2001 war bisher ein Jahr der Enttäuschungen. Fast im Monatsrhythmus kamen große, aufwendige Verfilmungen bekannter Themen in die Kinos und keine Adaption konnte künstlerisch den hochgesteckten Erwartungen standhalten: Weder die fragwürdige Geschichtsstunde "Pearl Harbor" noch die überflüssige Neufassung von "Planet der Affen" und schon gar nicht die uninspirierte Videospielumsetzung "Tomb Raider". Als zuletzt auch der mediale Überflieger "Harry Potter" fürs Kino glatt gebügelt wurde, blieb als letzte Hoffnung ausgerechnet das von vornherein umstrittenste Projekt: Die auf drei Teile angelegte Verfilmung der fast schon andächtig verehrten "Mutter" aller Fantasy-Romane - J.R.R. Tolkiens "Der Herr der Ringe". Und dem Enthusiasmus und der Durchsetzungskraft von Regisseur und Tolkien-Verehrer Peter Jackson sei Dank: Mit "Die Gefährten" gelingt ihm tatsächlich eine beeindruckend werkgetreue und trotzdem eigenständige Interpretation der Welt von Mittelerde. Ein Rausch für die Sinne - hervorragend erzählt, gespielt und visuell überragend.
Der Begriff "Epos" ist für den "Herrn der Ringe" sicher angebracht: Drei Bände, über 1000 Seiten und eine komplexe Geschichte in einer detailliert beschriebenen Phantasiewelt. Dazu eine Vorgeschichte ("Der kleine Hobbit") und diverse Hintergrundbände, ebenfalls noch von Tolkien selbst verfasst. Vorbild für eine Unzahl an ähnlich gelagerten Fantasy-Abenteuern, in denen sich eine Gruppe unterschiedlich talentierter Charaktere auf eine große, gefahrvolle Reise ("Quest") begibt. Als Dreh- und Angelpunkt, quasi als "Mittel zum Zweck" dient Tolkien dabei ein von außen eher unscheinbarer Ring. Geschmiedet, um dem finsteren Herrscher Sauron die absolute Macht zu verleihen, über die Jahrtausende durch die verschiedensten Hände gegangen, die sämtlich seiner verderblichen Ausstrahlung nicht widerstehen konnten. Als der wieder erstarkte Sauron erneut ganz Mittelerde bedroht, befindet sich der Ring im Hause von Frodo Beutlin, einem gutmütigen Angehörigen des kleinwüchsigen Volkes der Hobbits. Und als der Zauberer Gandalf von der drohenden Gefahr berichtet, wird Frodo klar, dass er seine Heimat verlassen muss, um sie nicht zu gefährden. Um die Macht Saurons endgültig zu brechen, will er in dessen dunkles Königreich Mordor eindringen und den Ring dort zerstören, wo er einst geschmiedet wurde. Begleitet von seinen Freunden und beschützt von den besten Kriegern verschiedener Völker macht sich Frodo auf den Weg, der ihn in nie gesehene phantastische Welten führen wird. Dabei werden die Gefährten nicht nur von den brutalen Häschern Saurons bedroht, sondern fast noch mehr von der unberechenbaren Wirkung des mitgeführten Ringes auf ihre eigene Loyalität.
Nein, so einfach wie in dieser kurzen Zusammenfassung ist die Handlung des "Herrn der Ringe" natürlich beileibe nicht, das wird schon durch die Unmöglichkeit den Stoff in einen einzigen Film zu packen deutlich. Jeder Charakter hat seine eigene Geschichte und gelangt im Laufe der Handlung mehr als nur einmal vom geraden Wege ab. Dabei erweist sich Tolkiens Phantasie im Ersinnen faszinierender Schauplätze als nahezu grenzenlos.
Und mehr als vier Jahrzehnte nach Erscheinen des Buches bekommen wir sie - dank der heutigen technischen Möglichkeiten - auch endlich zu sehen: Die Minen von Moria, das Elbenreich Bruchtal oder die gigantischen Steinskulpturen von Minas Tirith. Die Sets sind durchweg atemberaubend und setzen die Meßlatte, was im Kino heutzutage möglich ist, wieder ein Stück höher. Die Spezialeffekte sind ebenfalls "state of the art" und dann besonders gelungen, wenn sie als solche gar nicht zu erkennen sind (Stichwort: "Hobbits"). Allerdings können Kreaturen wie der Dämon Balrog und vor allem der riesige Troll ihre digitale Computerherkunft trotzdem nicht ganz verbergen. Dennoch gibt es so viel zu bestaunen in diesem Film, dass die Gefahr besteht, die visuellen Reize könnten die eigentliche Geschichte erschlagen.
Dass dem nicht so ist liegt einerseits an der starken Romanvorlage und ist andererseits ein Verdienst des erstklassigen Darstellerensembles. Gut sind sie alle, zwei ragen heraus: Cate Blanchett hinterlässt in ihrem kurzen Auftritt als Elbenkönigin Galadriel eine erstaunliche Wirkung und Ian McKellan IST einfach Gandalf und bestimmt kein Schauspieler.
Abweichungen und Weglassungen sind bei einer Adaption unvermeidlich, aber hier sind sie auch sinnvoll und nachvollziehbar. Wenn die Figur der Elbin Arwen verändert und ausgebaut wird, dann reagiert Jackson damit auf das Defizit an starken Frauenfiguren in der Vorlage und bringt dem Zuschauer Charaktere näher, die sonst höchstens Wiedererkennungswert für Kenner hätten.
Aber die größte Leistung dieses Films ist es zweifellos die Möglichkeiten seines Mediums auch wirklich zu nutzen, um das zu zeigen was mit Worten eben nur zu beschreiben war: Das eigentlich Böse und Bedrohliche verkörpert nämlich nicht die Figur des Sauron, dessen Motivation für seine Taten auch gar nicht weiter erläutert wird. Viel zerstörerischer wirkt die Aura des Ringes, der die aufrechten Helden mehr als einmal in Versuchung führt, ihren eigenen Machtgelüsten nachzugeben. Ein schneller, gieriger Blick auf den Ring oder ein kurzes Aufflackern des Wahnsinns in den Augen der eigentlich gutmütigen Freunde macht dem Zuschauer mehr Angst als jeder Schwerter schwingende Ringgeist. In der erschreckendsten Szene des Films brüllt der eben noch sanftmütige Bilbo zu Frodo "GIB MIR DEN RING!" und sein freundliches Gesicht verzehrt sich dabei zu einer schrecklichen Fratze. Diese düstere, sehr bedrohliche Atmosphäre bleibt auch über die komplette Laufzeit erhalten und nach fast drei Stunden hat man das Gefühl so viel gesehen zu haben, dass da eigentlich nicht mehr viel kommen kann (der Kenner weiß es besser).
Es gibt also viel zu sehen und auch viel zu sagen über "Die Gefährten", aber dies bleibt als Fazit: Wenn denn schon eine Verfilmung des "Herrn der Ringe", dann ist sie anscheinend bei Peter Jackson in sehr guten Händen. Denn der beweist genug Liebe und Respekt zur Vorlage, ohne auf seine eigene Vision zu verzichten. Womit wir auch den Unterschied zu einem Auftragsregisseur wie Chris Columbus und seinem "Harry Potter" herausgearbeitet hätten. Und warum nur "anscheinend in guten Händen"? Weil wir ja noch lange nicht am Ende des Weges angelangt sind, sondern mit "Die zwei Türme" und "Die Rückkehr des Königs" noch zwei Fortsetzungen erwarten, die das Niveau des Erstlings halten müssen. Da allerdings alle drei Filme am Stück gedreht wurden und man sich ja die Fortsetzung auch nicht erst "aus den Fingern saugen" muss, gibt es keinen Grund sich nicht auf die nächsten beiden Dezembermonate zu freuen. Und nur darum auch nicht die Höchstwertung: Man darf ja schließlich auch noch auf eine Steigerung hoffen.
Originaltitel
The Fellowship of the ring
Land
Jahr
2001
Laufzeit
178 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
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