Glaubensfrage

Originaltitel
Doubt
Land
Jahr
2008
Laufzeit
104 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Patrick Wellinski / 5. August 2010

 

Der Unterricht in einem katholischen Internat der 60er Jahre kann ziemlich hart sein. Dies können die Schüler der St. Nicholas School in der Bronx ohne Weiteres bestätigen. Hier herrscht die Direktorin Schwester Aloysius Beauvier (Meryl Streep) mit eiserner Hand über die Schulkinder, aber auch über die Lehrer. Der einzig frische Wind in den altehrwürdigen Gemäuern scheint vom neuen Priester Flynn (Philip Seymour Hoffman) zu kommen. Doch als Pater Flynn den einzigen schwarzen Schüler Donald Miller (Joseph Foster) zu sich ins Büro kommen lässt und der anschließend völlig verstört zurück bei seiner Klassenlehrerin Schwester James (Amy Adams) erscheint, beschleicht die Nonne ein ungutes Gefühl. Nachdem sie Schwester Aloysius davon berichtet, ist für die Rektorin klar, der neue Priester hat den Jungen sexuell missbraucht - obwohl sie das nie wirklich ausspricht und noch dazu keine Beweise hat. Was ihr bleibt sind Indizien und die eigene Überzeugung.

Mit "Glaubensfrage" verfilmt John Patrick Shanley sein eigenes Off-Broadwaystück, welches schon vor einigen Jahren so gut wie alle Preise der New Yorker Theaterkritiker abgeräumt hat. Es ist Shanleys zweite Regiearbeit nachdem er mit seinem 1990 (!) erschienen Erstling "Joe gegen den Vulkan", trotz Meg Ryan und Tom Hanks in den Hauptrollen, einen veritablen Flop bei Publikum und Kritikern hinlegte. In seinem zweiten Film kann der Regisseur wieder auf eine äußerst begnadete Besetzung zurückgreifen. Neben der wie immer brillanten Meryl Streep (kann sie überhaupt anders?) und dem zurzeit alle überragenden Philip Seymour Hoffman gesellen sich noch Amy Adams und Viola Davis hinzu. Erstere legt die Rolle der Schwester James leider viel zu naiv an, so dass man des öfteren an der Blauäugigkeit und Manipulierbarkeit dieser Frau verzweifelt. Viola Davis hingegen, die Donald Millers Mutter spielt und einen einzigen Auftritt im Film hat, lässt in den wenigen Minuten ihrer Anwesenheit eine enormes Leid und eine fürchterliche persönliche Zerrissenheit spürbar werden, so dass ihre Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellern völlig gerechtfertigt ist.
 Trotz der mehr oder weniger soliden Nebendarsteller, kann man nicht umhin zu bemerken, dass es hier allein um das Duell zwischen Streep und Hoffman geht. Ohne handfeste Beweise kämpft Schwester Aloysius gegen den neuen Priester und damit auch um ihre Reputation als Rektorin. Pater Flynn steht nämlich für einen neuen liberaleren Umgang mit den Schülern, was die konservative strenge Rektorin herausfordert. Flynn geht auf die Kinder zu, er will sie unterstützen und gewinnt schnell ihre Zuneigung. Doch geht er dabei zu weit? Hat er sich wirklich an Donald Miller vergriffen, oder hat er ihn nur getröstet, wie Flynn selbst vehement behauptet?

Wer nun erwartet, Shanleys Film hätte etwas über das sexuelle Vergehen von katholischen Priestern an Kindern zu sagen oder zu den rüden Erziehungsmethoden einer christlich geprägten Schule, der wird im Kino ziemlich heftig enttäuscht werden. Der Film beschränkt sich leider einzig und allein auf den Glaubenskonflikt der Rektorin gegenüber Pater Flynn. Zudem werden in "Glaubensfrage" die Zweifel, Vorurteile und Vermutungen fast ausschließlich in Form des Dialogs diskutiert. Das führt immerhin dazu, dass es zwei bis drei ziemlich packende Rededuelle zwischen Meryl Streep und Philip Seymour Hoffman gibt. Das wird in Deutschland aber den wenigsten Zuschauern auffallen, denn der Film kommt in einer skandalösen Synchronfassung in die hiesigen Kinos, in der fast die ganze Wucht und Dramatik des Originals verloren geht.
Doch auch in seiner ursprünglichen Sprachfassung wird der Film eine ganz evidente Schwäche nicht los, und zwar fehlt ihm eine ansprechende Bildersprache. Shanley weiß nicht wie er sein Drehbuch in Szene setzen soll. Die gewählten Einstellungen und der holprige Schnitt wirken in einigen Momenten seltsam unbeholfen und manchmal auch zusammenhangslos. Die Inszenierung kann ihren Ursprung aus der Welt des Theaters nicht verbergen. So zum Beispiel das klingelnde Telefon, das niemand abhebt, als sich Schwester Aloysius und Pater Flynn über mehrere Minuten anschreien, oder die immer mal wieder platzende Glühbirne, wenn eine der Figuren in der Diskussion die Oberhand gewonnen hat. Shanley operiert hier mit Codes und Ideen, die im Film deplatziert und teilweise wie Fremdkörper wirken. Plakativ wird es auch, wenn der Film das ausgiebige und witzige Abendessen von Pater Flynn und zwei weiteren Kollegen gegen das stille strenge Regiment am Tisch der Nonnen schneidet. Spätestens hier muss man merken, dass Subtilität und Feinfühligkeit eher nicht zu Shanleys Repertoire gehören.

"Glaubensfrage" ist das, was man gern als "Oscar bait" bezeichnet, ein Film, der sich mit gewichtigem Thema und namhaften Stars in komplexen Rollen für wichtige Preise geradezu anbiedert. Leider kann er trotz dieser augenscheinlichen Stärken seine nicht weniger offensichtlichen Schwächen nicht kaschieren. John Patrick Shanleys lustloser Film baut eine bedrohliche Atmosphäre des Skandals auf, die sich jedoch bei genauerer Betrachtung als leere Fassade entpuppt. "Glaubensfrage" beweist einzig und allein, dass die Besetzung eines Films immer nur die halbe Miete ist, die zweite Hälfte bleibt uns der Regisseur hier schuldig.

Bilder: Copyright

Warum sind die Synchronfassungen eigentlich oft so schlecht?
Ist es der Geiz der Produktionsfirmen oder steckt dahinter die Absicht, demnächst in Deutschland alles "OmU" zu machen weil den Leuten die immergleichen comicartigen Voiceovers auf den Keks gehen?

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Ich bin sowieso schon lang der Meinung dass die Synchronisierungen zu mehr als 40% zur Qualität eines Filmes beitragen. Würde man deutsche Filme nochmal synchronisieren wären sie viel erfolgreicher.

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@kinomax,MichaelGG
iIch ärgere mich auch oft über schlechte Synchros. Denke das liegt daran, dass die heutzutage nichtmehr viel Zeit haben zwischen Fertigstellung der Produktion und deutschem Kinostart.

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8
8/10

Diese Kritik ist mir in jeder Hinsicht nicht nachvollziehbar.

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8
8/10

Sehr gut gespielter Film mit hervorragenden Dialogen. Dafür hätte er zehn Augen verdient. Unbefriedigend ist leider das Ende. Insgesamt aber sehr sehenswert.

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7
7/10

Also von einer "skandalösen Synchronfassung" kann hier ja nun wirklich nicht die Rede sein.

Guter Film in gediegenem Tempo, der sich im kirchlichen Umfeld durchaus ansprechend der Thematik des "Rufmords" widmet.

Wer aber wissen will, was eine "skandalöse Synchronfassung" wirklich ist, der sollte sich einmal den englischen Original-Trailer und anschließend dessen deutsches Pendant zum Aronofsky-Film "The Wrestler" im Vergleich ansehen.

Die Synchronisation von Mickey Rourke ist tatsächlich ein "Skandal" und könnte durchaus dazu führen, den Film in Deutschland komplett vor die Wand zu fahren...

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9
9/10

Jetzt hab ich ihn endlich auch mal auf deutsch gesehn und muss sagen dass es mit der Synchro garnicht so schlimm war.
Außerdem muss ich mich auch mit größter Inbrunst mercys Meinung anschließen und die Kritik als für mich nicht nachvollziehbar bezeichnen.

Keiner der Kritikpunkte passt:
Der Schnitt ist genau so perfekt...besser hätte man das garnicht schneiden können. Der Zuseher hat von den Indizien die zur Schuld des Beschuldigten beitragen selbst nichts mitbekommen und kann sich somit nur durch die Aussagen der Zeugen eine eigene Meinung bilden.
Und genau so war dieser Film auch gedacht: Der Zuschauer ist wie vor Gericht eine Art Geschworener der sich nur durch Aussagen seine Meinung bildet.

Auf eine "ansprechende Bildersprache" wurde hier mit Sicherheit absichtlich verzichtet. Und das doch nur um diesen Microcosmos nicht durch äußere Einflüsse zu beeinflussen.

Auch die fehlende Subtilität ist mir hier nicht aufgefallen. Jede Szene hatte hier ihre ganz bestimmte Bedeutung und ließ einen thematischen Fingerzeig zum Höhepunkt hin aufweisen.

Das einzig negative ist, dass dieser Film absolut Kino untauglich ist.
Hier braucht man Konzentration und Ruhe. Im Kino ist das meistens nicht möglich und deshalb sollte man sich "Doubt" lieber auf DVD kaufen (aber das ist ja eigentlich bei fast allen Dramen so).

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@ MichaelGG:
Ich finde deine Argumentation, der Film sei kinountauglich, weil man für ihn Konzentration und Ruhe braucht, ziemlich ulkig. Wo, wenn nicht im Kino, ist das denn bitte schön besser möglich? Im Kino werden durch die Dunkelheit und die große Leinwand alle Sinne für das Geschehen geschärft, man nimmt fast nichts anderes wahr und alle Leute halten die Klappe, solange der Film läuft. Filme gehören ins Kino. Da ist auch die beste Home Cinema-Anlage nur ein minderwertiger Ersatz gegen.

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Da hast du teilweise recht.
Es stimmt, dass du durch den Sound und die Leinwand im Kino stark gefesselt bist, aber das ist doch bei Dramen garnicht möglich!
Viele sind eher etwas trocken und schwer zu verfolgen.
Während ich nun daheim die Rolläden zumachen und mich im Zimmer allein einsperren kann, bin ich im Kino in Begleitung vieler anderer Menschen.
Da wird mal Popcorn gemampft, (Ja gemampft, denn es scheint heutzutage keine erzogenen Leute mehr zu geben die mit geschlossenem Munde kauen können.) eine auf den Boden gestellte Flasche fällt um und kullert bis in die vorderste Reihe vor, gelangweilte Leute unterhalten sich, es steht jemand auf und geht aufs Klo usw. usf. .

Durch diese kleinen Unterbrechungen wird man bei einem solchen, "schweren" Film doch sehr abgelenkt und kann der Handlung nur noch schwieriger folgen.
Ein Argumente hiergegen ist natürlich: "Andere Leute können sich konzentrieren".
Nun ja mag ja sein, aber wie immer spreche ich hier auch nur für mich und meine Eindrücke, sodass ich sagen kann dass ich Dramen grundsätzlich äußerst ungern im Kino schaue. (Außer natürlich ich bin fast allein)

Ausserdem sind Dramen meißt überhaupt nicht Bild- und Tongewaltig und somit auch garnicht Pflicht für das Kino.

ps. Du scheinst das Glück zu haben ein Kino besuchen zu dürfen in dem die Leute wirklich mal "die Klappe halten", bei mir war das ehrlich gesagt noch nie so, besonders bei Dramen scheinen sich die Leute bei Langeweile die Zeit mit Quatschen vertreiben zu müssen.

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Die individuelle Wahrnehmung ist natürlich bei jedem verschieden, und ich will dir sicher nicht absprechen, dass du "schwierige" Dramen offenbar besser ungestört zuhause gucken kannst. Jedem das Seine.
Nur zwei Dinge: Dass Dramen laut dir nicht "bildgewaltig" sein können, damit schmerzt du die Seele jedes Regisseurs und Kameramanns. Für großartige Kino-Bilder braucht es nicht immer große Explosionen, zahllose Statisten oder pittoreske Landschaften. Auch in einem Drama können die Bilder "sprechen" und einem viel mehr mitteilen als der Dialog. Und der dunkle Kinosaal hilft, sich genau auf diese Wirkung der Bilder zu konzentrieren, deren Feinheiten (meiner Erfahrung nach) auf dem so viel kleineren Fernsehschirm oft unbemerkt bleiben.
Und zweitens: Mir tut's wirklich leid, dass die Leute in deinem Kino sich offensichtlich nicht benehmen und einen Film vernünftig wertschätzen können. Das kann das Kino-Erlebnis in der Tat ziemlich ruinieren. Manche Filme guckt man dann doch besser im "anspruchsvollen" Programm-Kino mit entsprechendem Publikum.

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5
5/10

ich stimme dem autor zu.
mir kam der film auf der leinwand deplaziert vor, der schnitt war wirklich holpernd...

hab den film im original geschaut, kann also zur synchro nix sagen...

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Warum wird mein ellenlanger Kommentar nicht geposted?

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Da der Kommentar nur aus allgemeinen Beschwerden über andere Menschen im Kinosaal bestand und mit dem Resümee endete, dass der Verfasser sich Filme lieber auf dem Handy als auf der großen Leinwand ansieht, waren wir zum einen der Ansicht, dass der Beitrag nichts zur Diskussion über den Film beizutragen hatte, zum anderen fiel es uns ein wenig schwer, den Kommentar ganz ernst zu nehmen. Von wegen Handy und so.
Sollte dies ein ernst gemeinter Beitrag zur obigen Diskussion gewesen sein, so bitten wir das voreilige Löschen zu entschuldigen. Da dieser Thread schon seit Monaten inaktiv ist, haben wir da eventuell den Anschluss übersehen.

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Als leidenschaftlicher Cineast fällt es mir wirklich sehr schwer das assoziale Verhalten/Gebahren vieler Kinobesucher zu verstehen bzw. zu tolerieren. Der Beitrag bezog sich auf obige Leidensgenossen. Das mit dem Handy war natürlich ironisch gemeint. Kein Problem, danke auf jeden Fall für die Antwort :)

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