Das Zeiträtsel

Originaltitel
A Wrinkle in Time
Land
Jahr
2018
Laufzeit
109 min
Regie
Release Date
Bewertung
3
3/10
von Maximilian Schröter / 1. April 2018

Madeleine L’Engles 1962 erschienener Roman „A Wrinkle In Time“ (ins Deutsche übersetzt zunächst als „Die Zeitfalte“) zählt in den USA seit Jahrzehnten zu den Klassikern der Kinder- und Jugendbuchliteratur. 2003 wurde das Buch um drei Kinder, die sich auf eine Reise durch Raum und Zeit begeben, um ihren verschwundenen Vater zu finden, erstmals verfilmt – damals noch fürs kanadische Fernsehen. 15 Jahre später können sich Fans des Buches nun auf die mit großem Budget ausgestattete, bildgewaltige Kinoversion freuen. Besonders hoch sollten sie ihre Erwartungen dabei aber nicht schrauben, denn was Regisseurin Ava DuVernay („Selma“) und die Drehbuchautoren hier abliefern, ist alles in allem ein ziemlicher Rohrkrepierer mit Einschlafgarantie.
 

Storm ReidMeg Murry (Storm Reid) ist 13 Jahre alt und gilt in der Schule als Außenseiterin. Seit dem mysteriösen Verschwinden ihres Vaters (Chris Pine) lebt sie nur noch mit ihrem kleinen, hochintelligenten Bruder Charles Wallace (Deric McCabe) und ihrer Mutter (Gugu Mbatha-Raw) zusammen. Mit ihrer Überzeugung, dass der Vater noch am Leben und als Folge eines seiner physikalischen Experimente in eine andere Welt teleportiert worden ist, stehen die drei ziemlich alleine da. Als eines Nachts die seltsame Mrs. Soundso (Reese Witherspoon) bei ihnen zuhause auftaucht, erhalten Meg und Charles Wallace jedoch erste Hinweise darauf, dass an ihrer Theorie tatsächlich etwas dran sein könnte. Mrs. Soundso erzählt ihnen nämlich, dass die Theorien des von der Fachwelt stets als Spinner belächelten Vaters korrekt sind und auch die von ihm postulierte Möglichkeit der Reise durch Zeit und Raum mithilfe eines „Tesseract“ Realität ist. Zusammen mit Megs Schulkameraden Calvin (Levi Miller) begegnen die Geschwister Mrs. Soundso am nächsten Tag erneut. Diese stellt ihnen ihre nicht weniger wundersamen Freundinnen Mrs. Wer (Mindy Kaling) und Mrs. Welche (Oprah Winfrey) vor. Die drei Damen entpuppen sich als übernatürliche, nicht von dieser Welt stammende Wesen und schicken die Kinder auf eine intergalaktische Reise, auf welcher Meg und Charles Wallace nicht nur ihren verschollenen Vater finden sollen, sondern auch noch das ultimative Böse bekämpfen müssen.
 

Diese Inhaltzusammenfassung klingt ziemlich nach dem Standardmuster einer Fantasygeschichte für Kinder- und Jugendliche: Man nehme ein paar junge Helden, die von ihren besonderen Fähigkeiten noch nichts ahnen, und schicke sie auf eine Reise, die in jeder Hinsicht ihre kühnsten Vorstellungen übertrifft und sie über sich selbst hinauswachsen lässt. Der Aufbau der Geschichte bietet also wenig Neues – und das ist ja auch nicht schlimm, schließlich hält man sich dabei an die Romanvorlage, und auch alle anderen modernen Mythen von „Star Wars“ bis „Harry Potter“ orientieren sich an diesen uralten Erzählstrukturen.Deric McCabe & Reese Witherspoon Das große Problem an „Das Zeiträtsel“ ist schlicht und einfach die filmische Umsetzung der Geschichte, die wirklich in so gut wie allen Bereichen gründlich misslungen ist.

Das geht schon beim Drehbuch los, das die Charaktere immer wieder gestelzt und unglaubwürdig daherreden lässt und insbesondere die Kinder bisweilen zu wirklich unsympathischen Figuren werden lässt, die einen mit altklugen Sätzen nerven. Den Vogel schießen die Drehbuchautoren aber mit einer Dialogzeile ab, die sie Megs Begleiter Calvin in den Mund legen. Die Handlung verlangt es nun einmal, dass dieser sich Meg und ihrem Bruder anschließt, obwohl er zuvor zu keinem von beiden eine Freundschaft oder sonst irgendeine enge Verbindung hatte. Also lässt ihn das Drehbuch ganz einfach plötzlich auf der Straße auf Meg treffen, wo er tatsächlich sagt, er habe einfach das Gefühl gehabt, genau zu diesem Zeitpunkt dort auftauchen zu müssen. Dass er, Meg und Charles Wallace sich im Lauf des Films treffen und das Abenteuer gemeinsam bestehen müssen, dürfte wie gesagt den meisten Zuschauern klar sein, die schon ein paar ähnliche Geschichten gesehen oder gelesen haben. Ein Film dieser Art ist zumindest zu einem gewissen Grad immer etwas vorhersehbar. Aber man darf von den Machern doch zumindest die Kreativität erwarten, die vorgegebenen Strukturen der Geschichte so weit zu verschleiern, dass die Figuren diese nicht selbst aussprechen müssen. Die angesprochene Dialogzeile wirkt jedenfalls wie ein Platzhalter aus einer frühen Drehbuchfassung, nach dem Motto: hier irgendeine interessante Zeile einfügen, die die Motivation hinter dem Handeln der Figur erklärt. Nur hat diese Platzhalter-Zeile leider bis in den fertigen Film überlebt…

Der Einstieg in die Geschichte und damit der Beginn der abenteuerlichen Reise gestaltet sich zumindest recht flott. Auf die erste Begegnung mit Mrs. Soundso folgt wie erwähnt bald die zweite, bei der sich dann auch Oprah Winfreys Mrs. Welche zum Cast gesellt. Der Name der Schauspielerin und US-Medien-Ikone prangt auf dem Filmplakat ganz oben, obwohl sie hier eigentlich nur in einigen Kurzauftritten zu sehen ist.Balancieren auf CGI-Felsen Im Gegensatz zu ihren beiden Begleiterinnen erscheint Mrs. Welche dabei zunächst als überlebensgroße, in den Himmel ragende Figur. Was wie ein Kommentar auf Oprahs Status in der US-Medienlandschaft wirkt, irritiert beim Zuschauen dadurch, dass man nie das Gefühl hat, sie und die anderen, zu Mrs. Welche hochblickenden Darsteller würden wirklich in derselben Szene spielen. Auch als Meg, Charles Wallace und Calvin etwas später im Film auf dem Rücken eines fliegenden Wesens an der riesigen Mrs. Welche vorbeifliegen, kommt nicht die Illusion zustande, sie würden tatsächlich Blickkontakt mit ihr aufnehmen. Und so darf Oprah Winfrey in ihren Szenen ständig irgendwelches esoterisches Zeug über Liebe und das Universum faseln und dabei fast jedes Mal ein anderes seltsames, vage an „Die Tribute von Panem“ erinnerndes Kostüm tragen, ohne dass all das einen anderen bleibenden Eindruck beim Zuschauer hinterlässt als vielleicht den der Irritation. Auch Reese Witherspoon und Mindy Kaling als Mrs. Soundso und Mrs. Wer bleiben reine Stichwortgeber, die immer wieder mal auftauchen, einen Hinweis von sich geben und dann wieder verschwinden.

Die angesprochene Künstlichkeit der Bilder setzt sich leider durch den gesamten Film fort. Ab dem Beginn ihres Abenteuers finden sich die Kinder in verschiedenen fremden Welten wieder. Es mag zutreffen oder nicht, aber man hat zumindest in allen diesen Szenen das Gefühl, das die Darsteller nur vor einen Greenscreen gestellt und all die farbenfrohen Hintergründe und Wesen nachträglich eingefügt worden sind. Am schlimmsten ist diesbezüglich eine Szene, in der die Charaktere – warum auch immer – alle auf wippenden Felsbrocken stehen, während sie miteinander sprechen, und ihr Gleichgewicht halten müssen, um nicht herunterzufallen. Das wirkt einfach nur lächerlich und überflüssig, während es einen gleichzeitig nach dem natürlich nicht vorhandenen Gamepad greifen lässt, weil man sich hier an Videospiele erinnert fühlt.

Es verschlägt die drei Hauptprotagonisten in mehrere solcher unecht wirkenden CGI-Welten,Oprah meist ohne dass dies die ohnehin dünne Handlung nennenswert voranbringen würde. Immerhin machen dabei Storm Reid als Meg und Levi Miller als Calvin ihre Sache zumindest ganz okay. Deric McCabe als Wunderkind Charles Wallace hingegen stieß zumindest beim Autor dieser Zeilen im Lauf des Films auf immer größere Ablehnung. Der Kleine soll wohl süß und knuddelig wirken, kommt stattdessen aber ganz einfach nur arrogant und unsympathisch rüber.

Nicht nur sind die einzelnen Teile des Zeiträtsels also zum Teil gründlich misslungen, hier mag sich zudem auch nichts zu einem großen, harmonischen Ganzen zusammenfügen. Ein extrem unausgegorenes Drehbuch, immer wieder äußerst künstlich wirkende Bilder und eine langweilige, sich über 109 Minuten schleppende Handlung sorgen dafür, dass einen das Geschehen auf der Leinwand nach spätestens 30 Minuten vollkommen kalt lässt. Zwar darf man mit Freude registrieren, dass mit Ava DuVernay erstmals einer schwarzen Regisseurin ein Budget der Größenordnung jenseits der 100 Millionen Dollar anvertraut worden ist und auch der Film selbst ein schwarzes Mädchen in den Mittelpunkt stellt. Doch das fertige Ergebnis lässt sich in diesem Fall wirklich nicht schönreden, denn „Das Zeiträtsel“ ist ganz einfach todlangweilig und schlecht – und damit eine der ganz großen Enttäuschungen dieses Kinojahres.

Bilder: Copyright

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