1917

Originaltitel
1917
Land
Jahr
2019
Laufzeit
118 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Volker Robrahn / 15. Januar 2020

1917 1Nach der Verleihung der Golden Globes und der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen hat sich ein Film in den Vordergrund geschoben, der den bislang favorisierten Titeln „The Irishman“ und „Once upon a Time in Hollywood“ tatsächlich noch die Hauptpreise für die Regie und den besten Film streitig machen könnte. Denn nachdem er sich praktisch eine ganze Dekade lang ausschließlich mit der James Bond-Franchise beschäftigt hat, beschloss Sam Mendes die bereits in seiner Eröffnungsszene von„Spectre“ ausprobierte „Ohne Schnitt“-Technik gleich für einen kompletten Film anzuwenden. Schon länger mit dem Gedanken spielend, in Erinnerung an die Erzählungen seines Großvaters eine Geschichte über den Ersten Weltkrieg zu inszenieren, schien ihm die „One Take“-Variante ideal um dem Zuschauer das Gefühl zu vermitteln, sich mitten im Geschehen zu befinden. Eine Theorie, die tatsächlich auch in der praktischen Umsetzung voll aufgeht und einen Kriegsfilm entstehen lässt, wie es ihn bisher noch nicht zu sehen gab.

1917 2Im Frühjahr 1917 hat sich die Frontlinie in Frankreich, wo sich die Deutschen und alliierten Truppen gegenüberstehen, seit Monaten festgefahren. Als eines Tages aber die Nachricht die Runde macht, dass sich die Deutschen ein gutes Stück zurückgezogen hätten, plant die britische Heeresleitung sofort eine Attacke. Eine 1600 Mann starke Einheit macht sich bereit, im Morgengrauen anzugreifen. Dann bekommt das Hauptquartier jedoch Wind davon, dass es sich nur um eine Falle des Feindes handelt und die eigenen Soldaten in den sicheren Tod laufen. Ihre einzige Hoffnung sind die beiden jungen Soldaten Schofield (George MacKay) und Blake (Dean Charles-Chapman), die ausgewählt werden ihre Kameraden – unter denen sich auch Blakes Bruder befindet – zu warnen. Für ihre gefährliche Mission haben sie nur wenige Stunden Zeit und auch nur eine vage Vorstellung davon, was sie nach dem Verlassen des eigenen Schützengrabens erwartet.

1917 3Auch der Zuschauer weiß eher nicht was ihn erwartet, wenn er sich im Vorwege nur den Trailer zu „1917“ angesehen hat. Denn der vermittelt aufgrund der bunt zusammengewürfelten, hin und her springenden Ausschnitte keinerlei Eindruck davon wie dieser Film tatsächlich abläuft und aufgebaut ist. So haben die dort prominent auftauchenden Stars Benedict Cumberbatch und Colin Firth in Wahrheit nur kurze Gastauftritte, denn dies ist im Kern ein Zwei Personen-Stück. Schon nach wenigen Minuten und kurzer Exposition springen Blake & Schofield über den Graben hinaus ins Feld und von da an bleiben die Kamera und der Betrachter im Kinosaal eng an ihrer Seite und sehen immer nur genau so viel wie die beiden unter enormem physischem und psychischem Druck stehenden Soldaten. 

1917 4Das hat man ähnlich vor ein paar Jahren schon bei „Birdman“ gesehen und bereits in den 50er Jahren versuchte sich ja Alfred Hitchcock mit „Cocktail für eine Leiche“ an einem Spielfilm ohne sichtbaren Schnitt. Die bisherigen Ansätze, einen Film in einer einzigen langen Einstellung zu drehen, beschränkten sich allerdings stets auf einen mehr oder weniger engen und begrenzten Raum als Schauplatz (die bemerkenswerte Ausnahme stammt aus Deutschland, heißt „Victoria“ und wurde auch wirklich nur in einem Take gedreht). Die Enge des Handlungsraums ist bei „1917“ definitiv nicht gegeben, ganz im Gegenteil betreiben Mendes und sein Team einen enormen technischen Aufwand, fangen die Umgebung ausgiebig ein, lassen die Kamera um die Protagonisten herumkreisen und bleiben damit genau wie diese ständig in Bewegung.

Ziel dieser Vorgehensweise ist es natürlich einen Eindruck davon zu vermitteln, wie unübersichtlich und chaotisch sich die Situation für die beiden mitunter überforderten Männer darstellt, und das gelingt sehr überzeugend. Das Bemühen, dem heutigen Publikum ein Gefühl für die Kriegs-Situation vor einhundert Jahren zu vermitteln, das über die abstrakt und weit entfernt wirkenden bekannten Schwarzweiß-Bilder hinausgeht, eint Mendes mit Peter Jackson, dessen vor kurzem veröffentlichte, ebenfalls mit sehr viel Aufwand aufgepeppte Dokumentation „They shall not grow old“ dafür einen anderen, aber nicht minder wirkungsvollen Ansatz wählte.

1917 5Neben dem technischen überzeugt aber auch der inhaltliche Ansatz, denn trotz der im Kern simplen Prämisse bietet die Handlung immer wieder unerwartete, überraschende Momente, da man einfach nie weiß welche Situation und was für Menschen einen hinter der nächsten Böschung oder dem nächsten Tunnel erwarten, Die Figuren, die dabei auftauchen, schwanken zwischen liebenswert, schrullig und vollkommen durchgeknallt und jeder von ihnen darf für sein Verhalten in Anspruch nehmen, sich in einer absoluten Ausnahmesituation zu befinden, in einem für viele von ihnen letztlich tödlichen Irrsinn. Meist waren es aber halt junge Männer, die nicht ahnen konnten wie ihr oft freiwillig eingegangener „Dienst am Vaterland“ wirklich aussehen würde. Stellvertretend für diese lässt Mendes hier seine beiden Hauptcharaktere laufen und leiden und es ist schlüssig, dafür dem breiten Publikum bislang eher unbekannte Gesichter einzusetzen. Gesehen hat man Dean-Charles Chapman vielleicht als jüngsten Sprössling auf dem eisernen Thron in „Game of Thrones“ und George MacKay als aufsässigen Sohn von Viggo Mortensen in „Captain Fantastic“. Dies ist für beide aber die bisher größte Herausforderung und insbesondere MacKay weiß dabei mit großer Natürlichkeit glaubhaft die Verzweiflung seiner Figur zu vermitteln.

Ob es dagegen unbedingt sinnvoll und nötig war, ein paar bekannte Namen und Gesichter für Cameo-Auftritte in die Handlung einzubauen, ist diskutabel, denn an sich hat der Film das auch fürs Marketing nicht nötig, Konzept und Umsetzung sind auch so stark genug. Ob es sich auch um den „besten Film des Jahres“ handelt, müssen nicht nur die Academy-Mitglieder selbst entscheiden, ein außergewöhnliches Stück Kino ist „1917“ aber auf jeden Fall.

 

Meine Interviews mit Regisseur und Hauptdarstellern gibt es auf dem (kostenpflichtigen) Portal von Massengeschmack .TV zu sehen,

das mit Sam Mendes aktuell auch auf You Tube:

https://massengeschmack.tv/clip/ptv-191

https://www.youtube.com/watch?v=K__o5uyFQ_g

 

 

 

Bilder: Copyright

"Die bisherigen Ansätze, einen Film in einer einzigen langen Einstellung zu drehen, beschränkten sich allerdings stets auf einen mehr oder weniger engen und begrenzten Raum als Schauplatz"

Stimmt nicht ganz. Irreversible spielte ähnlich wie Victoria nicht auf begrenztem Raum, sondern quer durch die Stadt. Allerdings war der "One-Take" bei Ersterem nur (gut) vorgetäuscht, wie bei 1917 übrigens auch.

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1
1/10

Kennt jemand den Film, Im Wersten nichts neues, nach dem Autor Remarque. Gedreht in den 30 Jahren . Der ist tausend mal beser und authentischer. [KOMMENTAR VON DER REDAKTION GEKÜRZT, DA MASSIVE SPOILER IM GANZEN TEXT]
Ich musste noch bis zum Schluss gucken, weil mein Sohn mich eingeladen hatte . Fazit : Das war die Kindergartenversion von DER SOLDAT JAMES RYAN

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4
4/10

Was maaanst.....
Für mich als Liebhaber des Bombast- und Effekt-Kinos ein eher unterdurchschnittlicher Film was Spannung und Handlung angeht. Ersteres kommt kaum auf, zweites dümpelt seicht vor sich hin.
Filmtechnisch stellenweise sicherlich interessant, die ganze Vorstellung hat mich aber nicht vom Hocker gerissen. Warum dieser Film Anwärter für den "besten Film des Jahres" sein soll, entzieht sich meiner Kenntnis.
Für mich persönlich nach der Rezension eine ähnlich herbe Enttäuschung wie der damals genauso enttäuschende Dunkirk.

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9
9/10

Richtig stark. Überzeugende Leistung der beiden Hauptdarsteller, technisch absolut brillant, unfassbar realistische Sets, die erstmals einen ansatzweise realistischen Eindruck von Grabenkamp in WK1 vermitteln, emotional mitreißend. Abzug für die ärgerlichen, weil aus der Handlung reißenden Cameos und den imho zu wenig zurückhaltenden Soundtrack. Aber insgesamt großes Kino!

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@Ritschwumm: "wie der damals genauso enttäuschende Dunkirk"
Dunkirk *enttäuschend*?
Ok, 1917 muss ich dann wohl definitiv im Kino sehen - ich nehme Ihre 4-Augen mit diesem Kommentar als Qualitätsmerkmal...

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6
6/10

Ich muss auch ein bisschen Wasser in den Wein gießen [Bitte an die Redaktion: Falls Spoilergefahr, bitte sorgfältig kürzen]. Der erste Teil ist grandios, weil er ganz dicht an seinen Protagonisten bleibt, die durch Schlamm und Kadaver waten. Auch die Tatsache, dass die deutschen Unterstände viel solider gebaut waren als die britischen Gräben, ist gut recherchiert. Aber irgendwann lässt Mendes die (James-Bond?-) Actionsau aus dem Stall, und dann kommen die Klischees gehäuft mit heimtückischen Hunnen, edlen Engländern, die man nur durch gemeinen Undank zur Strecke bringen kann, etwas postkoloniale Kritik mit dem weisen Inder unter rauhen englischen Soldaten, Wettlaufszenen in schaurig-schön flammenerleuchteten Ruinenstädten, die so inszeniert sind, als seien sie dem Ego-Shooter entsprungen (10 deutsche schießen natürlich immer an einem Engländer vorbei), der Fluss im flachen Nordfrankreich wird zum Wildbach mit Wasserfall, und nachher drücken sich die Überlebenden tränenfeucht die Heldenhände ...
Der herbe Mut zu Dreck und Wahnsinn des ersten Teils weicht dann einem relativ simplen "auf der Flucht"-Spiel, in dem alles so kommt, wie es der globale Actionliebhaber gerne sieht und erwartet.
Da fand ich Nolans "Dunkirk", thematisch ähnlich, aber bei weitem interessanter und komplexer erzählt. Insofern: Halb enttäuscht. Mendes ist auch nicht mehr das, was er mal bei American beauty und durchaus auch noch bei Skyfall war: Auch dort wurde übrigens die Erzählung nach meiner Wahnehmung zum Ende des Films immer platter und konventioneller.
Ergo: Ein paar Oscars (z.B. Kamera) sind ganz OK, aber ich hoffe, es gibt in diesem Jahr in Summe noch bessere Filme!

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7
7/10

Insgesamt 6,5 von 10 Filmszene-Augen.
Auch wenn "Skyfall" ein sehr guter Actionfilm und zum besten Entertainment der 2010er Jahre gehört, ist Sam Mendes immer dann am besten, wenn er Kammerstücke inszeniert. Sein Meisterwerk ist m.E. klar "Zeiten des Aufruhrs". Auch "1917" kommt aufgrund seines Inszenierungsstils als Kammerstück daher und ist zugleich eine Rückkehr Mendes' zu seinen Wurzel als Theaterregisseur, der die Einheit von Ort, Zeit und Handlung ins Bild setzt. Die erste Stunde ist nicht nur technisch sehr gelungen. Der Film ist spannend und atmosphärisch. Wirklich gut. Die zweite Stunde fällt allerdings klar ab. Das Inszenierungskonzept geht nicht mehr auf. Besser wäre es gewesen, zwischen Schauplätzen (der Front; dem Weg zur Front; dem Gegner!) zu wechseln - und damit auch den großen Vorteil des Mediums Film zu nutzen: den (sichtbaren) Schnitt. Der Film hätte so deutlich doppelten Boden gewinnen können (allein Stichworte in spärlichen Dialogen reichen einfach nicht). Das Ende erscheint entsprechend nur noch wie ein wirkungsloses Abblenden des Gesehenen. Er bleibt auf den Versuch der Artikulation der subjektiven Erfahrung beschränkt - und scheitert letztlich daran. Nach dem Ansehen habe ich mich auf eine Wiedersehen von "Die durch die Hölle gehen" und "Full Metal Jacket" gefreut.

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