Liebe Fans von Taylor Lautner, wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht für euch. Die gute: Ja, Taylor entledigt sich auch in John Singletons Thriller „Atemlos – Gefährliche Wahrheit“ seines T-Shirts. Die schlechte: Taylor ist Schuld daran, dass man diesen Film allen Genre-Freunden nicht uneingeschränkt ans Herz legen kann. Dabei erfüllt der „Twilight“-Star und Protagonist unzähliger Bella/Jacob-Fanvideos seine Aufgabe zunächst eigentlich mit Bravour.
Heißt: Den coolen Sunnyboy namens Nathan geben und dabei ein leicht debiles Dauergrinsen mit sich herumtragen. Mit Kumpels einen hinter die Binde kippen und von hübschen Mädels bewundernde Blicke einkassieren. Das nimmt man Lautner ab, und das ist nicht mal negativ gemeint. Eines dieser schwärmenden Mädels heißt Karen (Lily Collins, Tochter der pensionierten Pop-Legende Phil), sieht aus wie eine gelungene Mischung aus Jordana Brewster und Eliza Dushku, und landet im Soziologie-Kurs in einem Zweierteam mit Nathan. Bei der gemeinsamen Recherche stößt Karen auf eine Webseite, die Bilder von vermissten Kindern in eine „So könnten sie heute aussehen“-Fiktion umwandelt – und Nathan findet dabei sich selbst. Schnell kommt er dahinter, dass seine vermeintlichen Eltern nicht seine leiblichen sind, und noch am selben Abend stehen zwei Killer im Haus, die es auf ihn abgesehen haben. Gemeinsam mit Karen befindet sich Nathan auf der Flucht, verfolgt von CIA-Mann Frank Burton (Alfred Molina), wohl ein Guter, und Waffendealer Victor Kozlow (Mikael Nyqvist aus der Verfilmung der Millenium-Trilogie), wohl ein Böser. Unterstützung erhält er von Dr. Bennett (Sigourney Weaver), ebenfalls CIA-Agentin, ihm bislang eigentlich bloß als seine Psychotherapeutin bekannt. Doch als ihr Auto in Flammen aufgeht, sind die beiden Highschool-Kids auf sich allein gestellt.
Und während Nathan im Film immer wieder eine Möglichkeit findet, zu entkommen, stößt Taylor Lautner nun an seine Grenzen und wirft mit grimmigen Blicken um sich, die nun wirklich keinen in Angst und Schrecken versetzen. Zudem ist es ein Armutszeugnis, wenn ein Schauspieler Trauer zeigen soll, man als Zuschauer beim Anblick des Ausdrucks aber eher lachen als heulen möchte. Ein Jungdarsteller wie Shia LaBeouf ist sicher niemand, dem man spontan einen Oscar in die Hand drücken möchte, doch hat er in Filmen wie „Disturbia“ oder „Eagle Eye“ durchaus gezeigt, dass er in diesem Genre besser aufgehoben ist als Lautner. Allerdings war Indy Jr. nie Karate-Juniorenweltmeister. Lautner hingegen schon, was er auch ausgiebig zur Schau stellen darf. Die Kämpfe gegen diverse Widersacher versteht Regisseur Singleton („Boyz n the Hood“) knackig in Szene zu setzen.
Überhaupt ist Singleton in diesem Genre gut aufgehoben. Immer wieder dreht er gekonnt an der Spannungsschraube. So befinden sich Nathan, Karen und einer der Killer an Bord eines Zuges; Innenaufnahmen der sich stetig zuspitzenden Gefahrensituation wechseln sich effektvoll mit Außenaufnahmen ab, die die Rasanz der Geschwindigkeit und somit die Unmöglichkeit eines Entkommens demonstrieren. Im atmosphärisch dichten Showdown laufen dann sämtliche Handlungsfäden, natürlich spielen auch die leiblichen Eltern von Nathan noch eine Rolle, in einem Baseballstadion zusammen. Kameraarbeit, Musik und Szenario (so soll es im Wesentlichen einen Austausch von Informationen geben) erinnern stark an die Bahnhofs-Sequenz aus „Das Bourne-Ultimatum“, ohne dabei wie eine blasse Kopie zu wirken.
Blass bleibt lediglich der Hauptdarsteller, dessen Abwesenheit diesen Film bereichert hätte. Lily Collins als hauptsächlich besorgt und verängstigt dreinblickendes Love Interest geht in Ordnung; sie wird demnächst häufiger zu sehen sein, beispielsweise unter der Regie von Tarsem Singh als Schneewittchen. Richtig gut tut „Atemlos“ die hochkarätig besetzte Nebendarsteller-Riege um Alfred Molina und Mikael Nyqvist. Wenn Sigourney Weavers Charakter den beiden Teenies während einer Autoflucht unter Zeitnot die Situation erklärt, und dabei fein zwischen Besorgnis, Entschlossenheit und Autorität nuanciert, sieht man wunderbar, woran es Lautner in seinen schauspielerischen Fähigkeiten komplett fehlt.
„Atemlos“ ist nicht die hohle, superhippe Teenie-Actionschmonzette, die Filmplakat und Trailer befürchten lassen. Schmachtende Blicke, obercoole Posen und Taylor-Lautner-Totalausfälle bleiben über die gesamte Laufzeit betrachtet in der Minderheit. Insgesamt ist Singletons Kino-Rückkehr nach sechsjähriger Pause dank zahlreicher reif agierender Nebendarsteller und ausreichend vorhandener spannender Momente ein Film, der eher der Generation 18+ als dem jugendlichen Publikum gefallen dürfte. Auch wenn es das Gros der US-Kritiker, die den Streifen böse verrissen haben, komplett anders sieht – „Atemlos“ ist solide, leicht verdauliche Unterhaltung.
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