

Also mich kann der Film nicht fesseln. Verdammt Oberflächlich. Da sind die Tages- Nachrichten interesanter. ein Augenmerkmal fürs zuschauen, habs durchgehalten!

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Nach dem tragischen Tod des gemeinsamen Kindes findet ein amerikanisches Ehepaar die Liebe wieder, als der Mann seiner schwerverletzten Frau irgendwo in Marokko beim Kacken in eine Bettpfanne hilft.

Wahrhaft großes Kino.

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6
6/10

Ich mach's kurz: im Vergleich zu dem, was sonst so im Kino läuft, war das ja hier wohl schon Hollywood's großer Wurf.
Aber: wie lange noch diese Episodenfilmchen? Ja, okay, alle Menschen sind irgendwie verstrickt, Schicksale können extrem grausam sein, das Leben ist sinnlos - aber wirklich originell war das ja wohl nicht. Anscheinend glaubt Hollywood, wenn's "intellectual" sein soll, muss der Episodenfilm her, den man "Babel" nennt - oh wie tiefsinnig.
Und um mich meinem Vorredner anzuschließen: die Bettpfannenszene war wirklich abartig und lächerlich.

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7
7/10

melayu
Für mich hat der Film noch eine andere Aussage, nämlich, dass den Reichen immer geholfen wird bei ihren Problemen (nur für sie gibt es ein Happy End im Film), während die Armen immer weiter in den Dreck getreten werden.

da hast du recht!!!

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4
4/10

...das Thema hätte einen guten Film geben können. So war er nur anstrengend, streckenweise langatmig und im Genzen gesehen langweilig

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6
6/10

ganz ok, aber irgendwie auch überflüssig

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9
9/10

Ganz ganz großen Kino, bewegend, erdrückend...
Eine Bewertung von einem Auge kann ich nicht nachvollziehen, diese Personen sehen wahrscheinlich SAW & Hostel und verfügen über keine Beobachtungsgabe und vor allem nicht über die Objektivität sich auch mal einen Film anzusehen und ihn zu Bewerten. Alleine die ersten 15Minuten mit den beiden Marrokanischen Jungen waren total erdrückend.

Einfach großes Kino!

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10
10/10

Ein fantastischer,bewegender Film über die kulturelle Vielfalt des Menschen und die daraus resultierenden Probleme,sowie die alles verbindenden Zusammenhänge...vor allem die szene im Nachtclub mit dem Stroboskoplicht ist fantastisch.

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1
1/10

oh man, pseudo-intellektueller und depressiver Film, mit vielen unnötigen Längen... erschreckender Realismus?? Der Film bedrückt einen, zeigt aber keine Perspektiven auf. Und nur weil er ein paar tragische oder peinliche Szenen zeigt, sind alle begeistert... Wenn ihr depressiv seid und noch depressiver werden wollt - schaut euch diesen Film an...

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6
6/10

Exzellente Schauspieler und die Art, wie Inarritu inszeniert, machen Babel sehenswert, aber mehr auch nicht. Ich habe bei allen seinen Filmen das gleiche Problem und das liegt wohl im Script begraben.Irgendwo auf dem dramaturgischen Weg bliebt er immer hängen. Er führt starke Charaktere und bewegende Momente ein. Dann beginnt sich die Story zu dehnen, bis sie irgendwo abreisst und der Zuseher( zumindest ich) bleibt etwas ratlos zurück. Natürlich könnte man jetzt sagen, der Filmemacher hat das so gewollt, er will kein Patentrezept liefern. Ich meine aber doch, wenn man so anfängt, wie Babel es tut, sollte man es auch zu Ende führen. Auch sind die Verbindungen der Episoden alles andere als spannend konstruiert. Das Ganze beginnt sich zu ziehen wie Nudelteig. Die allerortens so gelobten Handlungsstränge und deren Verbindung sind für mich nicht sonderlich gut gelöst. da gibt es wesentlich Besseres, wie LA Crash beispielsweise. Dort sitzt die Dramaturgie mit traumwandlerischer Perfektion. Ich habe den Verdach der Filmemacher will zuviel(Betroffenheit) und gibt zuwenig(dramaturgischer Spannungsbogen).
Ein überschätztes Stück Gegenwartskino mit sehr guten Einzelleistungen.

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10
10/10

Einer der besten Filme die ich gesehen habe!!!
Ich finde es ergreifend, wie mit der armen Bevölkerung umgegangen wird (haushälterin/marokkanische familie) - hier sieht man wieder; GELD REGIERT DIE WELT....
Sehr gut umgesetzt - gefällt mir fast noch besser als 21 gram

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8
8/10

Ein weiterer Film, der verdeutlicht, dass alles was wir tun, eine Folge hat, und das nicht nur für einen selbst, sondern auch für andere Personen.

Es wird perfekt dargestellt wie alle Menschen auf der Welt miteinander verbunden sind und
dass alle eigentlich die gleichen Probleme haben.

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10
10/10

Ein wirklich großer Film! Shakespeare hätte es nicht besser machen können. Denn es geht um die großen Dinge wie Schuld, Isolation in unserem Sein, Schicksal/Zufall (?)- und eine Welt ohne den "Guten Gott". Insofern ein Gegenentwurf zu dem Werk Terrence Malicks, der gern um das gegenwärtige Chaos das "Große der Schöpfung" heranzieht, in dem der Mensch Trost suchen und finden kann.
Die Verknüpfung von Schicksalen ist hier rein zufälliger Natur, der Einzelne für sich - und seine ganz persönliche Geschichte - allein. Fast machtlos. Nichts geschieht aus "Sinn", und was am Ende einer Handlungskette steht, hat mit dem Anfangspunkt nichts gemein außer den Akteuren, die, um diesen Zustand noch zu überspitzen, von drei verschiedenen Kontinenten stammen. Und doch zeigen jedem der Handlungsstränge Individuen großes Mitgefühl. Vermutlich als das Einzige, das der Mensch dem Nächsten im Angesicht der Ohnmacht zu geben in der Lage ist. Im Angesicht der "Abwesenheit Gottes", wie der Philosoph gern sagt.
Dies Chaos wird durch die - zugegebenermaßen etwas anstrengende-Schnitttechnik unterstrichen. Aber ich vermute nicht, dass das Anliegen des Regisseurs lineare bzw kommensurable Unterhaltung war....
Eine volle 10 für dies Werk! Für die Kamera, besonders für die wunderbare Musik von Gustavo Santaolalla- und für das großartige Drehbuch!

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