
Dreizehn
Jahre nach seinem grandiosen Epos "Der mit dem Wolf tanzt"
wagt sich Kevin Costner ein weiteres Mal an das in
Hollywood fast
schon vergessene Western-Genre. "Open Range" erzählt
die Geschichte der so genannten "Freegrazer" Charley Waite
(Kevin Costner) und Boss Spearman (Robert Duvall), die
abseits der
fortschreitenden Zivilisation Rinder über freies Weideland
treiben. Als sie schließlich das Örtchen Harmonville
streifen, treffen sie auf den Tyrannen und Rinderbaron
Denton Baxtor
(Michael Gambon), der die über die Ausläufer seiner
Ländereien
ziehenden "Freegrazers" zutiefst verabscheut und die neue
Zeit und das neue Besitzrecht auf seiner Seite sieht. Es
kommt zum
unausweichlichen Konflikt.
In seiner Dramaturgie erinnert "Open Range" sehr stark
an große Western-Klassiker wie "12 Uhr mittags".
Alles läuft auf das große Finale am Ende hinaus, die
Handlung schreitet demnach zunächst eher gemächlich voran.
Costner nimmt sich lieber viel Zeit für die Einführung
und Entwicklung seiner Charaktere, während Kameramann
James
Muros die Schönheit der "Open Range" in wunderbaren
Landschaftsaufnahmen
einfängt. Unterstützt vom majestätischen Soundtrack
blitzt hier der Traum von Weite und Freiheit auf, den
Costner schon
mit seinem ersten Western so eindringlich beschworen hat,
und hier
zeigt er ein weiteres Mal, dass er dies meisterhaft
beherrscht.
Sehr schnell fühlt man sich gefangen von der Schönheit
der Natur und vom Leben in Unabhängigkeit, diese Momente
gehören
eindeutig zu den Stärksten des Films.
Leider kann man dies für die Darstellung der Figuren nur
sehr
begrenzt behaupten. So wirken die Charaktere meist arg
konstruiert
und unglaubwürdig. Da gibt es zum einen den weisen Mentor
Boss
Spearman, im übrigen hervorragend gespielt von Robert
Duvall,
zum anderen den durch und durch fiesen Bösewicht Denton
Baxtor,
und dann natürlich den innerlich zerrissenen Helden
Charley
Waite alias Kevin Costner.
Waite kämpft mit seiner eigenen blutigen Vergangenheit, in
der er nach eigener Aussage "nie ein Problem mit dem
Töten"
hatte. Seine Figur erinnert hier überraschend stark an
Clint
Eastwoods Charakter aus "Erbarmungslos". Während
Eastwood die Idee des ambivalenten Helden in einem
schonungslosen
Schlussakt jedoch konsequent zu Ende denkt, flüchtet sich
Costner
hier in Kompromisse und verpasst die Gelegenheit, Stellung
zu seiner
Figur zu beziehen. Zu allem Übel verliebt sich Waite
schließlich
auch noch in die warmherzige Sue Barlow (Annette Bening).
Leider
entwickelt sich gerade diese Liebesgeschichte mit
zunehmender Dauer
zur großen Schwäche des Films. Zu keiner Zeit kann dieser
Part den Eindruck der Künstlichkeit ablegen.
Da
kommt das große Finale zwischen Gut und Böse gerade recht,
um den Film zurück in die richtige Spur zu führen, was
ihm dann glücklicherweise auch gelingt. Selten hat man den
Krach eines Colts und die Wucht einer abgefeuerten Kugel
derart
hautnah zu spüren bekommen wie hier. So entschädigt die
solide Action schließlich auch für die arg kitschig
geratene
Endszene, die hier ausnahmsweise gleich in doppelter Form
vorliegt.
Warum wird wohl vorerst ein Geheimnis des Mannes am
Schneidetisch
bleiben.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass Costner die Messlatte, die er mit "Der mit dem Wolf tanzt" sehr hoch gelegt hat, natürlich nicht antasten kann, was höchstwahrscheinlich aber auch gar nicht seine Absicht war. "Open Range" ist ein handwerklich durchaus ansprechender Film, der zwar viele kleine Schwächen hat, aber in der heutigen Zeit der Hollywood High-Tech-Action erfrischend anders daherkommt. Wer über die vielen Klischees hinweg sehen kann und gerne mal wieder einen altmodischen Western sehen möchte, dem ist "Open Range" durchaus zu empfehlen.
Neuen Kommentar hinzufügen