Reine Chefsache

Originaltitel
In good company
Land
Jahr
2004
Laufzeit
109 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Anna Sola / 17. Januar 2011

Mittlerweile eher die Ausnahme in Mainstream-Hollywood: ein ruhiger Film über den amerikanischen Jedermann, ohne Spezialeffekte und CGI. Nach den großen Erfolgen von "American Pie" und "About a Boy" widmet sich Paul Weitz diesmal ohne seinen Bruder Chris den ganz normalen Problemen der Mittelschicht am Beispiel des Werbe-Vertreters Dan Foreman. Das Schicksal des "Handlungsreisenden" gehört zu den ur-amerikanischen Stoffen, behandelt unter anderem von Arthur Miller ("Tod eines Handlungsreisenden") und David Mamet ("Glengarry Glen Ross", beide Dramen sind auch eindrucksvoll verfilmt worden).
Mit Anfang 50 gehört Dan Foreman in seinem Job schon zum alten Eisen. Zwar war er immer erfolgreich, aber als seine Firma durch ein hippes Start-Up aufgekauft wird, wird er degradiert und durch einen jungen Aufsteiger ohne jegliche Berufserfahrung ersetzt. Schlimmer noch, Carter Duryea (Topher Grace, "Mona Lisas Lächeln") ist gerade mal halb so alt wie er. Und hat es auf Dans Tochter Alex abgesehen....

Was zunächst eher lau erscheint, entpuppt sich bald als gelungene sozialkritische Komödie. In "Reine Chefsache" prallen zwei Welten aufeinander: Die ehrliche, hart arbeitende Generation, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt hat auf der einen Seite, und die durchgegelten Yuppie-Streber, die schon ganz oben sind bevor sie überhaupt verstanden haben, was für eine Job sie eigentlich machen sollen, auf der anderen. Dan Foreman ist wie James Stewarts George Bailey aus "Ist das Leben nicht schön?", ein aufrichtiger Familienvater der stets zuerst an andere denkt. Wenn er ein Geschäft abschließt, steht er mit seinem Gewissen dahinter, während Carter nur stupide Formeln befolgt, die ihm eingetrichtert worden sind.
Wundervoll ist zum Beispiel Carters erstes Meeting, in dem der von einem Starbucks-High zitternde Jungchef seinen Untergebenen die Worte seines Firmen-Gurus Teddy K herunterbetet. Wie das richtig geht, beweist später Gaststar Malcolm MacDowell in einer einmaligen Farce, in der das Meeting fast zum Sektentreffen wird. Zwar versteht keiner (Carter eingeschlossen), was mit Teddy Ks Schlagwort "Synergie" (auch der Arbeitstitel des Films) eigentlich gemeint ist, aber applaudiert wird natürlich trotzdem, denn dabei sein ist alles und rausfliegen will auch keiner. Der einzige, der Kritik wagt, ist Dan.

Weitz scheint uns sagen zu wollen, dass man für seine Werte einstehen muss, auch wenn man dann eventuell seine Familie nicht mehr ernähren kann. Old school sozusagen. Ob das in Zeiten von Medienmogulen wie Rupert Murdoch, Monopolisten á la Bill Gates und immer gigantischeren Firmenfusionen unbedingt realistisch ist, ist eine andere Frage, schließlich sind wir in Hollywood. Die Familie ist nämlich nicht nur der Mafia Kapital, sondern auch Dans, und darum beneidet der von seiner Frau verlassene Carter ihn so sehr, dass er sich sogar selbst zum Abendessen einlädt, um ein bisschen menschliche Wärme zu tanken. Weitz lässt es sich nicht nehmen, jeden möglichen Gag zum Thema Altersunterschied auszunutzen, aber das ist schon in Ordnung, denn er tut es mit viel Einfühlungsvermögen für eine Situation, die gleichermaßen unangenehm wie komisch ist.
Das schicksalhafte Familienessen verbessert zwar Dans Stellung in der Firma, jedoch hat er jetzt den Feind nicht nur in seinem alten Büro, sondern auch im Bett seiner Tochter Alex (souverän gespielt von Scarlett Johansson, "Lost in Translation", "Das Mädchen mit dem Perlenohring") zu befürchten. Die findet Carter nämlich süß, aber erfrischenderweise ist sie genug "daddy's girl" um sich eine stets leicht ironische Distanz zu bewahren. Ebenfalls erfrischend ist, dass die Romanze der beiden viel weniger Platz im Film einnimmt, als Plakat und Trailer einem vermitteln wollen. Aber da Scarlett im Moment das "It Girl" ist, ist das wohl nicht zu vermeiden.
Weitz lässt seinen Fokus jedoch auf der Beziehung zwischen Carter und Dan, der langsam zum Ersatzvater mutiert. Dennis Quaid hatte ja schon in "The Day after Tomorrow" gezeigt, dass man für seinen Sohn auch mal ein, zwei Opfer bringen muss. Im ernsteren Zusammenhang von Firmenübernahmen und Zwangentlassungen zeigt er jedoch erst sein wirkliches Potenzial. Hoffentlich wird Quaid in seinen nächsten Projekten den Charakterrollen treu bleiben, ansonsten wäre es ein echter Verlust.

Eine wirklich angenehme Überraschung bereitet Topher Grace, der seine Karriere in der TV-Serie "Die wilden 70er" begann. Den Serienstar merkt man ihm aber überhaupt nicht an, und es ist seine überzeugende Leistung als Gegenspieler von Quaid, die den Film ausmacht. Besonders die Wandlung vom überheblichen Aufsteiger zum Menschen, der wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird, spielt er glaubhaft und mit genug Charme, um das Ganze auch unterhaltsam zu machen. Zwar bedient sich Weitz einiger Klischees (Porschekauf, Laufband), aber das hilft ihm lediglich, die Figur schnell in seine Ecke zu verweisen.

"Reine Chefsache" ist ein gelungenes (sehr amerikanisches) Märchen über die Früchte harter Arbeit und die Bedeutung von Familie, das bis in die Nebenrollen extrem gut besetzt ist. Vielleicht nicht immer realistisch, aber von der harten Realität kann man ja nun jeden Tag genug am Arbeitsplatz haben.


1
1/10

Mir nicht nachvollziehbar ob der Streifen 2005 gefallen konnte. Heute (2007) kann ich mich nur wundern. Die Geschichte ist aus 2001nacht, die Charaktere ändern sich nicht, sondern widersprechen sich einfach und das auch noch unlogisch. Quaid mimt anfangs den drögen Spießer mit muffigem Gesicht, der nicht mal mitbekommt, dass er ein intaktes Zuhause hat. Das einzige was er draufhat ist ein Faustschlag. Das passt natürlich super zu einem eloquenten Verkäufer, der er sein soll. Sein unsäglich plakatives Geschwafel, von dem sich der Mogul abfertigen lässt, ist als Reaktion auf seinen Frust über die Liaison seiner Tochter gesetzt. Lächerlich. Als er seine langjährigen Kollegen (die er nicht mal duzt: soviel zum Klima)entlassen soll, hat er nur seinen drögen Ausdruck und: Es tut mir so unwahrscheinlich leid. Töchterchen, erlebt zuhause das perfekte lebenslange Eheglück ihrer Eltern. Oder doch nicht? Selbst als sie bei ihrem Traumtyp alles findet hat sie plötzlich Angst vor einer Bindung. Warum hat eigentlich ihre Schwester mitgespielt? Tophers Wandlung ist überhaupt nicht nachvollziehbar: "Niemand hat mir soviel gezeigt." Was? Ein Faustschlag und die dämliche Ansprache und der Junge ändert sein Leben? Am Schluss machen alle das, was sie wirklich wollen, anscheinend der Sinn, weil Quaid es verkünden durfte: Topher joggt telefonierend am Strand, Scarlett will wieder Jungfrau werden und Quaid schleppt seinen Gesichtsausdruck wieder auf den Chefsessel. Das ist eine wohlwollende Null. Sicher hab ich einiges schon vergessen, aber, Gott sei dank.

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