Antares - Studien der Liebe

Jahr
2004
Laufzeit
119 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Beatrice Wallis / 6. Januar 2011

 

Ja, der österreichische Film ist so eine Sache für sich. Wer glaubt, dieses Land bestehe nur aus grünem Idyll und umsäumenden Bergen, einem Paradies vergleichbar, das ausschließlich Ruhe und Sanftmut hervorbringt, wird im Kino gerne mal eines Besseren belehrt. Michael Haneke ("Funny Games", "Die Klavierspielerin") kann hier sicherlich mit seinen verstörenden Filmen als Extrem gelten, aber auch Satire à la Hader ("Silentium") und dokumentarisch anmutende Spielfilme wie "Hundstage" lassen einen nicht glauben, dass in Österreich die Welt noch in Ordnung sei. 
"Antares" von Götz Spielmann sucht sich in dieser Reihe seinen eigenen Platz und hat doch einiges mit den oben genannten Filmen gemein. Ort der Handlung ist eine ebenso unübersichtliche wie farblose Plattenbausiedlung irgendwo im Land der Berge. Grau ist nicht nur die Umgebung, farblos ist auch das Leben der Hauptfiguren. So fällt Krankenschwester Eva (Petra Morzé), Mitte 30, nichts Besseres ein, als sich mit einem Zufallsbekannten auf ein kurzes aber intensives Techtelmechtel einzulassen. Die Ehe mit ihrem Mann ist schon länger zum Erliegen gekommen und keiner weiß eigentlich so recht warum, aber die Luft ist irgendwie raus. Kassiererin Sonja (Susanne Wuest) hat ein ganz anderes Problem: Die kleine Idylle mit Freund und Haustier droht bei jedem Anzeichen von Schwierigkeiten in tausend Stücke zu zerspringen. Dass ihre brennende Eifersucht nicht unberechtigt ist, wird sie allerdings erst später erfahren. Zunächst versucht sie ihren Freund mit einer vorgetäuschten Schwangerschaft an sich zu binden, während der sein Glück heimlich bei der Nachbarin sucht. Diese hingegen wird von ihrem gewalttätigen Ehemann, einem erfolglosen Immobilienmakler, nicht in Ruhe gelassen.

Soweit der Plot, der sich kompliziert liest, aber das Leben ist es ja schließlich auch. Gleich zu Beginn geht der Film in die Vollen und zeigt uns die Sexszene zwischen Eva und ihrer Zufallsbekanntschaft in einer ungeschönten Deutlichkeit, dass man betreten wegsehen möchte und doch immer wieder hinschauen muss. Sehr intim und persönlich sind diese Momente, scheußlich hell, als wäre man zufällig im Schlafzimmer fremder Leute gelandet. Die schonungslose Darstellung entpuppt sich schnell als Spielmanns Methode und bringt den Zuschauer mehrfach in die Nähe dessen, was er ertragen kann und sehen möchte. 
"Antares" ist daher definitiv ein außergewöhnlicher Film und überhaupt nichts für Leute, die sich positiv aufs Leben einstimmen wollen, vielmehr ist er eine Herausforderung, sich einem unverblümt negativen Blick zu stellen. Neben der nackten und schonungslosen Darstellung gewinnt keine der Figuren die Sympathie des Betrachters, alle sind rundherum unsympathisch und ihr Verhalten stellenweise unangenehm bis zum körperlichen Unbehagen. Besonders zermürbend ist die Darstellung der zwischenmenschlichen Müdigkeit, dem ständigen Irgendwas wollen und doch nichts machen. Eine Schleife, in der alle Figuren erbarmungslos bis zum Ende hängen. 
Was schon "Hundstage" zugrunde lag, findet auch in "Antares" eine Heimat: Ein vollkommen sinnentleertes Sein, ein Streben ohne sich jemals vom Fleck zu bewegen und dabei eine Einsamkeit, die so gar nicht melancholisch ist. Mit feinsinniger Suche und Betrachtung zärtlicher Liebesbande hat der Film nun wahrlich nichts am Hut, vielmehr wirft er einen äußerst zynischen Blick auf das Leben und die Liebe. Und genau diese Sicht macht den Film zu etwas Besonderem, denn das Hässliche ist in "Antares" wie in vielen Dingen eben nicht nur abstoßend, sondern zugleich sehr faszinierend.

Dabei spielen nicht nur seine Figuren und die Geschichte eine entscheidende Rolle, sondern auch die Erzählweise. Nachdem sich der Film zunächst sehr lange mit Eva, ihrer Familie und ihrer Affäre aufgehalten hat, gewinnt er nach einer halben Stunde auf einmal unerwartet an Fahrt. Die Geschichte macht kehrt und nimmt mit einem Schwenk auf Sonja plötzlich einen ganz anderen Faden auf. Damit entwickelt sich, was lange angebahnt wurde: In asynchroner Erzählweise werden plötzlich mehrere, ähnliche und sich berührende Geschichten gleichzeitig fortgeführt, dabei klären sich die Zusammenhänge erst nach und nach. Das ist gut gemacht und immer fesselnder, je länger der Film dauert. 
"Antares" wird damit sicher nicht die Massen bewegen, dafür ist er zu klein, zu negativ und zu wenig unterhaltsam. Dennoch wünscht man ihm seine Zuschauer - weil er sie verdient. Sieht man von kleinen, unstimmigen Details ab (z. B. schweißtreibender Sex ohne Schweiß, Telefonate in denen die Antworten schneller kommen, als die Fragen gestellt werden konnten) und übersteht geduldig die erste Länge, dann offenbart "Antares" eine wirklich sehenswerte und überaus interessante Darstellung von Unglück. Und diese ist - trotz der Schwächen und des Unbehagens - sehenswert.

Bilder: Copyright

10
10/10

mir hat diser film sehr gefallen, weil die darsteller wirklich klasse spielen. eine sehr triste atmosphäre, so ganz anders, als ich mir wien im allgemeinen immer vorgestellt habe.
ich habe den film inzwischen viermal gesehen, weil er mich irgendwie fasziniert.
einzig das thema mit dem kleinen sohn der alleinerziehenden frau, die ihren exmann nicht loswird - das vertrage ich nicht so gut, das berührt mich doch ganz schön, weil mir das kind unglaublich leidtut, anders als die erwachsenen, die ja im endeffekt ihre situation ändern können - irgendwie. das kind ist gefangen. (klar, wir erwachsenen auch - ach, es ist schwierig zu beschreiben...).

auf jeden fall ein guter film !!!

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