Im deutschen Drehbuch-Geschäft nennt man die Grundkonstellation von „Always be my maybe“ eine „Tausendmal berührt“-Geschichte (für die Jüngeren unter unseren Lesern: nach weiland Klaus Lage): Zwei, die sich schon ewig kennen, entdecken auf einmal ihre Liebe zueinander. (Und nur so nebenbei: Der Film hat sich allein für seinen brillanten Titel schon fast einen Extrapunkt verdient: Ein kleines Spiel mit dem Titel eines bekannten Popsongs, und schon hat man in vier Worten das Grundszenario einer ganzen Liebesgeschichte festgehalten – genial!)
In diesem Fall geht es um Sasha (Ali Wong) und Marcus (Randall Park), die in ihrer Kindheit Tür an Tür gewohnt haben und die besten Freunde waren. Bis es schließlich doch passierte, dass sie als Teenager Sex miteinander hatten. Das Resultat war, dass sie sich heillos zerstritten und ihre Leben in völlig verschiedene Richtungen verliefen. Heute ist Sasha eine mega-erfolgreiche Promi-Köchin mit einem mega-erfolgreichen Unternehmer-Verlobten, während Marcus als linke Hand seines Handwerker-Vaters immer noch zuhause wohnt und ambitionslos seine Abende verkifft. Bis Sashas Beinahe-Ehemann Knall auf Fall mit ihr Schluss macht, kurz bevor sie eine neue Restaurant-Eröffnung zurück in ihre Heimatstadt verschlägt und es zu einem Wiedersehen mit Marcus kommt…
„Always be my maybe“ passt in einen deutlichen Trend beim Casting für RomComs: Seit das Genre im Kino kaum noch stattfindet und immer mehr seine neue Heimat auf Netflix & Co. findet, greift man immer weniger auf zugkräftige A-Stars zurück, die beim Publikum direkt schwärmerische Gefühle auslösen und vor allem den Romance-Faktor bedienen, aber halt auch teuer sind (Reese Witherspoon, Katherine Heigl, Hugh Jackman, so die Richtung). Stattdessen setzt man auf eine deutlich günstigere Besetzung mit Darstellern aus der zweiten Reihe, die früher allenfalls die Nebenrolle als komödiantischer Sidekick bekommen hätten. Sie sind zwar vielleicht nicht so attraktiv und populär, haben aber große Erfahrung als Comedy-Darsteller (wenn nicht sogar als Stand-Up-Comedians). So sind auch Wong und Park (in den USA vor allem bekannt für ihre Hauptrollen in den TV-Comedyserien „American Wife“ bzw. „Fresh off the boat“) sehr gekonnte Routiniers im Komödienfach, die eben den Comedy-Teil einer RomCom viel besser (also: lustiger) spielen können als eine konventionelle Besetzung mit Star-Anschmacht-Bonus.
Im Optimalfall (so wie hier) sorgt das für einen grandiosen Flow in den Screwball-artigen Dialogen und eine Natürlichkeit, dass viele Gags nicht mehr wie clever geschrieben, sondern wie brillant improvisiert wirken (und es oft vermutlich auch sind). Diese neueren Filme sind Romcoms mit großem COM, denn sie sind sich bewusst, dass sie dort noch mit Schwung und Originalität punkten können, während der Rom-Teil erzwungenermaßen den generischen Regeln des Genres folgt und niemanden mehr hinterm Ofen hervorlockt.
Aufgrund dieses Formel-Gerüsts geht auch „Always be my maybe“ den Weg so ziemlich jeder RomCom: Im dritten Akt sind die Gags größtenteils verschwunden und es wird dramatisch und emotional, wenn die Figuren halt ihre übliche Reifung durchmachen und ihren jeweiligen Entwicklungsbogen abschließen müssen, um verdientermaßen im Happy End landen zu können. Diese erzählerische Notwendigkeit hat schon sehr vielen zunächst sehr guten RomComs auf der Zielgeraden noch Schwung und Unterhaltsamkeit genommen, denn dieser Teil fällt selbst beim originellsten Set-Up eigentlich immer gleich generisch (und eher witzlos) aus.
Auch „Always be my maybe“ hält seine Malen-nach-Zahlen-Auflösung davon ab, als wirklich großartiger Film in Erinnerung zu bleiben (fairerweise muss ich allerdings zugeben, dass diese Formelhaftigkeit mich nicht davon abgehalten hat, in der letzten Szene trotzdem kurz feuchte Augen vor Rührung zu kriegen). Aber mindestens für die ersten zwei Drittel seiner Laufzeit ist er ein sehr unterhaltsamer und sehr lustiger Vertreter seiner Gattung, weit über dem Mittelmaß.
Der wahre Höhepunkt des Films sind aber nicht Wong und Park, auch wenn sie ganz hervorragend zusammen funktionieren und so überzeugend in ihre Figuren schlüpfen, dass es eine echte Freude ist. Zur Halbzeit taucht auf einmal ein Liebeshindernis auf, das sich zumindest kurzzeitig einem allzu vorschnellen Happy End in den Weg schiebt. Zu verraten, wer da genau in die Handlung platzt, wäre ein sehr doofer Spoiler, denn der überraschende Auftritt ist hier schon ein Highlight für sich. Sagen wir nur so viel: Diese Person und ihre Rolle sind fast allein Grund genug, sich diesen Film anzusehen. Ganz groß.
Auch wenn dies nur eine kurze, sehr schräge Episode ist – sie ist denkwürdig genug, als dass man „Always be my maybe“ im Gedächtnis behalten wird als etwas mehr als „nur“ einer der herausragenderen Vertreter seines Genres auf Netflix. Definitive Seh-Empfehlung für einen echt netten Filmabend.
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