Señor Kaplan

Originaltitel
Mr Kaplan
Jahr
2014
Laufzeit
98 min
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Matthias Kastl / 15. Juli 2015

Im Kreise der Verwandten Es ist eine schmerzvolle Tatsache, dass nicht jeder von uns im hohen Alter zufrieden auf sein Lebenswerk zurückblicken kann. Unsere Träume, Sehnsüchte und Ziele lassen sich eben im Lebensverlauf oft nicht so leicht mit der Realität in Einklang bringen. So ist in der aus Uruguay stammenden Tragikomödie “Señor Kaplan“ der Wunsch des alternden jüdischen Familienoberhauptes Jacob (Héctor Noguera) nach einer finalen Heldentat, mit der er noch schnell einen Platz in den Geschichtsbüchern ergattern könnte, mehr als nachvollziehbar. Und sich mit 76 Jahren mal eben auf die Jagd nach einem Naziverbrecher zu begeben klingt nach einem Abenteuer, dem man nur zu gerne im Kino beiwohnen möchte. Dass „Señor Kaplan“ am Ende aus dieser emotional aufgeladenen Ausgangssituation nicht wirklich viel macht, liegt allerdings nicht an der Entscheidung, der Hauptfigur noch eine weitere Person in Form eines abgehalfterten Ex-Polizisten an die Seite zu stellen, die den Film in die Richtung bittersüßes Buddy-Movie lenkt. Problematisch ist dagegen, dass man sich hierbei fast komplett auf die gute Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren verlässt, während die eigentliche Story relativ uninspiriert und behäbig auf ein erschreckend nichtssagendes Ende zusteuert.

Dabei ist ein nichtssagendes Ende ja genau das, was die Hauptfigur Jacob Kaplan eigentlich in ihrem Leben vermeiden möchte. Einst als Kind vor den Nazis von Polen nach Uruguay geflüchtet, blickt der nun in Montevideo lebende Rentner im Jahre 1997 frustriert auf sein Leben zurück. Konfrontiert mit dem eigenen körperlichen Verfall und einer Familie, die ihm aufgrund seiner Gesundheit auch noch das Autofahren verbieten möchte, sehnt sich Jacob nach einer Chance, es doch noch einmal der ganzen Welt zu zeigen. Da kommen die Fernsehberichte rund um deutsche NS-Kriegsverbrecher, die sich in Uruguay einen schönen Lebensabend gönnen, genau richtig. Mit dem deutschen Besitzer einer Strandbar (Rolf Becker) hat Jacob dann auch schnell einen ersten Verdächtigen ausgemacht. Ohne Führerschein und Auto ist die Jagd auf Kriegsverbrecher aber natürlich etwas mühsam und so sichert sich Jacob notgedrungen die Fahrdienste des heruntergekommenen Ex-Polizisten Wilson (Néstor Guzzini). Obwohl dieser eigentlich genug eigene Probleme hat, leckt dieser bei der Verbrecher-Jagd ebenfalls schon bald Blut - wer möchte schließlich eine Chance auf einen Eintrag in die Geschichtsbücher verpassen.Die Detektive bei der Arbeit

Um gleich auf den Punkt zu kommen: Die große Stärke des Films ist, neben der interessanten Ausgangssituation, vor allem das Charisma der beiden Hauptdarsteller. Héctor Noguera und Néstor Guzzini sind der Motor, der “Señor Kaplan“ lange Zeit am Laufen hält. Noguera spielt den kauzigen Opa mit einer Dosis grantigem Rentner und einer Prise schlitzohrigem Lausbub, der mal eben aus der Hintertür ausbüxt um sich Aufregenderem zu widmen als seiner nervigen Familie. Dabei begegnet Noguera der Figur genau mit dem richtigen Mix aus Humor und Respekt, damit diese nie zu weit in Richtung Karikatur abdriftet. Exakt mit den gleichen Worten kann man auch die Leistung von Néstor Guzzini beschreiben. Sein Wilson besitzt viele Merkmale des klassischen dümmlicheren Sidekicks, erarbeitet sich aber mit laufender Spielzeit gekonnt den Respekt und die Sympathie des Zuschauers.

Leider gilt das nicht für die Nebenfiguren, bei denen insbesondere die Familie von Jacob relativ grob gezeichnet herüberkommt und auch sonst niemand der anderen Figuren wirklich heraussticht. So ist es dann auch einzig die Dynamik zwischen Jacob und Wilson, die dem Film seine besten Momente beschert. Während Jacob bei seinen Ermittlungen möglichst organisiert vorgehen möchte, dabei aber oft mehr Schaden als Nutzen hervorruft und zu teils haarsträubenden Schlussfolgerungen gelangt, ist Wilson eher der emotionale Bauchmensch, der den Kopf dann meist doch etwas zu spät einschaltet. Genau dieses klassische Buddy-Zusammenspiel verleiht dem Film einen Charme, der die Schwächen des Drehbuches lange Zeit zumindest teilweise übertüncht. Je weiter der Film fortschreitet, desto auffälliger wird aber, dass unser charismatisches Duo durch eine eher uninspirierte Handlung stolpert.

Die Nazi-Jagd ist nachher nämlich nicht so spannend wie erhofft – und auch nicht so humorvoll. Jacob und Wilson UndercoverDie Angst Jacobs vor dem eigenen Tod und davor nichts im Leben erreicht zu haben ist natürlich thematisch harter Tobak und so ist es durchaus verständlich, dass “Señor Kaplan“ die Story schnell in weichere Humor-Watte einpackt. Der Film entwickelt sich so bald zu einem leichteren Buddy-Movie, so dass der eigentliche Grund für Jacobs Mission schon fast in Vergessenheit gerät. Doch so richtig konsequent und kreativ wird dieser Weg nicht beschritten. Viele Szenen ziehen sich deutlich in die Länge, wirken etwas behäbig und bringen oft weder die Story voran oder bieten genügend Humor. Viel ist dann auch einfach zu vorhersehbar und abgedroschen, als das man sich dafür begeistern könnte. So landen Jacob und Wilson zum Beispiel bei ihren Recherchen ausgerechnet in einer Striptease-Bar. Auch wenn diese Szene, übrigens auf Kosten einer deutschen Fussballlegende, mit den besten Gag des Films liefert, ist sie doch ein gutes Beispiel für die Einfallslosigkeit der Macher: sie dauert viel zu lange, wirkt konstruiert, dreht sich im Wesentlichen nur um einen Gag und man hat sie schon in dutzenden Filmen so ähnlich gesehen.

Dass der nötige Drive fehlt liegt dabei nicht unbedingt an der Inszenierung, denn hier baut Regisseur Álvaro Brechner durchaus die ein oder andere gelungene Auflockerung mit ein – ein kleine Western-Hommage am Ende sei hier zum Beispiel erwähnt. Doch das von ihm verfasste Drehbuch bietet einfach nicht genug Substanz um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Der dramatische Unterton wird ziemlich schnell zugunsten eines relativ vorhersehbaren Buddy-Road-Movies geopfert, welches lieber auf leichten und berechenbaren Humor setzt als auf Tiefgang. Da kann dann auch das exotische Setting in Uruguay nicht darüber hinwegtäuschen - “Señor Kaplan“ ist Art-House-Kino der simpleren Sorte.

Ganz deutlich wird das am Ende, bei dem selbst unser charismatisches Duo den Film nicht mehr vor der Belanglosigkeit retten kann. Natürlich ist der Weg das Ziel aber wenn am Ende eine derart überhastete und langweilige Auflösung auf den Zuschauer wartet ist man als treuer Wegbegleiter dann doch frustriert. Schließlich erwartet man ja zumindest irgendeine Art der Katharsis für Jacob und Wilson. Doch am Schluss hat man nicht wirklich das Gefühl, als ob dieses Abenteuer beide nun wirklich verändert hätte. Bei einem ernsten Film wäre dieses Understatement von einem Ende vielleicht eher passend, doch für einen Film, der sich eindeutig für die leichte und oberflächliche Herangehensweise entschieden hat, ist das einfach unglücklich. Da helfen dann leider auch zwei charismatische Hauptdarsteller nicht, einen Eintrag in die Geschichtsbücher wird es für “Señor Kaplan“ nicht geben.

Bilder: Copyright

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