"Ein Fremder, der in den Norden kommt, weint zweimal: wenn er ankommt und wenn er wieder fährt." Bis jetzt reisten allerdings zu wenige Fremde dorthin, um diese Weisheit nachhaltig unters Volk zu bringen. Der Norden, der beginnt für die südfranzösischen Provencalen scheinbar bereits in Lyon und reicht von dort über Paris bis nach Belgien. Dort liegt praktisch schon die Hölle, bildlich jetzt. Der Norden ist hart, es stürmt, die Temperaturen sind eisig, die Arbeitslosigkeit grenzenlos und die Menschen hinterwäldlerische Barbaren... oder? Dany Boon, Regisseur, Komiker und gebürtiger "Sch'ti", hat eine filmische Liebeserklärung an seine von Vorurteilen verunglimpfte Heimat geschaffen, und das mit unfassbarem Erfolg. Seit Februar ist ganz Frankreich im Sch'tis-Fieber, der Film ist schon jetzt der erfolgreichste französische Film aller Zeiten und nur ein paar Zuschauer davon entfernt, auch den erfolgreichsten internationalen Film, "Titanic", von seinem Platz zu vertreiben. Mittlerweile ist der Drehort Bergues von Touristen überlaufen, es gibt geführte Touren zu den Originalschauplätzen und selbst das Ortsschild wurde schon dreimal geklaut. Postbeamter Philippe Abrams (Kad Merad) lebt mit Frau und Sohn in der Provence im Süden Frankreichs. Da seine depressive Frau Julie (Zoé Félix) nichts glücklicher machen würde als ein Haus am Meer, legt er sich für seine Versetzung ein wenig zu sehr ins Zeug und erreicht damit das Gegenteil - er wird Postdirektor in Bergues. Im Norden. Schlimmer könnte es gar nicht kommen, da sind sich alle einig. Freunde und Familie sprechen sogleich Warnungen und Ängste aus: Im Norden ist es hart und so kalt, dass der Wetterbericht manipuliert werden muss. Philippes Sohn befürchtet, seinem Vater könnten die Zehen abfrieren. Philippe beschließt, die Höllentour ohne seine Frau anzutreten, denn ein Leben im Norden wäre ihr nicht zuzumuten. Eingepackt in eine dicke Daunenjacke und noch dickere Vorurteile macht er sich auf den Weg nach Bergues. Eigentlich könnte man Dany Boons Film fast als Lehrstück über Völkerverständigung, Vorurteile und Moral bezeichnen, allerdings kommt man beim Zuschauen vor lauter Fremdschämen, Schadenfreude, Lachen und echtem Mitgefühl kaum dazu, sich dies bewusst zu machen. Boons Figuren sind zwar einerseits überzogene Karikaturen, andererseits bieten sie aber so viele Wiedererkennungsmomente, dass sie "echt" und vor allem menschlich wirken. Wer in den Norden kommt, weint zweimal, wer in diesen Film geht, wird vor allem viel zu Lachen haben. "Willkommen bei den Sch'tis" trifft mit seiner Satire voll ins Schwarze, weil er unverblümt zeigt, wie unsere globalisierte Gesellschaft zwar scheinbar weltoffen ist, aber schon über die nächste Region die schlimmsten Gerüchte verbreitet und Rivalitäten gepflegt werden, als gehöre das zum guten Ton. Und das (fast) überall - denn was dem Einen ein "Sch'ti" ist dem Anderen ein "Ossi" oder "Yankee". Deswegen wird dieser Film auch denjenigen gefallen, die vielleicht sonst kein Interesse an französischen Filmen haben. Zum Beispiel Hollywood. Dort plant man bereits ein Remake.... |
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