Wie bei einer Vielzahl klassischer SciFi-Geschichten steht auch bei „Titan A.E.“, dem zweiten Projekt der Animationsabteilung von 20th Century Fox, am Anfang das Ende. Das Ende der Erde nämlich. Man schreibt das Jahr 3028 a.D., als die außerirdische Rasse der Drej kurzen Prozess macht und die Erde mit einem kräftigen Rumms in interstellaren Gesteinsmüll verwandelt. Der Grund: Angst. Das so eben verwirklichte Titan-Projekt hatte den Drej die enormen Fähigkeiten der Menschheit vor Augen geführt, und sowas kann man als Spezies mit Herrschaftsanspruch nicht dulden.
Was genau dieses Titan-Projekt eigentlich ist, bleibt allerdings noch eine Zeit lang im Unklaren. Fest steht nur: Von ihm hängt das Schicksal der Menschheit ab. Das jedenfalls bekommt der junge Cale zu hören, als er im Jahre 15 A.E. („After Earth“), wie der kümmerliche Rest überlebender Menschen auf einer lausigen Raumstation dahin vegetierend, von dem Weltraum-Cowboy Korso aufgelesen wird. Der eröffnet ihm kurz und knapp, daß der Ring, den er als Junge von seinem Vater (der ein großer Fisch beim Titan-Projekt war) geschenkt bekam, eine Karte enthält, die zur „Titan“ führen wird, ein Schiff, mit dem die Menschheit vor der sicheren Auslöschung durch die Drej bewahrt werden kann. Nach dem üblichen Intermezzo der Widerspenstigkeit macht sich Cale mit Korso und seiner schmucken Co-Pilotin Akima auf die Suche nach der sagenumwobenen „Titan“, die Drej immer auf ihren Fersen.
„Titan A.E.“ ist ein ziemlich ambitioniertes Projekt, auch wenn die eher simpel gehaltene Grundstruktur der Geschichte nicht gerade dafür spricht. Der Clou ist ganz einfach dieser: Wir haben es hier augenscheinlich mit einem Animationsfilm zu tun, der sich ganz klar nicht an ein kindliches Publikum richtet. Ergo: Ein ziemlich teurer Trickfilm, der ein großes erwachsenes Publikum braucht. Ob das gelingt? In den USA tat es das nicht: „Titan A.E.“ dümpelt bei einem Einspielergebnis um die 30 Millionen Dollar rum und gilt als der erste große Flop des Kinosommers, woraufhin die Fox gleich die gesamte Animationsabteilung schloss und Don Bluth vor die Tür setzte. Allerdings liegt das nicht an der Qualität des Films:
Was er erreichen will ist, eine spannende, epische SciFi-Geschichte mit den vielfältigen visuellen Möglichkeiten des Animationsfilms zu erzählen, und das erreicht er ganz gut. Natürlich sind Zerstörung der Erde, Rettung der Menschheit durch einen einsamen Helden und gnadenlos eindimensionale Außerirdische nicht gerade Zeichen großen Einfallsreichtums. Allerdings konnte man bei so einem riskanten Projekt wie diesem auch nicht verlangen, daß sich die Macher sogar noch in Plot-Belangen weit aus dem Fenster hängen. Die Handlung überrascht wenig bis gar nicht, erzählt aber ansonsten eine stabile und durchaus zufriedenstellende SciFi-Geschichte.
Viel mehr Wert und Gewicht wurde auf die visuelle Gestaltung gelegt, und vor allem in dieser Hinsicht hat „Titan A.E.“ einige interessante Aspekte zu bieten. Besonders auffällig ist dabei der Versuch, 3D-Computeranimationen und 2D-Handzeichnungen mit einander zu vermischen: Während Weltraumphänomene, Raumschiffe usw. größtenteils aus dem Rechner kommen, wurden die Figuren konsequent von Menschenhand gezeichnet. Der Effekt, den man damit erreichen wollte, ist mehr Menschlichkeit. Regisseur Don Bluth, der seit vielen Jahren für so ziemlich alle erfolgreichen Nicht-Disney-Animationsprojekte zuständig ist („Feivel, der Mauswanderer“, „In einem Land vor unserer Zeit“), empfindet Figuren aus dem Computer immer als ein bißchen unecht und steril. 2D-Animationen geben das Gefühl, daß Menschen bei der Herstellung beteiligt waren.
Schön und gut und durchaus heere Absichten, nur leider kehrt sich der erwünschte Effekt eher ins Gegenteil um: Die Vermischung der Techniken, die mehr Nähe zum Zuschauer herstellen soll, führt in manchen Szenen zu einem Gefühl der Verwirrung und verhindert gerade dadurch ein Eintauchen in die Welt des Films. Wenn 2D-Cale und Konsorten auf 3D-Raumflitzern sitzen, durch 3D-Raumschiffe laufen oder zwischen 3D-Objekten umher spazieren, sieht das aufgrund der doch wenig außergewöhnlichen Animation der menschlichen Figuren ein bißchen so aus, als hätte sich Disney’s Schneewittchen in die Stampede aus „Der König der Löwen“ verirrt. Ein bißchen mehr Mühe hätte man sich bei den Zeichnungen schon geben können. So sind gerade die Hauptcharaktere der große visuelle Schwachpunkt, und das ist eigentlich eine Todsünde. Da die Lippensynchronität sowieso nicht stimmt, macht es denn auch keinen großen Unterschied mehr, ob man „Titan A.E.“ im Original sieht oder auf deutsch.
Ansonsten jedoch ist der Film gerade was die Bilderflut betrifft eine bemerkenswerte Arbeit. Zwei besonders beeindruckende Sequenzen bleiben im Gedächtnis: Eine wilde Verfolgungsjagd durch einen Wald von Wasserstoffbäumen (die hübsch explodieren, wenn man sie anfährt), und ein packendes Versteckspiel in einer interstellaren Eiskristallwüste: Endlose Spiegelflächen verwirren Charaktere und Zuschauer gleichermaßen.
Insgesamt wäre es wohl besser gewesen, den Film konsequent im Computer herzustellen. So hätte man unnötige Schwachpunkte vermieden und tatsächlich jenes Spektakel bekommen, daß man erreichen wollte, und welches als Realfilm nach wie vor unmöglich ist.
Als SciFi-Film durchaus okay, wenn auch nicht außergewöhnlich (Anleihen bei Star Trek II, VII und VIII wirken eher unangebracht denn amüsant), ist „Titan A.E.“ als Animations-Experiment auf jeden Fall gelungen. Die Anbiederung an ein „hippes“ Publikum durch einen sehr rocklastigen Soundtrack stört allerdings ein wenig die epische Space-Optik. Musste nicht sein.
Den Mut zu diesem Film muß man loben, auch wenn es letztendlich nicht verwundern kann, warum er in den USA kein sehr großes Publikum fand, und es hierzulande wohl auch nicht leichter haben wird: Schlußendlich ist „Titan A.E.“ ein doppeltes Spartenprojekt, und die Schnittmenge von SciFi-Fans und Animationsfreunden ist wohl nicht die Größte.
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