Mitten im aktuellen Bundeswahlkampf, in dem Politiker uns fortwährend erzählen, wie schlecht alles und alle sind (und das an allem die anderen Schuld sind), findet der Wähler nun ein kleines Antidepressivum - auch wenn der Titel anderes vermuten lässt: "Die große Depression - Eine Komödie zur Lage der Nation", die sich damit auseinandersetzt, warum hierzulande alle so viel jammern und stöhnen. Geht es uns wirklich so schlecht, oder ist der deutsche Michel einfach nur ein Jammerlappen, der nicht anders kann als sich immerfort zu beschweren? Dieser und anderer Fragen geht der optisch an Mr. Bean erinnernde schwäbische Dokumentarfilmer Konstantin Faigle auf amüsante Art und Weise in seiner Doku nach.
Konstantin
Faigle, der für sein Debüt "Out of Edeka" (über
den Edeka-Laden seiner Eltern) mit dem Bayrischen Dokumentarfilmpreis
ausgezeichnet wurde, hat ein Problem: Seine Freundin Amparo eröffnet
ihm, dass sie schwanger ist. Faigle ist so gar nicht glücklich,
nun auch noch ein Kind in dieses deutsche Jammertal zu setzen, und
beschließt herauszufinden, wie die Befindlichkeit in seinem
Heimatland eigentlich wirklich ist. Mit einem Kleinbus und ein paar
Kollegen macht er sich auf einen Road Trip der Ursachenforschung
und bereist die Orte, an denen Deutschland am urtypisch deutschesten
zu sein scheint. An der Loreley wird passend das Lied dazu geträllert:
"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig
bin". Zum Schloss Neuschwanstein muss es natürlich auch
gehen, wo flink einer aus dem Team als Ludwig II. von Bayern (der
auch an Depressionen litt) verkleidet und dann Touristen vorgestellt
wird.
Auf
dem Weg durch die Republik trifft der Filmemacher unter anderem
auf Kuckucksuhren, eine Hartz-IV-Demo, einen selbst erklärten
Guru und einen Haufen von "Experten". Vom erfolgreiche
Managerhandbücher schreibenden Pater Anselm Grün bis zur
Emanze der Nation Alice Schwarzer, vom Gen-Professor Dr. Florian
Holsboer bis zur Mem-Expertin Vera F. Birkenbihl erklären sie
ihm, warum die Deutschen so viel jammern. Episoden deutscher Geschichte
werden mit Puppen dargestellt, und zwischen den Interviews Experimente
und Musicaleinlagen eingestreut.
Faigle hat mit "Die große Depression" eine sehr witzige Bestandsaufnahme von Deutschland gemacht, über die man sich freuen kann. Immer ironisch angehaucht wird hier alles auf die Schippe genommen, was vor die Kamera kommt. Nicht einmal vor dem eigenen Vater und sich selbst macht der Schwabe halt.
Doch gibt es auch Szenen, über die man nur müde lächeln
kann. Eine Musical-Einlage über Barbarossa und ein blutbefleckt
seine eigene Geburt nachempfindender, nackter Filmemacher wären
zum Beispiel nicht wirklich nötig gewesen. Der Film hat zudem
seine Längen, wie zum Beispiel eine ewige Fahrt in Serpentinen,
die man auch hätte kürzen können. Die Klärung
von Faigles persönlicher "kleiner Depression" (der
Streit mit seiner Freundin) passt nicht wirklich in diesen Film
und scheint nur hinein genommen worden zu sein, um Nabelschau zu
betreiben und Alice Schwarzer etwas über das Verhältnis
zwischen den Geschlechtern sagen zu lassen.
Zwar
versuchen alle Experten vollkommen ernsthaft, dem Filmemacher ihre
Fachgebiete nahe zu bringen, doch in Faigles Inszenierung wirken
sie oft unfreiwillig komisch. Besonders die Mem-Expertin Birkenbihl,
die meint, dass sich negative Ideen virenartig verbreiten können,
und in ihrem voll gestopften Kämmerlein wild und atemberaubend
schnell Diagramme mit dicken Eddings malt, ist eines der Highlights
des Films. Trotzdem wird in "Die große Depression"
der Bogen nicht überspannt und Menschen Stefan Raab-artig bloßgestellt.
Der Drahtseilakt zwischen Humor und latenter Gemeinheit gelingt
Konstantin Faigle spielend.
Trotz gewisser Schwächen hat "Die Große Depression"
einen kleinen Orden verdient: Hier traut sich mal ein deutscher
Regisseur an das große Dokumentarfilmer-Vorbild Michael Moore
heran. Doch wo Moore mit dem polemischen Holzhammer auf die Zuschauer
los geht, belässt es Faigle bei zarter Ironie und Verballhornung.
Wie er selbst von sich sagt, nachdem er es nicht geschafft hat,
zum Chefredakteur der Bild-Zeitung vorzudringen: "Ich bin kein
Michael Moore".
Unser polemisch sparsamer Schwabe sollte sein Licht nicht unter
den Scheffel stellen: "Die große Depression" schafft
zwar weder Arbeitsplätze noch stopft sie Steuerlöcher,
doch ist sie ein filmisches Antidepressivum, das uns wieder zum
Lächeln bringt.
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