Es ist nicht einfach, eine Geschichte über Freundschaft so
zu erzählen, dass sie glaubwürdig und ohne Pathos daherkommt.
Wenn dann dazu noch Themen wie Erwachsenwerden, Liebe, Familie und
Tod dazukommen, gerät die Erzählung leicht in die Gefahr,
sich zu übernehmen.
Genau das passiert auch der Coming-of-Age-Geschichte "December
Boys": Der Film strotzt nur so vor Bemühen, all diese
Themen unter einen Hut zu bringen, und scheitert daran grandios.
Dazu kommt eine Metaphorik, die den Zuschauer
anspringt und sich im Gesicht festkrallt. Ein schwarzer Hengst,
der immer wieder unvermittelt auftaucht und wohl die Freiheit darstellt,
ein alter Mann, der sein Leben lang vergebens nach dem einen großen
Fisch angelt. Die Geschichte um vier australische Waisenjungen lässt
einfach kein Klischee aus.
Den vier Freunden, die in einem katholischen Waisenhaus im australischen
Outback aufwachsen, steht ein abwechslungsarmes Leben bevor. Dank
einer Spende werden sie für einige Wochen zu einer Gastfamilie
ans Meer geschickt, und die Jungs freuen sich über die Verlockung,
die ein Sommer am Meer für sie mit sich bringt. Dort werden
die Jungs, deren Freundschaft mehrfach durch gemeinsames Brüllen
des Namens "December Boys" und gegenseitiges Necken beteuert
wird, auf mehrere Proben gestellt. Das muss der Zuschauer glücklicherweise
nicht selbst herausfinden, wozu schließlich gibt es spätestens
seit "Wunderbare Jahre" die nostalgische Stimme des alten
Mannes aus dem Off? So wissen wir jederzeit, was zwischen Maps,
Misty, Spit und Spark vorgeht. Überraschender Weise bietet
der Sommer neben den Entdeckungen, die Strand, Meer und Erwachsene
so zu bieten haben, noch die ultimative Herausforderung: ein nettes
junges Ehepaar mit einem coolen Vater mit Motorrad und Lederjacke
sowie einer wunderschönen Mutter, die nicht nur nackt dem Meer
entsteigt (neben
dem schwarzen Hengst, versteht sich), sondern auch noch mit französischem
Akzent spricht. Und wie es der Zufall will, kann dieses Traum-Elternpaar
jedes Waisenjungen selbst keine Kinder bekommen! Unvergesslicher
Kinomoment, der einminütige Dialog, in dem das Paar eins und
eins zusammen zählt: "...Warum adoptieren wir nicht einfach
einen der Jungs?"
Und Maps ("Harry Potter" Daniel Radcliffe) der Älteste
von den Vieren, entdeckt im Gegensatz zu seinen Freunden nicht nur
die Frauen, die heimlich unter der Dusche beobachtet werden, sondern
verliebt sich in eine leibhaftige Versuchung, die blonde Lucy (Teresa
Palmer), dargestellt als laszive Lolitafantasie. Doch die erste
Liebe bietet statt Erlösung nur eine Enttäuschung und
Maps wendet sich der Religion zu (in einigen Szenen immerhin als
Erscheinung persifliert).
Es ist tatsächlich nicht so einfach, Freundschaft im Film darzustellen. da helfen auch die pompösen Landschaftsaufnahmen wenig, die willkürlich eingestreut werden, um die neu gewonnene Freiheit und die unbändige Lebensfreude der Jungs darzustellen. Immerhin ist die Ausstattung sehr detailgetreu und so erhält der nostalgische Anstrich wenigstens eine glaubwürdige Lackschicht. Am Ende geht es dann gar um Leben und Tod, als die Freundschaft auf der Kippe steht und die Geschichte auf den Klimax, die Entscheidung, wer von den Vieren adoptiert wird, hinsteuert. Da siegt die Freundschaft dann über alles, wer hätte es ahnen können?
Michael Noonans Romanvorlage, erstmals 1963 erschienen (auf Deutsch 2007) zählt in Australien zu den meistgelesenen Jugendromanen. Dem wird der Film leider nicht gerecht. Für "December Boys" gilt in jedem Fall: zuviel auf einmal gewollt und wenig erreicht. Über Freundschaft lernt man sogar zwischen Hogwarts' Mauern noch mehr als hier und die Klischees und kitschigen Metaphern reichen für mindestens zwei Sonntagabende im Pilcherland. Schade, dass Daniel Radcliffe seine ersten großen Leinwandschritte neben Harry Potter an diesen Film verschwendet hat, der zweifelsohne durch ihn einen enormen Zuschauerzulauf bekommen wird.
Neuen Kommentar hinzufügen