Rosemarys Baby

Originaltitel
Rosemary's Baby
Land
Jahr
1968
Laufzeit
131 min
Genre
Bewertung
von Frank Vollmer / 20. Juni 2010

"Ihr wollt doch nur meinen Körper!" Diesem uralten weiblichen Aufschrei - mal tragisch voller Entsetzen, mal nur kokett in gespielter Empörung hingehaucht - kann sich Rosemary Woodhouse (Mia Farrow), junge Gattin des (noch) erfolglosen Schauspielers Guy Woodhouse (John Cassavetes), im Verlauf ihres ersten Jahres im neuen Heim nur vorbehaltlos anschließen. Die ebenso geräumige wie alte Wohnung im Appartementhaus Bramford Building ist soeben durch einen Todesfall freigeworden, und nachdem der ganze Plunder der Vormieterin herausgeschafft ist und sich Rosemarys Designdrang ausgetobt hat, ist daraus tatsächlich eine helle, freundliche Bleibe für eine werdende Familie in bester New Yorker Lage geworden.

Mit der Vergrößerung der Woodhouse-Sippe soll es aber noch etwas Zeit haben, zumindest bis Gatte Guy über tragende Rollen in öden Yamaha-Werbespots und in drittklassigen Theaterstücken wie "Niemand liebt den Albatros" hinweggekommen ist. Auch merkwürdige Gesänge aus der Nachbarwohnung, vermischt mit eigenartig unmelodischem Flötenspiel, und finstere Gerüchte über die dunkel-verbrecherische Vergangenheit des ganzen Hauses können die Idylle der Jungvermählten zunächst noch nicht trüben.
Aber Polanski wäre nicht Polanski, wenn er nicht bald darauf die Psycho-Daumenschrauben fest anziehen würde: Erst schreckt ein Selbstmord der jungen Nachbarin Terry Gionoffrio (Victoria Vetri) das junge Paar auf. Diese erste Störung ist aber bald vergessen, entpuppt sich das schrullig-verschrobene alte Nachbarspärchen Minnie und Roman Castevet (Ruth Gordon und Sidney Blackmer) doch bald als rührend besorgter, freilich auch gnadenlos neugieriger Elternersatz. Auch die Familienplanung wird jetzt nicht mehr auf die lange Bank geschoben. Dummerweise ist Rosemary, die Mutter in spe, in der fraglichen Nacht nach dem Genuss von Minnies Mousse au Chocolat ein wenig unpässlich und verschläft offenbar die eigene Befruchtung, wenn auch nicht ohne Alpträume mit Visionen einer Vergewaltigung.
Was folgt, sind neun Monate Hölle: Rosemary ist schwanger- Guy konnte die Finger anscheinend nicht einmal von seiner bewusstlosen Gattin lassen. Aber diese Schwangerschaft ist erkauft mit dauernden nagenden Schmerzen, die die junge Frau schließlich wie ein gehetztes Gespenst statt wie einen sich zunehmend rundenden Wonneproppen aussehen lassen. Das Verhältnis zu Guy wird auch nicht wirklich besser, denn der profitiert von der plötzlichen Krankheit eines Kollegen und kommt groß raus. Zudem gebärden sich Minnie und Roman zunehmend aufdringlich, schwatzen Rosemary statt des knackigen jungen Dr. Hill die alte Koryphäe Abe Sapirstein (Ralph Bellamy) als Geburtshelfer auf, füllen sie mit angeblich vitaminreichen Kräuterdrinks ab und vermachen ihr einen übelriechenden Uralt-Glücksbringer. All das lässt die Unschuld vom Lande mehr oder weniger stillschweigend über sich ergehen, bis der alte Freund Hutch (Maurice Evans) Verdacht schöpft. Der scheidet zwar bald durch einen Gehirnschlag als warnende Instanz aus, doch Rosemarys Misstrauen ist geweckt, immerhin.
Kein Wunder also, dass sie in dieser Situation eine Verschwörungstheorie über Satanisten entwickelt, die es auf ihr Baby abgesehen hätten, um mit dessen Blut Schwarze Messen zu feiern. Aber mit dieser schon reichlich alarmierenden Vermutung trifft Rosemary noch keineswegs den Kern - die Wahrheit ist schlimmer, viel schlimmer.

Das erfahren die junge Mutter und der Zuschauer aber erst ganz am Schluss, nachdem alle Rätselspielchen und falsche Spuren in blinde, dunkle Gänge geführt haben. Wer Mia Farrows Gesicht in der Schlussszene des Films einmal gesehen hat, wenn sich auf ihren Zügen ein namenloser Schrecken ausbreitet, ein hilfloses Entsetzen gepaart mit verzweifelter Not, dem wird dieses Bild nicht wieder aus dem Kopf gehen. Überhaupt setzt Roman Polanski seinen jungen Star über die ganzen zwei Stunden hinweg so virtuos in Szene, dass selbst die ausgeflippte Minnie Castevet gegenüber dieser einnehmenden Leinwandpräsenz ziemlich verblasst.
Einen Themenkomplex wie Satanismus, Schwarze Magie und Hexerei, mit dem sich "Rosemary's Baby" beschäftigt, könnte dazu verführen, in Plattitüden und Phrasen abzudriften, noch dazu wenn es außerdem um das uralte und enorm emotionsbeladene Feld "Mutterschaft" geht. Die Liste von Regisseuren, die dieser Verführung nicht standgehalten haben und aus der Kombination der Gretchenfragen "Wie hältst Du's mit der Religion?" und "Was wäre, wenn...?" entweder gnadenlos verkitschte Happy-End-Schnulzen oder eklig pathetische Weltrettungsdramen zusammengefilmt haben, ist leider schier endlo.; "Constantine" aus dem letzten Jahr oder Polanskis eigener, wenig rühmlicher "Die neun Pforten" von 1999 mögen als eher negative Beispiele dienen.
Dreißig Jahre zuvor aber verstand Meister Polanski noch glänzend, die existenzielle Frage nach Gott, der Welt und dem Teufel ohne allzu große Offensichtlichkeit abzuhandeln. Traumbilder von den Fresken der Sixtinischen Kapelle, das im Hintergrund dudelnde Fernsehen mit den Berichten vom Besuch des Papstes in New York und schließlich die Vision des Kirchenfürsten in Rosemarys eigenem Traum sind neben ein bisschen einschlägiger Symbolik schon alles, was der Film in Sachen Christ und Antichrist bemühen muss, um eine unerträgliche Atmosphäre von sinistrer Paranoia, unaufhaltsamem Vertrauensverlust und abgrundtiefer Angst herzustellen, die in der Kinogeschichte ihresgleichen sucht.

Selten vermischen sich auch düstere Filmwirklichkeit und bedrückende Realität in so erschreckender Weise wie mit "Rosemary's Baby" - was dazu führt, dass der übliche War-ja-alles-nur-ein-Film-Kinoeffekt sich ins Gegenteil verkehrt: Es ist eben nicht nur ein Film, sondern auch der Aufhänger für eine Reihe von ganz realen Dramen. Nicht nur, banal genug, dass der Drehplatz Dakota Building, das im Film Bramford heißt, 1980 Schauplatz des Mordes an John Lennon wurde und damit eine eigene makabre Berühmtheit erlangt hat; Roman Polanskis junge Ehefrau Sharon Tate (hier übrigens in einer Gastrolle zu sehen als eine der Freundinnen auf der großen Party) wurde ein Jahr nach dem Kinostart von "Rosemary's Baby" durch die satanistische Bande Charles Mansons bestialisch abgeschlachtet. Dass allerdings ein bekannter amerikanischer Satanist in persona am Filmset mitgewirkt habe, ist nur ein böses Gerücht. Aber wenn es nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden, würden die Italiener jetzt sagen, und Recht haben sie.

Was macht einen bloßen Grusel- zum echten Horrorfilm? Wohl kaum Fontänen von körperwarmem Blut und Berge von glitschigen Eingeweiden, mit denen Splatter-Meisterwerke zu prunken wissen. Schon viel eher ein geschicktes Understatement, das durch Andeutungen, ergebnislose Spuren und häppchenweise Enthüllungen immer nur einen kleinen Blick hinter den schwarzen Vorhang freigibt, hinter dem sich allerdings wahrhaft Ungeheuerliches abspielt.
Schockeffekte? Nicht unbedingt; "Rosemary's Baby" hat keinen einzigen. Die gnadenlose Spannung zwischen dem diesseitigen Plot und dem großen, übernatürlichen Wurf der dahinter steckenden Story mit ihrem unbeschreiblich gewaltigen Schrecken, macht den großen Horrorfilm aus - und das ist Roman Polanski in der höchst akkuraten Verfilmung von Ira Levins Bestseller mit Filmgeschichte machender Souveränität gelungen. Die Auflösung der quälenden Geschichte am Ende - man hat es ja schon befürchtet, dass es so kommen muss - ist dann trotz aller Vorbereitung ein Schock, und das Schlussbild, das natürlich Rosemary zeigt, ist eine einzige Obszönität, ohne irgendwie äußerlich anstößig zu sein.
Wenn es einem Regisseur und seiner Hauptdarstellerin gelingt, so unmittelbar zu inszenieren und zu spielen, dass sich die sprichwörtliche Gänsehaut ganz real einstellt, ohne dass die Leinwand von etwas anderem erfüllt wäre als Mia Farrow im hellblauen Stepp-Bademantel, mit einer Miene zufriedener, aber irgendwie abartiger Entspannung, dann ist das eine Leistung, die sich ihr "Gold!" mit Leichtigkeit verdient - ein historischer, mutiger Meilenstein des Horrorkinos, mit dem Polanski in den USA zu Recht zum Weltstar aufstieg. Schreckliches Kino im besten Sinne.


10
10/10

spannung, die sich langsam aufbaut. einfach nur genial, polanski eben

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10
10/10

quälende Spannung von der ersten bis zur letzten Minute. Der schockierende Realismus dieses Films läßt echt Angstzustände aufkommen und das ganz ohne Filmblut und Latexgedärme. Ein absolut zeitgenössischer Film der den zur Drehzeit aufkommenden Satanismus auf grandiose Art und Weise wiederspiegelt. Großartig: Mia Farrow spielt ihre Rolle der unschuldigen Rosemary voller Inbrunst. Kein anderer Film hat es mit so unblutigen und subtil eingesetzten Spannungssteigerungen seither wieder geschafft mich derart in den Bann zu ziehen. Ein wahrlich diabolisches Meisterwerk alla Roman Polanski

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10
10/10

Einer der besten Filme aller Zeiten! Polanski pur!

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5
5/10

Ein ganz hervorragend gemachter Film, gar keine Frage -
eine solche Präzision was Schauspiel, dramatische Details und theatralisches Handwerk (z.B. Beleuchtung) angeht findet man heutzutage scheinbar selten.
Ich persönlich kenne auch keinen anderen Film der seinen Grusel so subtil unter der Oberfläche der Normalität versteckt.

Das einzige was mich an dem Film etwas stört ist der unterschwellige Sadismus mit dem Rosemary zu Leibe gerückt wird - was ihr passiert ist nun wirklich eine der schlimmsten Sachen die einer werdenden Mutter zustossen können.
Es ist nicht schön zu sehen, wenn schwachen und nichts-ahnenden Menschen Unheil geschieht.
Mir sind dabei auch einige Parallelen zu Haneke's "Funny Games" aufgefallen - z.B. die Szene in der Rosemary zu Dr.Hill flüchtet ist recht ähnlich wie der Moment in dem die beiden Mörder in Funny Games die Familie in Ruhe lassen.

Den Film so enden zu lassen ist zwar konsequent, allerdings auch sehr deprimierend.
Mir tut Rosemary jedenfalls unglaublich leid, und ich hoffe dass keine Mutter auf der Welt jemals etwas ähnliches durchmachen muss.
Ich schau mir halt das nächste mal was anderes an.

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