Während sein Bruder Ridley eher für die künstlerische Seite des Mediums zuständig ist, steht Tony Scott wie kaum ein anderer Regisseur in Hollywood für kurzweilige High-Speed-Action. Das funktioniert entweder richtig gut, wie z.B. in "True Romance", "Top Gun" oder mit Abstrichen auch in "Der Staatsfeind Nr. 1", geht aber auch mal so richtig daneben, siehe "Mann unter Feuer" oder erst kürzlich mit dem sowohl inhaltlich als auch stilistisch völlig misslungenen "Domino". Eben jener Film gab schließlich begründeten Anlass zur Vermutung, dass Scott seinen Zenit als Filmemacher endgültig überschritten hat. Mit wilden Kamerafahrten und Schnitten im Sekundentakt führte er seinen Hochgeschwindigkeits-Stil an den Rand des Erträglichen. Eingefleischte Fans fanden das vielleicht konsequent, für alle anderen markierte dieser Film letztlich jedoch den Tiefpunkt von Scotts künstlerischem Schaffen.
Gelegenheit zur Wiedergutmachung bietet ihm nun also "Déjà Vu", eine Mischung aus Action- und Mystery-Thriller, angehaucht mit einer Prise Science-Fiction. Gibt die Beteiligung von Hollywoods Action-Papst Jerry Bruckheimer nicht unbedingt Anlass zur Hoffnung auf ein gelungenes Comeback, tut dies schon eher die Verpflichtung des exzellenten Denzel Washington als Hauptdarsteller, der mit Scott bereits "Mann unter Feuer" und den hervorragenden U-Boot-Thriller "Crimson Tide" drehte. Washington gibt hier den ATF-Agent Doug Carlin, der mit der Untersuchung eines Anschlags auf eine Fähre in New Orleans mit mehreren hundert Toten betraut wird. Bei seinen Untersuchungen stößt er auf einige Ungereimtheiten, insbesondere in Bezug auf eine vermeintlich bei dem Unglück ums Leben gekommene Frau namens Claire Kuchever (Paula Patton), die sich bald als Schlüssel zur Aufklärung des Falls herausstellt. Welche Hilfsmittel Carlin dabei allerdings zur Verfügung stehen, hätte weder er (noch das Publikum) sich wohl jemals erträumen lassen….
"Déjà Vu" ist französisch und heißt wörtlich übersetzt "schon gesehen". Im täglichen Sprachgebrauch bezeichnet man damit das Gefühl, eine bestimmte Situation so oder so ähnlich schon einmal erlebt zu haben. Eben jenes Gefühl ereilt Special Agent Carlin bei seinen Nachforschungen bezüglich des erschreckenden Fährunglücks immer wieder. "Déjà Vu" baut in seiner ersten halben Stunde ein interessantes Puzzle aus zahlreichen Hinweisen, sowohl auditiver als auch visueller Art, auf, die es im Laufe des Films schließlich zu entschlüsseln gilt.
Eben jener Aufbau des Rätsels gehört zur absolut größten Stärke des Films, dem es von Beginn an gelingt, eine spannende, knisternde Atmosphäre zu schaffen, die den Zuschauer absolut zu fesseln vermag. Nun ist es leider eine Sache, ein gutes Rätsel aufzugeben, es genauso faszinierend aufzulösen aber nun mal eine völlig andere. Nach der starken Einführung kommt es inhaltlich schließlich zum entscheidenden Bruch im Film, als Carlin mit den FBI-Agenten McCready (Bruce Greenwood) und Pryzwarra (Val Kilmer) zusammentrifft und sie ihm eine Technologie vorstellen, die ihm bei seiner Aufklärung sehr wertvolle Dienste leisten soll.
Da es einem massiven Spoiler gleichkommen würde, Details über dieses Gerät zu verraten, wollen wir das auch tunlichst vermeiden (auch wenn zu vermuten ist, dass zahlreiche andere Kritiker nicht werden widerstehen können, diese entscheidenden Einzelheiten zu verraten - darum auch ein ausdrückliches Lob an den Verleih, der es geschafft hat, einen Trailer zu veröffentlichen, der absolut nichts Entscheidendes enthüllt). Darum nur soviel: Von diesem Punkt an begibt sich "Déjà Vu" in die Gefilde des Mystery/Science-Fiction-Genres, und inwieweit der Film im Folgenden noch funktioniert, hängt im Wesentlichen davon ab, ob der einzelne Zuschauer bereit ist, sich auf die Geschichte einzulassen und die reichlich abstruse "Technologie" als gegeben zu akzeptieren - denn wenn man das nicht tut, löst sich die Story sofort in Luft auf. Kinogänger, die physikalischem Hokuspokus eher abgeneigt gegenüber stehen, sollten Tony Scotts neuesten Film daher eher meiden.
Doch auch auf alle anderen - und das ist die wirkliche, eigentliche schlechte Nachricht - wartet am Ende leider keine Belohnung, sondern vielmehr zahlreiche Ungereimtheiten.
Die Qualität eines Science-Fiction-Szenarios steht und fällt mit einer in sich geschlossenen Logik. So unrealistisch und weit hergeholt eine Technologie oder eine Zukunftsvorstellung auch sein mag, so lange diese in sich selbst schlüssig bleibt, ist es dem Zuseher absolut möglich eine Geschichte engagiert und vor allem fasziniert zu verfolgen.
Leider versagt "Déjà Vu" in diesem Punkt schließlich auf ganzer Linie. Innerhalb des von ihm selbst erschaffenen Szenarios gibt es derart viele Löcher, dass es dem geneigten Zuschauer nahezu unmöglich gemacht wird, sich ernsthaft auf das Gezeigte einzulassen. Der Film gipfelt gegen Ende in einem ärgerlichen, völlig einfallslosen Showdown, der das zuvor mühsam aufgebaute Logik-Gebilde schließlich wie ein Orkan hinwegfegt und den Zuschauer mit einem ungläubigen Kopfschütteln zurücklässt. Dass man sämtliche Glaubwürdigkeit zugunsten spektakulärer Actionsequenzen schnell über Bord wirft ist ja nichts Neues, doch wie leichtfertig hier die grundsätzliche Brillanz der Gesamtkonstruktion einem konventionell-gefälligen Schluss geopfert wird, ist wirklich enttäuschend.
Scott selbst hält sich nach seinem stilistischen Mega-Flop "Domino" diesmal angenehmerweise deutlich zurück. Lediglich in einigen Action- und Überwachungssequenzen tobt er sich gelegentliche Male mit seinen rasanten Schnitten und Kameraschwenks aus. Häufig kopiert er hier seinen eigenen Stil aus "Der Staatsfeind Nr. 1", was angesichts der Thematik aber auch nahe liegt. Ob man Scotts Art der Inszenierung nun mag oder nicht, sie hat in diesem Fall eher wenig mit dem Scheitern des Films zu tun. Selbiges gilt für die darstellerischen Leistungen. Washington könnte den coolen Special-Agent Doug Carlin wohl auch noch im Halbschlaf spielen, Jim Caviezel ("Der schmale Grat", "Die Passion Christi") gibt einen überzeugenden Bösewicht und besonders Newcomerin Paula Patton überrascht hier mit einer durchaus ansprechenden Leistung.
Was bleibt ist eine starke erste halbe Stunde, der der Rest des Films und besonders die fade Auflösung leider nicht im Geringsten folgen können. Die solide Action und letztendlich auch das Mitwirken von Denzel Washington bewahren den Film dann aber schließlich doch noch vor dem endgültigen Absturz. "Déjà Vu" reiht sich nahtlos in die lange Liste jener Filme ein, die gekonnt eine faszinierende Prämisse aufbauen, bei der Auflösung aber kläglich den Mut verlieren. Eben das hat man als Zuschauer aber viel zu häufig "schon gesehen", so dass man auf dieses eigene Déjà Vu gut verzichten kann.
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