„Ich bin Spartacus.“ Fast vierzig Jahre ist es her, daß dieser Satz, x-fach wiederholt, den dramatischen Höhepunkt eines der größten Historienschinken aller Zeiten bildete. Vierzig Jahre, in denen das Genre der sogenannten Sandalenfilme langsam aus der Abteilung „Filmklassiker“ in die Abteilung „Filmgeschichte“ wanderte, ein sicheres Zeichen dafür, daß die Zeiten solcher Werke endgültig vorbei sind. Aber Mel Gibson’s „Braveheart“ hat gezeigt, daß auch im Kino von heute Platz ist für historische Prügeleien gigantischen Ausmaßes, und so hat sich Ridley Scott, flopgebeutelter Regisseur mit qualitativ unsteter Filmographie, daran gewagt, mehr als vier Jahrzehnte nach Ben Hur’s Konvertierung zum Christentum ein weiteres Epos aus dem alten Rom auf die Leinwand zu bringen.
Wir schreiben das Jahr 180 nach Christi Geburt. Der römische Kaiser Marcus Aurelius (Richard Harris) ist zugegen, als sein hochgeschätzter General Maximus (Russell Crowe) einen weiteren großen Sieg gegen germanische Barbaren erringt. Nicht zugegen ist dafür des Kaisers Sohnemann Commodus (Joaquin Phoenix), der zwar extrem machtbesessen, aber auch ein kleines bißchen feige ist. Der alternde Kaiser, sein nahendes Ende vor Augen, möchte Rom wieder zu altem Glanz zurückführen, das Reich wieder frei machen von Korruption und Eigennutz, kurz gesagt, das Kaisertum abschaffen. Seinen getreuen Maximus hat er ausgewählt, nach seinem Tode sozusagen kommissarisch den Caesaren-Posten zu übernehmen, bis der Senat soweit ist, die Staatsgeschäfte alleine zu lenken. Commodus ist nicht wenig entsetzt, als sein Vater ihm eröffnet, er würde nicht Kaiser werden, und wie das bei den alten Römern so üblich war, bringt Commodus seinen Vater kurzerhand um. Auch Maximus soll schnellstmöglich entsorgt werden, der tapfere Soldat kann seinem Exekutionskommando aber entkommen, jedoch nicht vermeiden, daß seine Familie auf grausamste Weise ausgetilgt wird. Statt dessen wird er von Sklavenhändlern eingesammelt und endet vorerst als Provinzgladiator. Doch der Wille zur Rache ist stark, und die kämpferischen Fähigkeiten auch nicht zu verachten, und so führen ein weiteres Mal alle Wege nach Rom.
Es ist so gut wie unmöglich, diesem Film nicht mit einer gewissen Erwartungshaltung zu begegnen, und „Gladiator“ erfüllt diese Erwartungen schon nach wenigen Minuten. Wenn das römische Heer unter Maximus in einem verschneiten Wald gegen die Barbaren in den Kampf zieht, dann versorgt uns Ridley Scott mit solch atemberaubenden Bildern, daß man das Wort „Schlachtengemälde“ gar nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Ein grandioser Panorama-Blick auf den Kampfplatz, mit hunderten durch die Luft sausenden Feuerpfeilen jeden Kalibers, ist das erste und imposanteste Motiv, daß sich unauslöschlich in die Erinnerung des Betrachters einbrennt, andere werden folgen. Bereits hier wird klar: In diesem Film wird geklotzt, nicht gekleckert. Und zwar gewaltig (und auch gewalttätig: wie nicht anders zu erwarten spritzt das Blut in rauhen Mengen, und die Folgen von Schwertstichen und –schlägen werden ausreichend dokumentiert).
Die Kampfarena, in der Maximus seine ersten Duelle auszufechten hat, ist schon ein recht beeindruckendes Bauwerk, aber jeder weiß, früher oder später geht es ins Kolosseum, und das ist eine ganz andere Kategorie. Wer schon einmal in der Ruine gestanden hat, die diese legendärste aller Arenen heute nur noch ist, der hat sich gefragt, wie das damals wohl aussah. „Gladiator“ liefert die Antwort. Imposant ist ein Wort, das für diesen Anblick ein wenig zu klein geraten ist. Rein visuell ist dies wirklich ganz großes Kino, für solche Filme wurde das Breitbildformat erfunden.
Aber wahrlich große Filme leben nicht nur von grandioser Optik, da braucht es noch ein bißchen mehr. Leider gehen die Zwischentöne von „Gladiator“ im Kampfgetümmel ein wenig unter. Der Film gibt sich alle Mühe, den historischen Konflikt zwischen Imperium und Republik zu thematisieren, Seitenhiebe auf die Dekadenz des römischen Volkes zu verteilen, oder eine Botschaft á là „Saving Private Ryan“ loszuwerden (Niemand sollte für eine Sache sterben müssen, für die es sich nicht zu sterben lohnt), aber irgendwie will das alles nicht so recht funktionieren. Dies führt dann leider auch dazu, daß der Film in seinem letzten Drittel einige signifikante Längen aufweist, die einzig dazu führen, daß man sich zusehends fragt, wie das alles jetzt noch in einem Ende epischer Breite gipfeln soll. Es ist ein bißchen merkwürdig, aber „Gladiator“ fängt genau an dem Punkt an, inhaltlich stark nachzulassen, an dem es eigentlich erst so richtig losgehen sollte.
Absolut unschuldig ist daran auf jeden Fall Russell Crowe. Gerade erst für den Oscar nominiert (bester Darsteller in „The Insider“) liefert der Bursche hier etwas ab, was man getrost als „Nach dieser Rolle bin ich ein Weltstar“-Vorstellung einsortieren kann. Crowe bringt soviel Charisma auf die Leinwand, verkörpert die römischen Tugenden Ehre, Moral und Kampfeswille so überzeugend, daß man ihm allein für seinen zentralen Racheschwur einen Altar bauen müsste. Das ist jenseits von cool, das ist einer dieser Momente, wo man sich wünscht, daß man besser zugehört hätte, weil man diesen Spruch ewig zitieren möchte.
Für die anderen Darsteller bleibt da nicht mehr viel Rampenlicht übrig, allerdings hat sich Joaquin Phoenix zumindest eine lobende Erwähnung verdient, der schon eine recht ordentliche Vorstellung als gebeutelter Commodus abliefert, dessen eigene Ambitionen sich so gar nicht mit den eigenen Fähigkeiten decken. Und dann wäre da noch Oliver Reed, der als Sklavenhalter Proximo seine letzte Rolle spielte: Nach über 100 Filmen in 40 Jahren Schauspielkunst starb Reed kurz vor Ende der Dreharbeiten im Mai 1999.
„Gladiator“ ist dazu verdammt, ein Riesenhit zu werden. Ich bin recht zuversichtlich, daß ihm das gelingen wird. Es gab sehr lange keinen Film mehr wie diesen, und mit einem Helden, der so viel Ausstrahlung aufweist wie Russell Crowe als Maximus, sollte es der Streifen schaffen, das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Großes und opulentes Schlachten-Kino mit haufenweise Pathos und gestandenen Helden voller Ehre und Moral, das erwartet man von „Gladiator“, und das ist genau das, was man bekommt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
P.S.: „Gladiator“ hält sich an die historischen Fakten dahingehend, was die kaiserlichen Familienverhältnisse sowie den Ort und Zeitpunkt des Todes Marcus Aurelius‘ betrifft. Das Ende hingegen hält sich nicht mehr an die Realität, ein Blick ins Geschichtsbuch gewährleistet also keinen Spoiler.
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