
Kaum ist Leo Handler (Mark Wahlberg)
aus dem Knast raus, da sitzt er schon wieder mitten in der Scheiße:
Sein Jugendfreund Willie Gutierrez (Joaquin Phoenix), für den
Leo ins Gefängnis ging, ist die rechte Hand von Frank Olchin
(James Caan), einer der mächtigsten Männer in den Industriegebieten
von Queens, „the Yards“ genannt.
Der ehrgeizige Willie erledigt für seinen Chef die Drecksarbeit,
denn der Erfolg dessen Firma für die U-Bahnlinien der Gegend
hängt zum größten Teil von Bestechung und Sabotage
ab. Unvermittelt wird Leo wieder in das Milieu hereingezogen. Und
wie es so kommen muss: Beim ersten gemeinsamen Einsatz ermordet Willie
einen Mann, Leo schlägt einen Polizisten nieder und flieht. Als
gesuchter Mörder wird er für alle Beteiligten zum Sicherheitsrisiko
und er erfährt sehr schnell, dass Freundschaft und Ehre in den
Grauzonen der Gesellschaft rapide im Kurs fallen können. Unterstützt
wird Leo nur noch von Willies Freundin Erica (Charlize Theron) und
seiner kranken Mutter Val (Ellen Burstyn). Als aber auch diese bedroht
werden, schlägt der Sündenbock Leo zurück...
„Timing ist alles!“ Das diese Weisheit nicht nur für Komiker
und Sprengmeister gilt, sondern auch für Regisseure ist irgendwie
klar. Womit wir schon beim Hauptproblem von „The Yards“ sinnt: Abgesehen
von dem Western „Tombstone“ (mit Kurt Russell und Val Kilmer) gibt
es wohl kaum einen Film, bei dem wirklich gute
Einzelleistungen durch völlig missratenes Timing derart abgeschwächt
werden, wie hier. Regisseur James Gray bekam für sein Debüt
„Little Odessa“ einige Kritikerpreise und noch mehr Kritikerlob. Vielleicht
wollte er deshalb etwas ganz Großes machen. Einzig: Er verwechselt
Atmosphäre mit Stillstand, Spannungsaufbau mit Retardierung.
Sein in der Grundkonstellation und vielen Drehbuchwendungen an eine
klassische Tragödie angelehnte Geschichte erstarrt ob ihrer eigenen
Schwermut, ihres eigenen Pathos. Und verhindert so einen guten Film
eines wirklich guten Ensembles.
Darstellerleistungen und Charaktere in „The Yards“ sind in der Tat
bemerkenswert. Mark Wahlberg spielt seine Rolle mit für den ins
Unglück stolpernden Leo passender Zurückhaltung, Phoenix
gibt wie schon in „Gladiator“ den babygesichtigen Killer und sein
glattes Gesicht scheint für diese Rolle wie geschaffen. Einzig
Charlize Theron enttäuscht von der hoffnungsvollen Jungschauspielergarde,
von ihrer im unvorteilhaften Pseudo-Junknutten-Look herumlaufenden
Figur bleibt kaum etwas hängen. Ganz stark dagegen Altstar James
Caan als väterlicher Gangsterboss. An seiner Rolle werden auch
die leider verschenkten Stärken des Drehbuchs deutlich: Wie die
umgebenden Hinterhöfe gibt es auch hier kaum Schwarz und Weiss,
sondern nur grau. Und so ist Caans Gangsterboss ein eigentlich nur
hart arbeitender Familienvater, der das beste für seine Lieben
will. Und eben auch ein knallharter skrupelloser Mann, der für
seinen Erfolg über Leichen geht. Diese Ambivalenz adelt das Drehbuch,
doch es nützt wenig. Die inszenatorischen Schwächen und
vor allem das nicht vorhandene Erzähltempo lassen all diese Meriten
schnell, genauer gesagt, langsam vergessen in den vielleicht längsten
115 Minuten, die man derzeit im Kino verbringen kann.
„The Yards“ spaltet die Gefühle des Zuschauers beträchtlich.
Inmitten des Thrillers, der nicht so recht thrillen will, ist so manche
darstellerische Glanzleistung versteckt, will so manche wirklich feine
Passage entdeckt werden. Einzig: man braucht Geduld und Sitzfleisch
dazu. Denn leider nimmt sich gegen das Betrachten dieses Films das
Betrachten von trocknender Wandfarbe beizeiten wie eine aufregende
Beschäftigung aus.
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