American Dreamz - Alles nur Show

Originaltitel
American Dreamz
Land
Jahr
2006
Laufzeit
107 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Patrick Wellinski / 30. Mai 2010

Paul Weitz ist schon längst aus der Liga der derben "American Pie"-Komödien aufgestiegen. Sein neuer Film "American Dreamz" knüpft rein thematisch an eine hervorragende Politsatire aus den späten 90ern an. 1998 schuf Barry Levinson mit "Wag the Dog" eine großartige Parodie auf die korrupten und trügerischen Machenschaften der US-Amerikanischen Politik. Damals wollte der Präsident wiedergewählt werden und sah dieses Projekt in Gefahr, weil ein unangenehmer Zwischenfall mit einer Pfadfinderin ihn ins Umfragetief katapultierte. Ein Geheimstab, rund um den genialen Robert De Niro, beschließt einen fiktiven Krieg vom Zaun zu brechen, um aus dem alten Präsidenten auch wieder den neuen zu machen. Es gelingt. Nun, 2006 also, "American Dreamz":

Martin Tweed (Hugh Grant) ist ein zynisches und selbstverliebtes Arschloch. Nebenbei ist er der Moderator der erfolgreichsten US TV-Show "American Dreamz" (Ein Hybrid aus "Deutschland sucht den Superstar" und "Popstars"). Für ihn zählen nur die Quoten. Ihm ist nichts heilig, um die größten Freaks für seine Show zu casten, nur weil er sich davon einen "Riesen Spaß" verspricht. US-Präsident Stanton (Dennis Quaid) wurde gerade frisch wiedergewählt. Aber anstatt sich über beide Ohren in seine Arbeit zu stürzen, verweigert er sich und will einfach "nur mal die Zeitung lesen". Als sein Stabschef (Willem Dafoe) die Arbeitsverweigerung seines Chefs nicht mehr rechtfertigen kann, beschließt er, ihn als Jurymitglied für "American Dreamz" einzusetzen.
Omar (Sam Golzavi) soll eigentlich in einem Terroristencamp im Irak zum Attentäter ausgebildet werden. Doch der sensible junge Mann träumt lieber von den verführerischen Lichtern des Broadway. Um den Tollpatsch endlich vom Hals zu bekommen, schickt ihn die Terrorführung als Schläfer nach Amerika, wo er durch einen wahnwitzigen Zufall in die "American Dreamz"-Show kommt und somit für seine Chefs wieder interessant wird. Auch die ehrgeizige, vom Lande kommende Sally Kendoo (Mandy Moore) schafft es mit ihrem puppenhaften Lächeln in die Show. Die Weichen für ein furioses Show-Finale sind gestellt. Und ganz Amerika guckt zu.

Nachdem er mit "Reine Chefsache" etwas sanftere Töne angeschlagen hatte, greift Regisseur Paul Weitz in seinem neuen Film wieder die Lachmuskeln der Zuschauer an. Er lässt kein gutes Haar an der amerikanischen Pop-, Medien- und Politkultur. Von der ersten Minute an weiß man, dass es sich hier um eine Satire handelt, mit ausdrücklichem Realitätsbezug. Parallelen zu real existierenden Personen oder Ereignissen sind ganz sicher gewollt und sollen bitte schön auch als solche erkannt werden.
So ist die Besetzung von Dennis Quaid als US-Präsident verständlich, denn er weist eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem amtierenden Präsidenten George W. Bush auf. Nur, dass der Filmpräsident nach seiner Wiederwahl nachdenklich wird. Als er dann im Lexikon liest, dass es im Irak drei Bevölkerungsgruppen gibt, die in einem tiefen Religionsstreit stecken, staunt er nicht schlecht und fragt erst mal, ob dass denn im Weißen Haus auch bekannt sei.
Wenn Omar als degradierter Schläfer in Amerika eintrifft, übt er zunächst ehrfürchtige Zurückhaltung vorm feindlichen Kapitalismus. Der Reichtum seiner Verwandten und der exzessive Kaufrausch seiner Cousine und seines offensichtlich schwulen Cousins sind ihm zunächst eher fremd. Doch als er in der Show zum amerikanischen Küblböck mutiert, nimmt er den westlichen Lebensstil scheinbar ganz von selbst an.
Sally Kendoo nutzt ihren im Irakkrieg verwundeten Freund (er hat sich aber nur für den Krieg gemeldet, weil sie ihn zuvor abserviert hat), um die patriotischen Emotionen beim Publikum zu wecken und damit die dringend benötigten Anrufe zu bekommen.

Dieser Film ragt heraus (und ist somit eine wahre Wohltat) aus dem üblichen politisch korrekten Morast, der sonst aus Hollywood in unsere Kinos kommt. Wie befreiend und ermutigend ist es doch zu sehen, dass in diesem Fall durch die urkomische Überspitzung doch eine selbstkritische Sicht möglich ist. Im Gegensatz zu "Wag The Dog", der die manipulativen Schachzüge des politischen Systems nach Innen hin durchleuchtet hat, versucht Weitz mit "American Dreamz" dies nach außen abzuleiten.
All die amerikanischen Träume vom schnellen Ruhm und viel Geld werden bis auf die Grundfesten auseinander genommen. Er hält dem heutigen Amerika den Spiegel vor. Schonungslos offen und stets mit einem unheimlich präzisen Gespür für Ironie lässt der Regisseur seine Protagonisten als grobgezeichnete Karikaturen auftreten. Sie sind nur Abziehbilder und stellen bestimmte menschliche Stereotypen aus ganz bestimmten gesellschaftlichen Schichten dar (z.B. Sally Keendoo = White Trash). Das ist zwar nicht hilfreich für die Entwicklung der Charaktere, sie bleiben eher flach. Aber es geht hier auch nicht um gründliche und dramaturgisch perfekt kreierte Kinofiguren. Nein, hier geht es um die Wirkung dieser Leute. Ihr Handeln und ihre exemplarische Stellvertreterfunktion stehen im Vordergrund. Dies kombiniert mit der Weitz'schen Überspitzung ergibt dann meist eine Art Dominoeffekt des Slapstick-Humors, der zwar oft wirkt, manchmal aber auch einfach verpufft.

Die Besetzung ist hervorragend. Quaids Leistung wurde schon erwähnt. Mandy Moore als singendes Barbie-Püppchen (mit ganz klaren Britney Spears-Anleihen) und Sam Golzavi als Omar sind ebenfalls sehenswert. Aber aller Augenmerk sollte sich auf Willem Dafoe richten, denn sein Schauspiel ist grandios. Er spielt den Präsidentenberater überragend komisch, wirkt wie ein Donald Rumsfeld-Klon und ist dabei mit seiner brillanten Gestik und Mimik einfach umwerfend.

Sicherlich spielt Weitz mit Klischees und Vorurteilen. Allzu analytisch ist sein neuer Streifen auch nicht. Aber muss er das überhaupt sein? Die Antwort lautet: Nein. "American Dreamz" zeigt, dass die Grenze zwischen Politik und Medien kaum mehr existiert. Beide Institutionen gehen mittlerweile Hand in Hand. Davon und von der menschlichen Gier nach Erfolg, Geld und Macht erzählt Paul Weitz, und das alles noch äußerst unterhaltsam. Kann man mehr verlangen?


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