45 Minuten Schweigen. Kein gesprochenes Wort. Und das auf einer großen Kinoleinwand. "Dolphins" nennt sich dieser ungewöhnliche Film, der mit zwei Vorfilmen auf Abendformat aufgepäppelt wird. "Liebe braucht keine Worte", so der Slogan von Regisseur und Drehbuchautor Farhad Yawari. Und da hat er offensichtlich recht. In seinem Erstling geht es um das junge Mädchen Lara, die in einer psychiatrischen Anstalt lebt. Nur durch ihre Vorstellungskraft gelingt es ihr, aus diesem Leben zu entfliehen. Dann schwimmt sie frei und glücklich mit Delphinen in türkisfarbenem Wasser. Und der verliebte Krankenpfleger träumt mit.
Allein mit Instrumental-Musik und Soundeffekten sind die Bilder untermalt. Es gibt weder gewitzte Dialoge noch übertriebene Action. Die Schauspieler werden zu Pantomimen, sie sprechen mit den Augen, ihren Gesten, ihrer Mimik, ihrer Körperhaltung. Und das alles, ohne gezwungen oder lächerlich zu wirken. Im Gegenteil: Nach einigen Minuten wirkt der Film so, als sei er die Essenz des Kinos schlechthin. Auf das Wesentliche reduziert und dennoch faszinierend. Im Grunde ist der Film so, wie ihn der kleine Goldfisch auf Laras Nachttisch sehen würde: Etwas verzerrt, langsam und still.
Filmreif wäre eigentlich auch die Vorgeschichte zu "Dolphins". Der 25-jährige Exil-Iraner und Wahl-Münchner Farhad Yawari war eigentlich Schüler auf der Münchner Filmhochschule. Eine der ersten Aufgaben ist dort die Kameraübung. Ohne Dialoge sollen die Regie-Studenten einen Erstling drehen und sich auf die verschiedenen Filmtechniken konzentrieren. Yawari schrieb also ein Drehbuch. Und das hatte sich gewaschen: Kostspielige Unterwasserszenen, aufwendige Effekte und eine gesamte psychiatrische Anstalt hatte er eingeplant. Die Lehrer erklärten ihn für verrückt. Also verließ er die Schule.
Yawari machte sich auf die Suche nach Sponsoren: Insgesamt 4.5 Millionen Mark konnte er auftreiben, ohne Fördermittel. Nachdem seine Geschichte im Jugendmagazin "Jetzt" der Süddeutschen Zeitung erzählt wurde, schickten ihm angeblich sogar Omas zehn Mark für die Verwirklichung seines Projektes. Vor allem wurden aber Sachleistungen von Kopierwerken und Post-Production-Firmen geboten und Gagen zurückgestellt. Die Endsumme ermöglichte ihm, seinen Traum auszuleben. Er engagierte Julia Brendler, Marco Hofschneider und Pierre Sanoussi-Bliss als Schauspieler. Er drehte auf den Bahamas mit zahmen, aber frei lebenden Delphinen und ließ den Dreharbeiten eine aufwendige Nachbearbeitung folgen.
Aber der amerikanische Traum war noch nicht vorbei: Für den Soundtrack konnte Yawari Xavier Naidoo als Komponist des Titelsongs gewinnen. Fünf Preise heimste "Dolphins" auf Festivals ein, unter anderem den Publikumspreis für den besten Spielfilm beim großen "Sundance Film Festival" von Robert Redford. Amerikanische Pressestimmen verglichen Yawari schon mit Bertolucci, Luc Besson und Spielberg. Und damit aus Yawari wirklich ein Star wird, hat er bei ICM (Jodie Foster, Mel Gibson) einen Vertrag für seine weitere Karriere unterschrieben. Vielleicht dürfen die Schauspieler in seinem nächsten Film sogar sprechen.
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