Trance - Gefährliche Erinnerung

Originaltitel
Trance
Jahr
2013
Laufzeit
101 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Simon Staake / 25. Mai 2013

bild wegMan kann ja alle möglichen Sachen verlegen, die Autoschlüssel zum Beispiel, oder die Lesebrille. Wenn man dagegen ein berühmtes Gemälde im Wert von 25 Millionen Pfund verliert ist das ein ganz anderes Kaliber. Genau dies geschieht aber in „Trance“, als eine Gangsterbande rund um Boss Franck (Vincent Cassel) Goyas „Witches in the Air“ aus einem Auktionshaus stiehlt. Bei diesem Coup wird der Auktionator Simon (James McAvoy) am Kopf verletzt und kann sich nicht erinnern, was mit dem verschwundenen Gemälde passiert ist. Also wird er dank mittels eher unschöner Methoden dazu „überredet“, bei der Psychiaterin Elizabeth (Rosario Dawson) eine Hypnosethreapie zu machen, dank der er sein Gedächtnis und damit auch den fehlenden Goya wiederfinden soll. Je tiefer Elizabeth jedoch in Simons Unterbewusstsein wühlt, desto komplizierter wird die Situation für alle Involvierten...
 

Dass Danny Boyle zu den faszinierendsten Regisseuren gehört, die momentan aktiv sind, darf man sicherlich so festhalten. Dass er sich durchaus Fragen nach Stil, der Substanz aussticht anhören muss, allerdings auch. Schließlich gibt es kaum einen Regisseur der Gegenwart, der seinem Material so gern mit Farbfiltern, unterschiedlichem Film- und Videomaterial und pulsierender Musik einen audio-visuellen Extrakick gibt. Das hat dann vielleicht beim Oscargewinner „Slumdog Millionär“ unter dem Deckmantel des modernen Märchens über die doch sehr gefälllige Storystruktur großzügig hinwegsehen lassen und ihm in „127 Hours“ ermöglicht, eine Ein-Mann-allein-in-der-Einöde-Story aufzuhübschen. Manchmal geht der audiovisuelle Overkill allerdings auch ziemlich daneben wie im legendär misslungenen „The Beach“, oder das Drehbuch bricht ausgerechnet auf den letzten Metern bedenklich ein, spiegelwie in „28 Days Later“ oder „Sunshine“.

Warum dieser kleine Diskurs? Weil „Trance“ in dieser Hinsicht wieder Meinungen spalten wird – oder es zumindest sollte. Denn auch hier kämpfen Stil und Substanz – und Stil gewinnt. Man kann Boyle ja vorwerfen, dass seine Filme manchmal eine gewisse emotionale oder intellektuelle Leere mit ordentlich audiovisuellem Brimborium zu verstecken versuchen, aber verdammt, Boyles Filme sind einfach so unglaublich lebendig, dass man sich über die meiste Zeit willig (ver-)führen lässt, was auch bei „Trance“ der Fall ist.

Audiovisuell ist dieser Film definitiv ein Highlight; ein Film, der hervorsticht. Zusammen mit seinem Kameramann Anthony Dod Mantle filmt Boyle seine Lokalitäten, die hauptsächlich aus Simons und Francks Apartments sowie Francks Nachtclub bestehen, als Traum aus Glas, Stahl und Neonlichtern. Oftmals erreicht der Film dabei eine wunderbare visuelle Eleganz. Die Kamera ist oftmals verkantet (also schräg), um in bester Film Noir-Tradition zu zeigen, dass in dieser Welt die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen, und bei kaum einem Film ist dies passender als bei „Trance“. Jedoch wäre Boyle nicht Boyle, wenn das schon alles wäre. Von der Videokamera am Hauseingang bis zur dem Charakter umgebundenen Steadycam nutzt er alle möglichen Perspektiven für sein Spiel mit Realität und Einbildung. Dazu kommt ein pulsierender Musikscore von Rick Smith, der das Ganze so richtig abrundet.

All dies gehört zur Kategorie „Stil“ und zu der kann man nur sagen: Wunderbar. Einen visuell aufregenderen Film muss man dieser Tage erstmal finden. Was ist aber nun mit der Substanz? Tja, hier wird es nun schwieriger. Denn „Trance“ ist natürlich – wir haben es oben schon angedeutet – ein Film, der von seinen Plottwists und seiner Ambivalenz zwischen Realität und Erinnerung (oder doch Einbildung?) lebt. Und so ist natürlich so gut wie nichts hier so, wie es auf den allerersten Blick scheint, Allianzen und Charaktermotivationen wechseln mehrmals und je mehr der Film und damit auch der Zuschauer sich der Wahrheit keine bewegungnähert, desto weniger scheint er zu wissen. Dieses Puzzlespiel macht eine Weile auch Spaß – hier liegt auch der Knackpunkt: Eine Weile. „Trance“ dagegen verliert irgendwann die Involvierung des Zuschauers und eventuell auch seine Geduld, denn gegen Ende wird Twist auf Twist serviert und ganz am Ende wird es dann vielleicht doch etwas zu wild.

„Trance“ fühlt sich ein wenig an wie ein Zaubertrick – faszinierend, während er abläuft, aber ein wenig ernüchternd, wenn alles vorbei ist. Dies ist so, weil „Trance“ am Ende des Tages ein Gimmickfilm ist. Und das Gimmick muss schon sehr sehr gut sein, um aus so einem Film dann einen brillanten Film zu machen, der neben der nötigen Cleverness auch emotionales Gewicht und zufriedenstellendes Storytelling sein Eigen nennt. Auch nach so vielen Jahren immer noch der Goldstandard: „Memento“. „Trance“ hat eine gewisse Cleverness – ohne Frage – aber Geschichte und Figuren stehen auf wackligeren Füßen. Da man hier keiner Figur trauen kann und eigentlich von vornherein weiß, dass hier nicht alle das sind (beziehungsweise das tun oder taten), was sie vorgeben, fällt es schwer, als Zuschauer so richtig emotional ins Geschehen involviert zu werden. Intellektuell ist das Puzzlespiel hier sicherlich nicht uninteressant, wenngleich vielleicht nicht ganz so clever, wie von den Autoren Joe Ahearne (Autor des zwölf Jahre alten TV-Films „Trance“ - jawohl, dies ist ein Remake seines eigenen Stoffes) und Boyles altem Wegbegleiter John Hodge gedacht. Aber es fehlt an Herz und Substanz. Und so richtig glaubwürdig sind einige Entwicklungen hier auch nicht unbedingt.

Fehlende Glaubwürdigkeit kann man der Darstellercrew allerdings nicht unterstellen, deren Spiel hypnosediesen Film auch entscheidend tragen muss, da er quasi aus nur drei Hauptrollen und drei Nebenrollen (die anderen Mitglieder von Francks Bande) besteht. Am Besten getroffen hat es zweifellos Rosario Dawson, der ja in den letzten Jahren keiner eine Rolle gegeben hat, die über eye candy with attitude hinaus ging. Man muss schon über zehn Jahre zurück gehen, zu „25 Stunden“, um Dawson in einer ähnlich wichtigen Rolle mit Tiefe zu finden. Kein Wunder, dass sich Dawson, die ja eh keine Angst vor Nacktszenen hat (siehe „Alexander“) für diese Rolle auch zu einer gewagten Nacktszene bereit erklärt hat, die der Großteil von Hollywoods Schauspielerinnen abgelehnt hätte. James McAvoy nutzt sein freundliches Milchgesicht, um dahinter Abgründe zu verbergen und Vincent Cassel in typischer Gangsterrolle erweist sich im Laufe des Films als verletzlicher als ursprünglich angenommen.

Was bleibt also? Wie immer bei Boyle eine Mischung aus genial und nicht-ganz-so-genial. Das ist ja auch das Besondere an Boyle. Er liefert nie wirkliche Meisterwerke ab, aber er macht immer interessante und herausfordernde Filme. Und so ein Film ist auch „Trance“ geworden. Ein Angriff auf Sehnerven, Ohren und graue Zellen, der trotz einiger Schwächen sicherlich zu den bemerkenswerteren Filmen des Kinosommers gehört. Weswegen wir wie immer bei Boyle vor Nebenwirkungen warnen, aber dennoch eine Empfehlung aussprechen. Denn sowas wie „Trance“ sieht man eben auch nicht alle Tage.

Bilder: Copyright

9
9/10

Ein durch und durch großartiger Film - spannend, optisch und akustisch erste Sahne, gute Schauspieler (Dawson/Cassel/McAvoy), und nicht zuletzt durch die vielen Wendungen abwechslungsreich.

Der beste Kinofilm, den ich in diesem Jahr bisher gesehen habe.

Und Filme mit dem Thema Kunst (speziell alte Malerei) haben bei mir eh einen Stein im Brett (wie auch "The Best Offer").

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7
7/10

Endlich mal wieder eine auf den Punkt treffende Rezension gelesen! Ich kann die Meinung des Autors deckungsgleich teilen! Ehrliche Kritikpunkte und aufrichiges Lob - nichts von einem zwanghaften Veriss (wie in letzter Zeit leider echt häufig) zu lesen.
Film: 7/10
Kritik: 10/10

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2
2/10

NIKE bringt´s auf den Punkt.
Nee, mal im Ernst, nur weil ein Film teuer aussieht und einen stylo Soundtrack hat muss er auch ernstgenommen werden? Aber mitnichten!
Gosh, dieses Drehbuch war eine Zusammenballung von Schwachsinn wie sie Hollywood nicht schlimmer hingekriegt hätte.
Das erste Viertel liess einen an einen richtig guten Heist-Film glauben, selbst wenn es nur ein Abklatsch von Inception gewesen wäre... und dann? Völlig ruppige Handlungskurven, Charakterzeichnungen die sonst so nur in Mangas vorkommen, und immer neue Schwurbelszenen, die irgendwie so irre tiefgründig wirken wollen aber einfach nur Geschwurbel sind, sorry. Inklusive einer mal rasch aus dem Hut gezauberten "Auflösung" die an Logikfehlern nicht zu überbieten ist.
Jetzt macht Britannien also auch schon mit beim neuen Film-Volkssport: irre Bilder, coole Mucke, alles wirkt so spitzenmässig durchgestylt - und wenn man auf die Handlung blickt: ein kleiner Furz von heisser Luft, eine Beleidigung des IQ jedes Kinobesuchers. Muss das sein? Soll Kino in so eine Richtung gehen?
Ganz schlimme Enttäuschung, dass Boyle so ein Drecks-Drehbuch durchgehen lässt hat fast schon "Prometheus"-Dimension.... und das will was heissen.

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1
1/10

Was für ein enttäuschender Müll. McAvoy macht diesen Schund mit seinem miesen Schauspiel noch schlimmer. Dazu noch unnötig heftige Brutalität und Hypnose-Schwachsinn hoch zehn.

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Anfangs sah alles noch gut aus - schöne Bilder, tolle Farben - bis die nervtötende Musik alles kaputt haute. Nicht viel später dann konnte ich dem Film überhaupt nicht mehr folgen. ich war vielleicht auch schon zu genervt von dem Müll. Als denn Cassell de halbe Kopf weggeschossen wurde, hab ich abgeschaltet. Schade - hätte ich früher machen sollen.

Ist ein Scheißfilm...

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8
8/10

Einer der besten Filme von Danny Boyle! Sehr, sehr guter Film, der es geschafft hat mich in eine andere Welt zu entführen. Trance als Titel passt perfekt, denn so fühlt man sich auch beim zuschauen. Hypnotischer Soundtrack, fantastische Inszenierung und top Schauspielleistungen, besonders die von James McAvoy und Rosario Dawson (welcher Mann könnte der Darstellung von ihr in diesem Film nicht erliegen). Die Zeit wird zeigen wie lange er bei mir nachwirken kann, im Moment tut er es und aufgrund dessen bin ich aus der Euphorie heraus sogar bereit über 9 Punkte zu sprechen.

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