Manche Dinge ändern sich nie: Dass Grasrauchen in amerikanischen Horrorfilmen erwartungsgemäß zu Problemen der brutaleren Art und rapide verkürzter Lebenserwartung führt etwa. Das müssen auch die beiden Freundinnen Mari (Sara Paxton) und Paige (Martha McIsaak, "Superbad") feststellen, die eben noch in Frieden mit dem etwas verstört wirkenden Justin (Spencer Treat Clark, "Unbreakable") ein Tütchen geraucht haben. Für einen Großteil der Verstörung des Jungen ist nämlich seine plötzlich im Zimmer stehende Familie verantwortlich. Der gerade von seinem Bruder Frankie und seiner Geliebten Sadie bei einer Polizeiüberführung befreite Krug (Garret Dillahunt) ist Justins Vater, und die dysfunktionale Familie hier mehr als genug Grund, ein bisschen wunderlich zu werden. Krug und seine Psychopathenbande vergehen sich brutal an den beiden Mädchen und lassen sie verschwinden, müssen aber aufgrund eines annahenden Sturms am nächsten Sommerhaus anhalten und um Asyl für die Nacht bitten. Hausbesitzer ist das Ehepaar Collingwood (Monica Potter und Tony Goldwyn), die Eltern von Mari, die (noch) nicht wissen, wem sie gerade Unterkunft bieten....
Über einen Großteil der Remakes von Horrorklassikern
der 1970er und 1980er in den letzten Jahren gab es ja keine zwei
Meinungen: überflüssig war oft noch das Beste, was einem
dazu einfiel, manchmal rutschte das Ganze auch ins Peinliche ab
(legen wir den Nebel des Schweigens über "The Fog").
Aber neben den unnötigen Kettensägenmassakern in Texas
oder ebenso nichtssagenden Rückblicken auf einen gewissen Michael
Myers gab es auch einige Filme, die durch eine Neuarbeitung dazu
gewannen. Und zwar nicht nur im Bereich harter Gore - denn da legten
natürlich alle Filme der letzten Jahre zu, teilweise bis zur
Schmerzgrenze - sondern auch im Bereich Qualität. Einer dieser
Filme war Alexandre Ajas "The Hills Have Eyes", der Wes
Cravens teilweise doch arg krude umgesetzten Survival Horror konsequent
und recht geschickt für ein modernes Publikum adaptierte und
dabei die eher peinlichen Aspekte des Originals, allen voran den
Schnauzer und die Hotpants des männlichen (!) Hauptdarstellers,
wohlwissend wegließ.
Und nun sind wir bei Cravens Erstling angelangt, dem zurecht berüchtigten
"Last House On The Left". Cravens Filme der 1970er Jahre
sind besonders für Remakes geeignet, denn anders
als die frühen Filme eines John Carpenter ("Halloween"),
der erst im späteren Alter schwächer wurde, sind diese
Streifen vom technischen Standpunkt aus ziemliche Machwerke, mit
markanten Schwächen in Kameraarbeit und vor allem Filmschnitt.
Dazu gesellten sich dann gerne (wie im Original "Last House")
teilweise dilettantische Schauspielleistungen. Zudem hat das Remake
nun die Chance, die Dinge wegzulassen oder zu ändern, die im
Original nicht funktioniert haben, etwa die als Komikeinlagen geplanten
Auftritte zweier trotteliger Polizisten, die eher zu den "Dukes
of Hazzard" oder dem "ausgekochten Schlitzohr" passten.
Eine Sache hatte der krude Originalstreifen für sich, die das
wie nicht anders zu erwarten auf Hochglanz polierte Remake allerdings
nicht leisten kann: Seine Cinema Verité-Qualität. Mehr
noch als das original "Texas Chainsaw Massacre" bezog
Cravens "Last House" seine Wirkung (und seinen schlimmen
Ruf) aus der amateurhaften Qualität der Bilder, die wirkten,
als hätte eine Dokumentarfilmcrew eine böse Splittergruppe
der Manson Family bei ihren Abenteuern gefilmt. Die Gewalt hier
war nur teilweise so bösartig wie Moralwächter diesem
über lange Jahre verbotenen, zensierten und gekürzten
Film es nachsagten, es war viel mehr die ungebremste, fast intime
Wucht der nicht geschönten, nicht ästhetisierten Bilder
hier, die verstörte, wie es nur "Henry - Portrait of a
Serialkiller" über eine Dekade später konnte. Weswegen
sich die Werbekampagne mit der Tagline ("Um nicht ohnmächtig
zu werden, denken sie daran: Es ist nur ein Film, es ist nur ein
Film, es ist...) und auch der damalige deutsche Verleihtitel "Mondo
Brutale" (als Bezug auf die "Mondo"-Filme der Zeit,
die sensationsgeilem Publikum vermeintliche Realitäten der
meist grausameren Art in anderen Ländern zeigten) auf diesen
derben Realismus stürzten.
Auf
seine Art war auch Cravens Adaption von Ingmar Bergmans "Jungfrukällan",
der wiederum auf einer alten schwedischen Legende des 14. Jahrhunderts
basierte, ein Aufzeigen der Grenzen von Gewalt als Unterhaltung,
auch wenn das den Machern vielleicht erst später klar wurde.
Und Cravens Original war überdeutlich ein Zeichen seiner Zeit,
der Abgesang auf die Ideale des Hippietums (die hier entweder verblödet
oder enthemmte Mörder sind) und auf die immer mehr ans Licht
kommenden Gräuel während des Vietnamkrieges.
All diese Subtexte fehlen natürlich "Last House 2009"
völlig. Übrig ist hier dann nur noch der Plot geblieben,
die meisten Namen und ein gerüttelt Maß an Gewalt. Immerhin
hat man hier nicht versucht, die Schockszenen des Originals zu übertreffen,
sondern hält sich gen Anfang des Films fast noch zurück.
Am Ende wird's dann sowohl derber als auch unrealistischer, wenn
Figuren hier metertiefe Stürze und Schläge mit dem Schürhaken
relativ problemlos überstehen, aber gut, das Thema Realismus
hatten wir ja schon. Besonders negativ fällt allerdings die
ans Ende angeklatschte Splatterszene auf, die mit ihrem offensichtlichen
Schielen auf Begeisterung von den Gorehounds und Fanboys auf dümmstmögliche
Weise die niederen Instinkte des Genrepublikums befriedigt und weder
inhaltlich noch physikalisch irgendeinen Sinn macht.
"Last House 2009" macht einige, aber nicht genug Dinge
besser als der Vorgänger. So ist etwa die Beziehung zwischen
Krug und seinem Sohn hier differenzierter und psychologisch besser
dargestellt, und dessen Entfremdung von seinem kriminellen Vater
wird auch recht gelungen in einen im Original nicht vorhandenen
Erzählstrang über die Collinwood-Familie eingebaut. Der
größte Pluspunkt des neuen Films sind aber die Schauspielleistungen.
Die Darsteller sind allesamt weit von der Quasi-Laientruppe des
Originals entfernt und erschaffen größtenteils glaubwürdige
und gut dargestellte Figuren. Besonders Tony Goldwyn, den man ja
nur aus Nebenrollen kennt ("Ghost"!) und der sich in den
letzten Jahren eher in Richtung Regiestuhl orientiert hat, sowie
Monica Potter als das Elternpaar Collingwood
lassen die Erinnerungen an die von ein paar Soapdarstellern im Original
ganz schwach gespielten Eltern verblassen. Und auch die junge Sara
Paxton wirkt ausdrucksstark und hat wohl mehr Talent, als sie hier
in ihrer Opferrolle zeigen darf.
Das Talent zum Furcht Einflößen hat Garret Dillahunt
ja hauptsächlich in TV-Serien nachgewiesen, etwa als Psychopath
in "Deadwood" oder als Terminator in "The Sarah Connor
Chronicles". Dillahunt gibt seiner Figur genug falschen Charme,
um sie sowohl vom Originalcharakter abzusetzen, als auch in einen
recht guten Antagonisten zu formen. Seine beiden Helfershelfer bleiben
allerdings blass, Aaron Paul darf nur mit notgeiler Vergewaltigermiene
herumlaufen und Riki Lindhome als Gangsterbraut Sadie sich hauptsächlich
halbnackt zeigen. Doch trotz Dillahunts guter Leistung muss man
sagen: David Hess fehlt einem, im doppelten Sinne. Dessen Leistung
als Bösewicht Krug (zudem damals synchronisiert von dem jungen
Christian Brückner, bevor dessen Stimme synonym für den
deutschen De Niro wurde) war eines der herausragendsten Merkmale
des Originals. Das andere waren die zarten Folkballaden, die er
zum Soundtrack beisteuerte und die das brutale Geschehen manchmal
merkwürdig, manchmal genial untermalten.
Stattdessen gibt's hier einen nichtssagenden und nicht erinnerungswürdigen
Score, der im Kleinen die Crux von "Last House 2009" darstellt.
Das Spiel mit Gegensätzen etwa, das bei allen Fehlkalkulationen
einen Großteil der erzählerischen Wucht des Originals
ausmachte, fehlt der Neuauflage völlig, und das ist ihre größte
Schwäche. Hier ist alles stromlinienförmig und könnte
aus jedem x-beliebigen Horrorfilm der letzten Jahre stammen. Beliebigkeit
ist hier leider das Zauberwort. Aus der ironischen Selbstjustizgeschichte,
die Bergman und Craven faszinierte, ist in den Händen von Denis
Ilianis ein reiner Rachethriller geworden, der sich eng an Konventionen
hält und so gut wie komplett vorhersehbar ist. Die Unterschiede
zu ähnlich gelagerten Filmen sind hier nur marginal, und gerade
dafür bracht man dann kein Remake eines Films, von dem man
das - im positiven wie im schlechten Sinne - nicht behaupten konnte.
Denn egal ob man das Original "Left House" für abstoßenden Schund oder entnervenden Genreklassiker hielt, egal war er keinem, der ihn ansah. "Last House On The Left" 2009 dagegen geht in einem Meer aus ähnlichen Streifen so gut wie unter, er ist zwar durchaus stimmungsvoll in Szene gesetzt, aber zu keinem Zeitpunkt zwingend oder besonders erinnerungswürdig. Und damit hat es also auch Craven erwischt in der Reihe der "Kompetent aber überflüssig"-Remakes der letzten Jahre. Da wäre das letzte Haus links dann tatsächlich besser ein Einzelstück geblieben.
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