Obwohl „The Sixth Sense“ bereits sein dritter Spielfilm war, ist M. Night Shyamalan - zumindest aus kommerzieller Perspektive - als der wohl aufsehenerregendste Regie-Newcomer der letzten Jahre anzusehen. Sein für Hollywood-Verhältnisse sehr subtiles Geisterdrama wurde mit nahezu einmütigem Wohlwollen aufgenommen und rangiert inzwischen auf Platz zehn der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Zwar weist Shyamalans neuestes Werk „Unbreakable“ zahlreiche Parallelen zu seinem Überraschungshit auf, was die grobe Thematik, Erzählweise und Besetzung angeht, anstelle einer vergleichbar einhelligen Begeisterung sind hier allerdings weitaus zwiespältigere Reaktionen zu erwarten.
Auch bei "Unbreakable" hat ein Charakter wieder eine ganz besondere Fähigkeit: Nachdem der Sicherheitsmann David Dunn als einziger Überlebender und noch dazu vollkommen unversehrt ein schweres Zugunglück übersteht, wird er von einem ihm unbekannten Mann namens Elijah Price kontaktiert. Der mysteriös wirkende Besitzer einer Galerie für Comic-Kunst leidet an einer seltenen Krankheit, die seine Knochen so zerbrechlich wie Glas werden ließ. Price fordert den leicht irritierten Dunn auf, sich an eigene Gesundheitsprobleme oder Verletzungen zu erinnern, was dem Gefragten unerwartet schwer fällt. Schließlich wird Price konkreter: Könnte es sein, daß David Dunn einer von den ‚Unzerbrechlichen‘ ist, von denen die Comics seit Jahrzehnten erzählen?
Um hier mal Klartext zu reden: In „Unbreakable“ geht es im wesentlichen darum, ob die von Bruce Willis dargestellte Hauptfigur möglicherweise ein Superheld ist, auch wenn gerade dieser Begriff im Film nur mit äußerster Vorsicht verwendet wird. Diese Zurückhaltung, mit der „Unbreakable“ offenbar auch vermarktet wird, läßt sich einerseits als Hinweis auf die ungewöhnlich hohe Ernsthaftigkeit ansehen, mit der der Film seinen Plot entwickelt, andererseits deutet sie jedoch auf ein sich abzeichnendes Dilemma bezüglich der Publikumsreaktionen hin. Diejenigen Zuschauer nämlich, die Superhelden-Comics und deren Verfilmungen prinzipiell als Kinderkram ansehen, könnten an der Thematik, mit der sie hier weitgehend unvorbereitet konfrontiert werden, schwer zu schlucken haben und dem Film mit leichtem Unverständnis begegnen oder ihn einfach als abstrus und lächerlich abtun.
Allerdings macht „Unbreakable“ schon durch seine eher besinnliche Erzählweise deutlich, daß es hier wohl keine fliegenden Männer in bunten Spandex-Kostümen zu sehen geben wird. Shyamalan setzt, wie schon in „The Sixth Sense“, von Anfang an auf eine ruhige, etwas bedrückende Atmosphäre, die den Einbruch des Übernatürlichen in das Alltagsleben der Protagonisten weniger unwahrscheinlich erscheinen läßt. Auf spektakuläre Action oder die Sinne betäubende Spezialeffekte verzichtet der Film ebenfalls, stattdessen dominieren zum Teil ungewöhnlich lange Einstellungen, in denen der mit seiner wahren Bestimmung hadernde Bruce Willis - der ja ironischerweise eine Zeitlang tatsächlich auf die Rolle des unkaputtbaren Weltenretters abonniert zu sein schien - auch hier wieder seine verletzliche Seite zum Vorschein bringen darf.
„Unbreakable“ gibt sich große Mühe, die Verwirrung seiner Hauptfigur und ihrer Familie ausführlich und nachvollziehbar darzustellen, der Film steht sich durch seine ehrenwerte Absicht, auch und gerade als ernsthaftes Drama überzeugen zu wollen, jedoch selbst etwas im Weg. Der Teil des Publikums nämlich, der mit der Idee des eventuellen Superheldentums keine grundsätzlichen Probleme hat, dürfte sich mit David Dunns Status wesentlich früher abgefunden haben als er selbst, so daß dem Mittelteil des Films ein etwas höheres Tempo ganz gut getan hätte. In einem direkten Vergleich mit „The Sixth Sense“, der sich aufgrund der hohen Anzahl an Gemeinsamkeiten beider Filme regelrecht aufdrängt, muß man „Unbreakable“ zudem trotz aller Ambitionen die deutlich geringere emotionale Wirkungskraft bescheinigen.
Bei aller bisher geäußerten Kritik soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß Shyamalans Absicht, einen möglichen Superhelden glaubhaft in der uns bekannten Alltagswelt zu plazieren, große Beachtung verdient, schon allein weil diese Idee bislang wohl in keinem Film derart konsequent und ehrgeizig umgesetzt wurde. Während in Graphic Novels wie Alan Moores epochalem „Watchmen“-Epos vergleichbare ‚Was wäre wenn‘-Szenarien bereits auf sehr hohem künstlerischen Niveau durchgespielt worden sind, erlagen die meisten Verfilmungen mit Superhelden-Thematik der Versuchung, übermenschliche Kräfte mit möglichst farbenfrohen Effekten umzusetzen, ein Ansatz, von dem „Unbreakable“ denkbar weit entfernt ist.
Noch interessanter erscheint der Film, wenn man bislang noch nicht offiziell bestätigten Gerüchten Glauben schenkt, die ihn als ersten Teil einer geplanten Trilogie darstellen. Aus dieser Perspektive würde auch das für viele Zuschauer vermutlich unbefriedigende, relativ offen gehaltene Ende gelungener und passender erscheinen, dem hier - eine weitere Parallele zu „The Sixth Sense“ - ein letzter Plot-Twist vorausgeht, der das bislang Gesehene wiederum in ein etwas anderes Licht setzt, ohne daß durch diese neue Erkenntnis aber ein derart drastischer Umkrempelungseffekt wie beim Vorgänger angestrebt würde. „Unbreakable“ wirkt manchmal ein wenig so, als habe man z. B. die kurze „X-Men“-Episode, in der die von Anna Paquin gespielte Rogue zum ersten mal mit ihren Fähigkeiten konfrontiert wird, auf Spielfilmlänge ausgearbeitet. Oder halt wie die erste Ausgabe einer Comicheft-Reihe.
Eine eindeutige Beurteilung dieses Films, über den man noch viele Worte verlieren könnte, fällt schwer. „Unbreakable“ beeindruckt als sehr interessantes, ernstes und ambitioniert-wagemutiges Werk, das für sich allein genommen aber nur teilweise gelungen wirkt und sich vielleicht doch etwas zu viel vorgenommen hat, zumal es dem selbstverschuldeten Vergleich mit Shyamalans vorherigem Welterfolg nicht standhalten kann. So wie seine Figuren ihre für sie bestimmte Position in der Welt aber erst im Laufe der Handlung herausfinden, könnte sich auch der wahre Wert dieses Films möglicherweise erst angesichts eventueller Sequels erschließen. Auch wenn zu befürchten steht, daß „Unbreakable“ bei Teilen des Publikums zunächst mehr Enttäuschung als Begeisterung auslösen wird: Der Gedanke, daß Herr Shyamalan mit dieser Geschichte noch lange nicht fertig sei, erscheint gar nicht mal unangenehm.
Originaltitel
Unbreakable
Land
Jahr
2000
Laufzeit
107 min
Regie
Release Date
Bewertung