Als eine FBI-Agentin verschwindet und nur ein wenig vertrauenswürdiger Mann mit besonderen Fähigkeiten "spürt", dass diese noch irgendwo am Leben sei, sehen sich die Verantwortlichen gezwungen, zu ungewöhnlichen Maßnahmen zu greifen. Die wieder als Ärztin praktizierende Dana Scully (Gillian Anderson) wird gebeten mit ihrem ehemaligen Partner Fox Mulder (David Duchovny) Kontakt aufzunehmen und um seine Mithilfe zu bitten. Nur widerwillig lässt sich Mulder zunächst dazu bewegen, findet dann jedoch zunehmend Interesse an den Visionen von Father Joseph (Billy Conolly), welche die Agenten schließlich zu grausamen Funden von menschlichen Körperteilen führen. Anscheinend entführt eine skrupellose Organisation gezielt Menschen für ihre mysteriösen Experimente.
Und dass die Inhaltsangabe hier bereits abbricht, hat noch nicht mal etwas mit rücksichtsvoller Erhaltung der Spannung zu tun. Nein, mehr steckt tatsächlich nicht dahinter. Eine Erkenntnis, die man lange Zeit kaum akzeptieren mag. Denn nicht nur jede halb so lange Fernsehfolge der erfolgreichsten Serien-Franchise der 90er Jahre bot doch fast immer ein wesentlich komplexeres Konstrukt. Und dies ist schließlich auch der große neue "Akte X"-Kinofilm, um den im Vorfeld ein Geheimnis gemacht wurde wie es sonst selbst bei absoluten Blockbuster-Produktionen nur selten der Fall ist. Pressevorführungen nur ganz kurz vor dem Start und selbst im Presseheft dann keinerlei Angaben über die Handlung.
Nun gut, aus Marketingsicht mag so ein Vorgehen ja sogar als clever zu bewerten sein, wirkte es doch zumindest ein wenig dem weit verbreiteten "Wer will das denn jetzt noch sehen"-Eindruck entgegen, der sich zunächst als natürlicher Reflex einstellte als deutlich wurde, dass es nun wirklich ernst würde mit einem zweiten Spielfilm. Zehn Jahre nach dem ersten und immerhin sechs nach dem Ende der Serie, welches zudem ein recht Unwürdiges war. Den Zeitpunkt für den rechtzeitigen Abschluss verpassend, molk man die einstige Goldkuh "Akte X" auch dann noch weiter, als selbst die beiden unverzichtbaren Hauptdarsteller sich schon Stück für Stück zurückgezogen hatten. Mit neuen Gesichtern und immer abstruseren Geschichten fand der ehemalige Straßenfeger schließlich nach neun Staffeln doch noch ein Ende. Das war mindestens zwei Jahre zu spät und das Ende zudem auch noch ein höchst unbefriedigendes (jedenfalls für die Wenigen, die da überhaupt noch zugesehen haben).
Aber trotzdem: Die "guten Jahre" der X-Files haben ihren Eindruck hinterlassen und bleiben bei Vielen unvergessen. Wenn man es also auch nur verschämt zugeben mochte, so stellte sich langsam bei dem Einen oder Anderen eben doch ein wenig Vorfreude ein. Auf ein Wiedersehen mit vertrauten Bekannten und vielleicht ein neues, aufregendes Abenteuer im Geist der besten alten Folgen. Doch das Ergebnis ist genauso ernüchternd wie enttäuschend. Denn hinter all dem PR-Getöse mit Sätzen wie "Wir wollen dem Zuschauer eine Heidenangst machen und schöpfen dabei die Möglichkeiten des modernen Kinos in Sachen Ausstattung, Größe und Effekte voll aus" verbirgt sich leider nicht mehr als eine überlange und wenig aufregende, allerhöchstens durchschnittliche TV-Episode. Die schöpft nicht nur die Möglichkeiten des Kinos überhaupt nicht aus, sondern gehört im Grunde nicht mal dort hin.
Wer sich schon im Vorfeld fragte, wie es Chris Carter denn überhaupt gelungen sei noch mal einen großen Kinofilm für sein Lieblingsbaby genehmigt zu bekommen, der muss jetzt erkennen, dass hier eben nichts "groß" ist und man von Seiten des Studios doch nur ein zurückhaltendes Budget zur Verfügung stellte. Im Bezug auf Action und Effekte kommt hier alles mindestens zwei Nummern kleiner daher als noch beim ersten Leinwandausflug und es scheint, als sei der Entschluss diesmal auf eine spektakuläre Aliengeschichte zu verzichten somit auch aus der Not geboren. Dabei macht es ja durchaus Sinn, eine möglichst für jeden zugängliche Story zu präsentieren, um ein breiteres Kinopublikum als nur eingefleischte Serienfans zu erreichen. Doch wirkt diese oft mehr wie eine notwendige Rahmenhandlung, während es hier hauptsächlich um die Charakterentwicklung der beiden Hauptfiguren geht - womit man alle, die deren Vorgeschichte nicht kennen, dann eben doch wieder außen vor lässt.
Zumindest in diesem Punkt erfüllt Carter aber sein Versprechen und führt die Beziehung Mulder/Scully tatsächlich ein Stück weiter. Die besten und einzig wirklich gelungenen Momente des Films ergeben sich aus dem Zusammenspiel der Beiden, aus ihren Dialogen und oft leicht selbstironischen und witzigen Kommentaren. Aber auch hier: Was wurde da angekündigt nach dem Motto "Mulder und Scully haben in der Zwischenzeit einiges durchgemacht". Wenn dem so war, so sieht und erfährt man davon allerdings nichts. Denn die Situation "sechs Jahre später" ist erstmal genauso unspektakulär wie einfallslos: Scully arbeitet wieder als Ärztin und Mulder hat sich noch tiefer in seinen Schreibtisch vergraben. Um diese nerdige Besessenheit zu verdeutlichen greift man dann zum offensichtlichsten aller Mittel und verpasst ihm halt einen ungepflegten Rauschebart, mit dem der gute David Duchovny dann das erste Filmdrittel über herumlaufen muss.
Im Anschluss bleibt Scully dann wieder skeptisch, während ihr Gegenstück natürlich nur allzu gern bereit ist, den seherischen Fähigkeiten des Father Joe zu vertrauen. Mit dieser zwielichtigen Figur samt dunkler Vergangenheit hat Bill Conolly den, außer den beiden Protagonisten, einzig interessanten Charakter abgegriffen, denn die beiden zusätzlichen, von Amanda Peet und Rapper Xzibit verkörperten Agenten bleiben genauso farblos wie überflüssig. Es ist fast zum Verzweifeln, denn nicht einmal der Bösewicht sprüht hier auch nur den Ansatz von Faszination aus und das ist angesichts der prächtigen Schurkengallerie aus Serienzeiten fast schon unverzeihlich.
Eine schlicht belanglose Geschichte ohne irgendeinen nennenswerten größeren Hintergrund bekommen wir hier serviert, die schon im TV-Format nicht wirklich überzeugt hätte. Ausgewalzt auf gefühlte zwei Stunden (tatsächlich ist der Film deutlich kürzer) ist das alles aber einfach nur unsäglich öde und schleppt sich zeitweise wie Blei dahin, wovon auch die zahlreichen hübschen Schneebilder der kanadischen Drehkulisse irgendwann nicht mehr ablenken können. Trotzdem ist die schön eingefangene düstere Atmosphäre noch einer der wenigen Pluspunkte des Films.
Aufgrund der offensichtlich geringen Produktionskosten und der effizienten Werbekampagne mag sich "Akte X - Jenseits der Wahrheit" am Ende sogar als profitables Projekt entpuppen. Aber es ist zu vermuten, dass es jede Menge von Vorfreude auf Enttäuschung wechselnde Gesichter geben wird, die das Gefühl beschleichen dürfte hier einer ganz gewaltigen Mogelpackung aufgesessen zu sein. Und die sich dann wohl wünschen werden, diesen Film lieber dort gesehen zu haben wo er definitiv hingehört. Nämlich als Videopremiere vor dem heimischen Fernseher.
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