26.12.2007 - Pünktlich zum größten aller christlichen Feste mischt sich in den Weihnachtsumtrunk ein fader Beigeschmack - zumindest für Filmfreunde. Denn wenn man sich anschaut was in den USA gerade mit der Multimillionendollar -Produktion "Der goldene Kompass" passiert, könnte man durchaus mal kurz vom Glauben abfallen.
Es handelt sich dabei um den großen Fantasyfilm zum Jahresende, wie er ja mittlerweile schon üblich ist. Außerdem geht es hier um den ersten Teil einer Literaturverfilmung, ebenfalls ein bekanntes Muster. Und auch wenn natürlich nicht jede neue Franchise gleich in "Herr der Ringe" - oder "Harry Potter"-Dimensionen vorstoßen kann, so haben wir es beim "Kompass" doch allemal mit einer der aufwändigsten und am stärksten beworbenen Produktionen des Jahres zu tun, deren Herstellungskosten sich auf fast 200 Millionen Dollar belaufen.
Daher ist das Einspielergebnis, welches sich für den Film bisher abzeichnet, nicht nur eine Enttäuschung sondern schlichtweg eine Katastrophe. Rund 25 Millionen US-Dollar am ersten Wochenende und danach wurde es nicht besser. So steht der Film nach 10 Tagen bei knapp 40 Millionen Einspiel und es zeichnet sich ein Missverhältnis zwischen Kosten und Ertrag ab, wie man es bei einer Hollywood - Produktion dieser Größe seit Jahren nicht erlebt hat. "Schlecht für die Filmfirma halt" mag nun mancher schulterzuckend reagieren und sich ansonsten fragen, warum ihn das weiter kümmern sollte. Aber leider liegt der Fall hier etwas anders, denn es gibt eine recht einfache Erklärung für den kolossalen Absturz des "Goldenen Kompass" und der liegt leider nicht in seiner Qualität oder seiner Besetzung.
Nach Berichten über in der Buchvorlage angeblich enthaltene anti-christliche Tendenzen liefen nämlich zahlreiche Kirchen- und Elternverbände Sturm gegen das Werk und riefen landesweit und medienwirksam zum Boykott desselben auf. Und das scheint ganz hervorragend zu funktionieren: Der Film wird, wie geschildert, nun vom amerikanischen Publikum gnadenlos abgestraft. Dass man die - in den Büchern in der Tat enthaltene - Religionskritik an einer herrschenden Kaste, welche ihr Volk bewusst dumm und unwissend halten möchte, für die Verfilmung stark abgeschwächt hat, spielt dabei offensichtlich keine Rolle. Dass diese Bösewichte eher undifferenziert gezeichnet werden und sich dabei kaum von denen ähnlicher Geschichten unterscheiden - egal. Amerikanische Kinder sollen das bitte nicht sehen und so bleibt das gleiche Publikum, welches noch die - von Aufwand und Genre her durchaus vergleichbaren - "Chroniken von Narnia" zu einem gewaltigen Hit machte, jetzt fast vollständig fern. Dass es sich bei eben diesem "Narnia" aus Sicht nicht Weniger dabei um eine missionarisch angehauchte, sehr pro-christliche Erziehungsstunde handelte, macht die Sache noch ein wenig pikanter. Auch dort treffen die gemachten Aussagen eher auf die erzkonservative Buchvorlage zu, aber auch dort genügte bereits das (in diesem Falle wohl "positive") Image für einen Erfolg, der sich mit der Qualität des Films allein sicher nicht erklären ließe.
Und wären beide Filme im alten Europa ein eher "normales" Box Office-Verhalten an den Tag legen ("Narnia" lief etwas schwächer als in den USA, der "Kompass" aber deutlich besser), denken wir zurück an einen Film, der vor einigen Jahren schon einmal erstauntes Kopfschütteln hierzulande hervorrief, ebenfalls weniger aufgrund seiner Qualität, sondern aufgrund des unglaublichen Zulaufs, dessen sich der - von seiner Machart eigentlich eher auf ein übersichtliches Cineastenpublikum zugeschnittene - Streifen erfreute. Die Rede ist von der extrem brutalen und in einer antiken Sprache vorgeführten "Passion Christi", die bei uns lediglich einen Achtungserfolg erzielen konnte, in den USA aber gewaltiges Geld einspielte. Als Mel Gibson kurze Zeit später mit dem ähnlich "realistisch" inszenierten "Apocalypto" meinte, ein genauso interessantes Thema gefunden zu haben, blieb der Erfolg allerdings überschaubar. Kein Wunder, fehlte doch diesmal das offensichtlich todsichere Erfolgsrezept des christlichen Hintergrunds.
So sind sie halt, die bibelfesten Amis in ihren konservativen Flächenstaaten, mag nun mancher schmunzeln und sich immer noch fragen, warum ihn solche Tendenzen denn groß stören sollen.
Aber wer sich das Geschehen um den "Goldenen Kompass" anschaut, dürfte eigentlich schnell erkennen, worauf das Ganze wohl hinauslaufen wird. Denn während sich ein Independent-Filmer wie Kevin Smith noch locker über die Kritik an seinem provokativen "Dogma" amüsieren konnte und einfach gleich mal selbst mit demonstrierte, weil das seine Zielgruppe eh nicht betraf, sieht das hier anders aus. Eine als Blockbuster angelegte Produktion kann sich ein solches Publikumsverhalten auf dem immer noch bedeutendsten und mit Abstand größten Kinomarkt der Welt nämlich keinesfalls leisten. Die Realisierung der noch ausstehenden beiden Fortsetzungen des von vornherein mit einem offenen Ende versehenen "Kompass" ist daher äußerst fraglich, denn den folgenden Teilen dürfte es kaum besser ergehen. Und auch andere Filmstudios dürften nach dieser Erfahrung zu dem Schluss kommen, dass es wohl keinen Sinn macht, sich an Material zu wagen, dass von der einflussreichen Gruppe der fundamentalen amerikanischen Christen kritisch beäugt wird.
Diese entscheiden also durch ihre, von keinerlei Interesse an gutem Kino geprägte Propaganda zu einem guten Teil mit, was wir in Zukunft überhaupt noch zu sehen bekommen. Und ob man sich nun für den "Goldenen Kompass" interessiert oder nicht, ob man seine Adaption für geglückt oder eher misslungen hält: Das sind für ALLE Filmfreunde doch reichlich trübe Aussichten.
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