
"Bevor sie Soldaten wurden, waren sie eine Familie. Bevor sie Legenden wurden, waren sie Helden" - Mit diesen salbungsvollen Worten wird die Werbetrommel für "Mel Gibson - Der Patriot" gerührt. Leider sind solche Phrasen nicht sehr bedeutungsschwanger. Man kann sogar behaupten, dass Begriffe wie "Legende" und "Held" der - möglicherweise gar nicht so ehrenhaft agierenden - Hauptperson in moralischer Hinsicht ziemlich schmeicheln. Denn das größte Dilemma des Films spiegelt sich schon im Titel: Mit einem Patrioten haben wir es hier kaum zu tun.
Zur Ausgangslage im South Carolina des Jahres 1776: Ein Konflikt zwischen den freiheitsliebenden Bewohnern Nordamerikas und der Kolonialmacht England entwickelt sich gerade zur amerikanischen Revolution. Das liegt nicht im Interesse des legendären Kriegshelden Benjamin Martin (Mel Gibson). Witwer Benjamin ist von seinem Leben als siebenfacher Familienvater ausgefüllt und lehnt Gewalt ab, Grund dafür ist seine Beteiligung an einem brutalen Massaker im Verlauf einer zurückliegenden Schlacht. Obwohl er sich für eine friedliche Lösung des Konflikts einsetzt, kommt es zum Kriegsausbruch.
Benjamin hält sich zunächst heraus. Diesem Vorsatz kann er allerdings nicht lange treu bleiben. Es kommt der Tag, an dem der rücksichtslose und brutale britische Colonel Tavington (Jason Isaacs) das Haus des friedliebenden Plantagenbesitzers anzünden lässt und auch noch seinen 15-jährigen Sohn Thomas kaltblütig erschießt. Und das geht zu weit: Benjamin verabschiedet sich vom Pazifismus und sinnt auf Rache. Schon bald baut er gemeinsam mit seinem ältesten Sohn Gabriel (Heath Ledger, "10 Dinge, die ich an Dir hasse") eine schlagkräftige Miliz aus Freiwilligen auf, um gegen die Engländer vorzugehen.
Bestenfalls unklar bleibt, wofür Benjamin wirklich kämpft - als "Patriot" sicherlich für die Unabhängigkeit seiner Nation. Doch wesentlich offensichtlicher ist die vordergründige Absicht, den Tod seines Sohnes zu vergelten. Auch die Tatsache, dass er Colonel Tavington im Laufe des Films verspricht, ihn umzubringen, wirft Schatten auf Benjamins noble Geisteshaltung. Zu bedenken ist auch das plötzliche Über-Bord-Werfen seiner anfänglichen Ideale. Einfache Erklärung dafür: Er will Rache üben. Ob das sehr patriotisch ist? Insgesamt gilt: Gucken oder sein lassen. "Der Patriot" als Action-Film vor historischer Kulisse ist kein Muss. Zugute halten kann man dem Drama, dass man am Rande einen klitzekleinen Einblick in das Leben und Denken im 18. Jahrhundert gewinnt. Wer jedoch tiefergehende Informationen in die Historie der amerikanischen Revolution erwarten sollte, lernt in jedem Jugend-Lexikon mehr.
Ansonsten gibt es auch in „Der Patriot“ die Emmerich-typischen kleinen Witzigkeiten für zwischendurch. Ob das gut mit der Darstellung eines brutalen Krieges harmoniert, darf hinterfragt werden. Schließlich bleibt nach zahlreichen Mündung-gegen-Mündung-Gefechtsszenen, Beil-Attacken, dem einen oder anderen fliegenden Kopf und der Darstellung einer Massenverbrennung auch schon mal ein mulmiges Gefühl zurück, das durch die selbstgefälligen Lachnummern allerdings viel zu schnell verfliegt, wodurch die wertvolle Möglichkeit, den Zuschauer zumindest ansatzweise zum Nachdenken anzuregen, verschenkt wird. Die unterhaltsamen Passagen erleichtern es jedoch, die während der über zweieinhalbstündigen Laufzeit teilweise dahinsiechende Handlung besser zu ertragen. Vielleicht wäre es diesbezüglich von Vorteil gewesen, nicht nur auf die platzierten Witze, sondern auch auf Beiwerk wie einige Schilderungen aus dem Privatleben der Familie Martin zu verzichten. Wie schon in „Independence Day“ quält Emmerich seine Zuschauer mit allen erdenklichen Zwischenmenschlichkeiten, unglaubwürdige und schnell abgehandelte Romanzen führen zu nervenden und übertriebenen Betroffenheitsmomenten, auch die obligatorische Hochzeit darf in all ihrer Kitschigkeit nicht
fehlen. Nur einmal gelingt es tatsächlich, das Herz des Zuschauers ein bißchen zu rühren, ansonsten wäre man besser beraten gewesen, auf so manche familiäre Nebengeschichte zu verzichten. So hätte man kostbare Zeit gespart und eine Konzentration auf die eigentliche Handlung erreicht.
„Der Patriot“ hat nicht den Anspruch, mehr zu sein als ein Actionfilm, der zufällig während der amerikanischen Revolution spielt. Ob man ihm das zum Vorwurf machen kann, ist sicherlich diskutabel. Fest steht auf jeden Fall, daß Roland Emmerich ein weiteres Mal beweist, daß er zwar visuell zufriedenstellendes und glattes Popcorn-Kino inszenieren kann, er aber wohl niemals in der Lage sein wird, so etwas wie Tiefe in seine Werke zu bekommen.
Dann bliebe nur noch die Frage offen, ob der Film besser "Mel Gibson - Der Rachsüchtige" betitelt werden sollte.
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