Young Adult

Originaltitel
Young Adult
Land
Jahr
2011
Laufzeit
94 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 5. Februar 2012

Wenn Regisseur Jason Reitman und Autorin Diablo Cody zum zweiten Mal zusammenarbeiten, horcht man als Filmfan automatisch auf, fabrizierten die beiden zusammen doch vor ein paar Jahren den bezaubernden Überraschungshit "Juno" und lieferten auch im Anschluss - Reitman mit dem grandiosen "Up in the Air", Cody Young Adultmit der TV-Serie "United States of Tara" - mehr als beachtliche Arbeit ab. Nun also schmücken ihre Namen wieder gemeinsam die Leinwand, gepaart auch noch mit Charlize Theron als Hauptdarstellerin - wie soll daraus kein großartiger Film werden? Die gute Nachricht: Es ist ein großartiger Film geworden. Die schlechte: Es ist ein Film geworden, der sich nur schlecht bis unmöglich verkaufen lässt. Trotz der damit verbundenen Namen. 

Die Vermarktung von "Young Adult" gibt sich alle Mühe, den Film als Komödie zu verkaufen, doch schon wenn man sich den Trailer ansieht, kann man nur irritiert reagieren, denn zwischen all dem durchaus vorhandenen, scharfzüngigen Witz wandelt hier vor allem eine Hauptfigur, die ganz grundsätzlich auf dem falschen Dampfer unterwegs ist. Diese Hauptperson heißt Mavis Gary, verdient sich ihren Lebensunterhalt mit dem Verfassen von Serienromanen für ein Zielpublikum weiblicher Highschool-Teenager (oder, wie es in Literaturgenre-Sprech heißt, "Young Adult") und fristet ansonsten ein ziemlich frustriertes Dasein in der nördlichen US-Metropole Minneapolis. Dieses Dasein illustriert "Young Adult" gleich zu Beginn in einer von Dialogen weitgehend befreiten Exposition, die getragen wird von beachtlich starken, sehr markanten Bildern - wie die kaum 30 Sekunden, die wir von Mavis' Date mit einem x-beliebigen Typen sehen. Ganz schnell ist klar: Das wird ein fürchterliches Date. Schnitt auf den nächsten Morgen, als Mavis trotzdem neben diesem Kerl im Bett aufwacht, und seufzend die Augen verdreht, über sich selbst den Kopf schüttelnd. Aufgerüttelt wird dieser Alltag als Mavis eine E-Mail aus ihrer alten Provinzheimat bekommt, dass ihre ehemalige Highschool-Liebe Buddy (Patrick Wilson) und seine Frau Beth (Elizabeth Reaser) soeben ihr erstes Kind bekommen haben. Darüber brütet Mavis, bis sie auf einmal in ihr Heimatkaff aufbricht mit einer festen Mission in ihrem Kopf: Sie wird Buddy für sich zurückerobern, auf dass er für sie Frau und Kind verlasse.

Young AdultBitte was? Jawohl, das ist die Mission der Hauptfigur dieses Films, charakterlich noch verwerflicher als das, was Julia Roberts in "Die Hochzeit meines besten Freundes" vor hatte, und entsprechend ist auch von vornherein klar, dass Mavis auf dem Holzweg und ihre Unterfangen komplett sinnlos und bar jeder Chance auf Erfolg ist. Was ein weiteres sehr starkes Bild zeigt: Als Mavis das erste Mal bei Buddy anruft, spricht sie mit leuchtenden Augen mit ihm, gibt sich cool und gelassen und ist doch voll und ganz nervös-verknallter Teenager. Im Wechselschnitt sieht man zwar Buddy, aber nicht einmal sein Gesicht: Das Bild ist stattdessen die ganze Zeit fokussiert auf das Milchfläschchen, das Buddy mit routinierten Handgriffen mit der frisch abgepumpten Muttermilch seiner Frau füllt. Eine grandiose inszenatorische Idee um klar zu machen, wo die unerschütterlichen Prioritäten dieses Mannes liegen.

Und so sitzt man in "Young Adult" und fragt sich lange Zeit, wohin sich diese Geschichte eigentlich entwickeln wird, denn wie schon in ihrem Oscar-prämierten Skript zu "Juno" versteht es Diablo Cody ausgezeichnet, die naheliegenden Konfliktfelder zu umschiffen und die ausgetretenen Figurenkonstellationen beiseite zu legen. So trifft Mavis in ihrer alten Heimat als erstes bekanntes Gesicht Matt (Patton Oswalt) wieder, der mit ihr zur Schule ging und damals von Mavis - der von allen bewunderten, wunderschönen Prom-Queen mit dem perfekten Highschool-Leben - komplett ignoriert wurde. Matt wird zu Mavis' Gewissen auf ihrer zum Scheitern verurteilten Young AdultMission, und in jedem anderen Film würde man erwarten, dass diese Geschichte getreu den Standards einer RomCom darum geht, wie Mavis erkennt, dass eigentlich Matt der Richtige für sie ist. Nicht so hier, und zwar nicht nur deshalb, weil Matt ohne einen Hauch von physischer Attraktivität gezeichnet wird und noch dazu aufgrund eines tragischen Ereignisses aus der Schulzeit verkrüppelt ist. 

Je länger der Film läuft, desto irritierter ist man von Mavis und desto weniger kann man diese Frau mögen, die in derart drastischer Weise egoistisch und narzisstisch ist, dass sie die Realität darüber komplett ausblendet und gar nicht zu merken scheint, wie unmöglich sie sich benimmt. Und umso mehr Mavis ihre Umgebung und die Zuschauer mit ihrem Benehmen brüskiert, desto mehr merkt man, dass dies hier eben ganz und gar keine Komödie ist, sondern viel mehr die ziemlich tragische und sehr bittere Geschichte über eine Frau, die es verpasst hat, wirklich erwachsen zu werden. Die hängengeblieben ist in ihrer Sicht der Welt als sie auf der Highschool war, von allen vergöttert wurde und ihr alles zuflog, was sie nur haben wollte. Darauf fußt auch die besondere Dynamik der Beziehung zwischen Mavis und Matt, beide für ihr gesamtes Leben geprägt und gezeichnet (um nicht zu sagen: zerstört) von dem, was während ihrer Schulzeit passiert ist: Matt körperlich, Mavis geistig. 

Young AdultUnd wenn gegen Ende dann die letzten Fassaden und Selbsttäuschungen von Mavis' Charakter fallen und offenbart werden und man endlich vollends versteht, warum die am Anfang des Films erhaltene Nachricht über Buddys Baby diese höchst merkwürdige Reaktion in ihr hervorgerufen hat, dann begreift man "Young Adult" endlich als ein wahrlich grandios aufgebautes Stück Charakterkino, eine Erzählung mit der Genauigkeit und Wahrhaftigkeit eines großen Romans. Was aber eben leider etwas ist, dass sich einem Kinopublikum sehr schwer verkaufen lässt. Denn Mavis ist zu lange eine Figur von der man vermutet, dass sie auf Komik angelegt ist, mit ihrem schlabberigen Hello Kitty-Shirt und ihrer Fußhupe von Hund. Dass es hier aber tatsächlich um eine tief tragische Figur geht, ist schwer zu schlucken und beim Zusehen auch gar nicht so schnell zu begreifen. Was aber eben, wie gesagt, nichts daran ändert, dass dieser Film wahnsinnig gut gemacht ist. Cody und Reitman arbeiten mit einer sehr starken Reduzierung von Dialogen und Musik, sehr viele Momente zeigen einfach nur Mavis, still und unkommentiert, quasi dokumentarisch. Doch gerade diesen - oft erst im Nachhinein zu entschlüsselnden - einfachen Bildern liegt eine Kraft und Bedeutsamkeit inne, die einem höchsten Respekt abbringen für die Kunstfertigkeit filmischen Erzählens, die hier stattfindet.

Bis man bei dieser Erkenntnis angekommen ist, wird sich ein Großteil des Publikums allerdings schon mental oder gänzlich von diesem Film verabschiedet haben, der am Anfang so viel langweiliger, handlungsärmer und befremdlicher scheint, als er tatsächlich ist. In den USA spielte "Young Adult" nicht einmal 20 Millionen Dollar ein. Bei Juno waren es am Ende über 140 Millionen. Trotz diesem entmutigenden Ergebnis kann man nur darauf hoffen, dass Jason Reitman und Diablo Cody bald wieder einen Film zusammen machen.

Bilder: Copyright

9
9/10

Ganz toller Film, der aber streckenweise schwer anzuschauen ist. Man schämt sich so sehr für die Handlungen der Hauptfigur, dass man zum Teil vor Verlegenheit lachen oder die Hände vor die Augen schlagen muss.

Unbedingte Empfehlung für Leute, die starkes, unterhaltsames Charakterkino mögen!

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Sehr geehrter "Gast",
es ist bedauerlich für uns, wenn bei dir dieser Eindruck entstanden ist. Wir können uns indes nicht so richtig erklären, woher er kommt, denn es lässt sich quasi statistisch belegen, dass unser Schnitt an publizierten Rezensionen in den letzten Jahren (inkl. 2011) auf einem gleichbleibend stabilen Niveau geblieben ist. Und auch in 2012 haben wir bislang eigentlich eine Abdeckung in gewohnter Stärke erreicht. Von daher wüssten wir schon gern, warum es sich für dich so anfühlt, als würden wir nur noch "sporadisch" neue Rezensionen veröffentlichen.

Beste Grüße,
F.-M. Helmke

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Warum sich ernsthaft mit Leuten auseinandersetzen, die "Rezension" und "Rezession" nicht auseinanderhalten können und nur dumm rumpupen, statt sich die Mühe einer wirklich fundierten, konstruktiven Kritik zu machen? Whatever: Völliger Quatsch, den "Gast" da schreibt! Abhaken und vergessen.

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Da gebe ich Cinejunkie 110% Recht !!! "Gast"s Ansage, Rezession wär nur noch sporadisch wär ja ein Traum, ertrage wie wohl jeder 2. diesen Schulden-Krisen-Talk tagein tagaus in den Medien gar nicht mehr. Well, Eure Rezensionen sind klasse, Sven Regener würde sagen "stark, ganz stark". In diesem Sinne go Filmszene! go... und Danke, lese hier seit vielen Jahren schon sehr gern.

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10
10/10

Der film kam gestern auf Sixx. Der Film fängt mit einer untypischen Szene an und man fragt sich, was passiert danach. Da ich Charlize Therons schauspielerisches Talent schon in Monster bewundert hatte, habe ich mir schon gedacht, dieser Film wird bestimmt auch interessant. Nun ja, ich musste schon öfters mal lachen. Er ist jetzt eher tragi-komisch als nur komisch. Er spiegelt zudem die Realität im Leben wieder, die ja leider meist tragisch ist.
Mavis lebt alleine in der Großstadt mit ihrem winzigen Hundelein, den sie nur hat um nicht alleine zusein, da sie sich wenig um ihn kümmert. Morgens wacht sie auf trinkt Cola, isst nichts vernünftiges, Fast Food, One night Stands nicht zu vergessen. Sie scheint auch keine Freunde zu haben in der Großstadt ist sie ein Niemand. Als Autorin hatte sie wohl nur kurzzeitigen Erfolg. Ihr Leben ist ihr egal, da sie unglücklich ist, vergisst sie sich selbst, zumal sie auch psychisch nicht stabil ist. Klein Plan wie es weitergeht, weder im Job noch im Privatleben, merkt sie selbst dass sie älter wird. Eine gescheiterte Ehe, danach hat sie wohl keinen „guten“ Mann mehr kennengelernt den sie vertrauen kann. Durch die Einladung zu der Taufe des Babys ihrer Jugendliebe, kommt ihr die seltsame Erkenntnis, dass er und sie zusammengehören , obwohl er glücklich verheiratet ist. Sie fährt in das kleine Örtchen wo sie aufgewachsen ist und will ihn nun mit allen Mitteln zurückerobern.. Er hat keinerlei Interesse. Als Zuschauer hat man fast schon Mitleid mit ihr. Sie deutet es auf Interesse obwohl er nur nett zu ihr ist. Sie scheint aber auch nicht zu wissen was sie wirklich will. Sie ist unglücklich und bildet sich ein, dass sie glücklich wird, in dem sie ihre verheiratete Jugendliebe zurückerobert, ohne an die Konsequenzen zu denken, dass es moralisch nicht richtig ist, eine Ehe kaputt zu machen und dann ein Glück darauf aufzubauen. Gerade weil sie nicht erwachsen ist, will und kann sie es nicht akzeptieren. Erwachsen sein würde bedeuten, zu realisieren dass sie zu spät ist um ihren damaligen Freund zurückzugewinnen. Die Szene als sie bei den Eltern sitzt und sagt : „vielleicht bin ich ja ne alkoholikerin“ und ihre Eltern, die schon etwas alt sind, gehen gar nicht auf den Satz ein. Sie schüttelt den Kopf, weil ihre Eltern sie nicht verstehen. Fand ich amüsant. Und genauso die Szene, als sie im Cafe sitzt und „akdljflakdjfkjdfk“ in ihr handy eintippt , da sie sich beobachtet fühlt. Ich hatte auch schon mal so getan als ob ich was wichtiges in mein Handy eintippe.
Am Ende lernt sie doch, nach vorne zu sehen und das Vergangene abzuschließen. Das Gespräch mit der Schwester von Matt, scheint ihr somit geholfen zu haben. Sie sagt ihr, dass jeder so schön sein wollen würde wie Mavis und weil sie in der aufregenden Großstadt lebt. Mavis erkennt, dass die anderen sie beneiden und sie selbst das Glück der anderen beneidet. Somit hat wohl niemand ein perfektes Leben. Ich fand den Film super. Ich liebe solche Filme.

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