House of the Dragon (Staffel 1, Folgen 1-6)

von Matthias Kastl / 18. August 2022

Willkommen zurück auf Westeros. Bereits nach wenigen Sekunden wird in der ersten Folge von „House of the Dragon“ deutlich erkennbar die Titelmelodie von „Game of Thrones“ im Soundtrack aufgegriffen und nur wenige Augenblicke später schwingt sich ein Drache auf zu seinem imposanten Flug über das nur allzu bekannte Königsmund. Die meisten Fans dürften sich nun schon beim Mitsummen ertappen, so vertraut fühlen sich die ersten Momente der Prequel-Serie an. Vom Look, der Inszenierung, den Locations bis hin zur Story – „House of the Dragon“ möchte von Anfang an seinem Publikum die Rückkehr in die Welt von Fantasy-Autor George R. R. Martin so leicht wie möglich gestalten.

Das man hier beim Serienstart auf sehr viel Altbekanntes setzt soll aber gar kein Kritikpunkt sein, denn die uns bisher gezeigten ersten sechs Folgen von „House of the Dragon“ machen über weite Strecken einfach Spaß. Mal ganz abgesehen von den wie gewohnt tollen optischen Schauwerten - nirgends sind Intrigen gleichzeitig so niederträchtig und faszinierend wie in Westeros. Dank zwei sehr charismatischer Hauptfiguren, einigen wundervoll-spitzzüngigen Dialogen und erster gelungener emotionaler Höhepunkte nimmt die Serie schon zu Beginn gleich richtig gut an Fahrt auf. Schade nur, dass man sich in der Mitte der ersten Staffel dann ein klein wenig selbst ausbremst.

„House of the Dragon“ ist zwar etwa 170 Jahre vor den Ereignissen von „Game of Thrones“  (unsere Review zu Staffel 1-4 und Staffel 5) angesiedelt, doch schon damals war der berüchtigte eiserne Thron in der Hauptstadt Königsmund ein ziemlich unsicherer Aufenthaltsort. Eine geklärte Nachfolgeregelung würde der Regentschaft des König Viserys I. Targaryen (Paddy Considine, „The World's End“, „Macbeth“) deutlich an Stabilität verleihen, doch leider will es mit dem männlichen Nachwuchs einfach nicht klappen. Kurzerhand erklärt der König darum seine junge Tochter Rhaenyra (Milly Alcock) zur Nachfolgerin. Soviel Fortschritt ist wiederum für Viserys impulsiven Bruder Daemon (Matt Smith, „The Crown“, „Womb“) dann doch zu viel, schließlich gehört für ihn ein richtiger Mann auf den Thron. So wie er selbst zum Beispiel. Auch der Berater des Königs (Rhys Ifans, „The Amazing Spider-Man“, “Snowden“) hat bereits eine Idee, wie er seinen Familiennamen elegant auf dem Thron platzieren könnte. Und wie man es aus Westeros ja bereits gewohnt ist, glühen auch in den Hinterzimmern anderer Familien bereits die Köpfe. Mögen die Spiele beginnen...

Die etwas gehetzt wirkende letzte Staffel von „Game of Thrones“ hat ja bei vielen Fans für einigen Unmut gesorgt. Der einstige Publikumsliebling verabschiedete sich so mit einem deutlich negativen Beigeschmack und die Schuldigen waren für viele mit den Serienschöpfern David Benioff und D. B. Weiss schnell gefunden. Spätestens als sich vor kurzem auch noch George R. R. Martin öffentlich darüber beschwerte, bei den letzten Staffeln von den beiden gar nicht mehr richtig konsultiert worden zu sein, dürfte sich dieses Bild bei vielen endgültig verfestigt haben.

Verfechter dieser Theorie (die es sich allerdings auch ein klein bisschen zu einfach macht) dürften nun aufatmen, denn Benioff und Weiss sind weitergezogen und George R. R. Martin ist bei „House of the Dragon“ nun auch wieder direkt mit an den ersten Drehbüchern beteiligt. Das Prequel basiert auf dessen Buch „Feuer und Blut“, welches für das „Games of Thrones“-Universum so etwas wie Tolkiens „Silmarillion“ für die „Herr der Ringe“-Welt ist: eine im Stile eines Chronisten eher nüchtern erzählte Geschichtsstunde, in diesem Fall rund um den Aufstieg und Untergang des Hauses Targaryen.

Wie praktisch, dürften sich die Macher gedacht haben, dass ein Großteil dieser Geschichte sich wieder an so vertrauten Orten wie der Hauptstadt Königsmund oder der Burg Drachenstein abspielt – da kann man ja die alten Sets wieder auspacken. Und tatsächlich wirkt die Serie in den ersten Folgen so unglaublich vertraut, weil man eigentlich so gut wie jede Location schon einmal gesehen hat. Mal abgesehen von der einen oder anderen leichten kosmetischen Änderung – 170 Jahre scheinen auf den Modegeschmack und die Architektur offensichtlich nur geringfügige Auswirkungen gehabt zu haben.

Inhaltlich ist das Leben am Hof uns ebenfalls mehr als vertraut. So trifft sich der Beraterstab des Königs wie immer regelmäßig um die Lage zu diskutieren, werden prunkvolle Ritterturniere ausgerichtet, Gäste vom König auf dem eisernen Thron empfangen und natürlich jeder kleine Spaziergang für politische Ränkespiele genutzt. Und ab und zu geht es natürlich in den Puff.

All das ist dann auch im gleichen Look und Feel wie „Game of Thrones“ inszeniert. Gefühlt hält man sich beim Sex diesmal allerdings ein wenig bedeckter (bzw. sind diese Szenen inhaltlich nicht ganz so plump integriert wie noch in den ersten Staffeln der Vorgängerserie), was man über die wieder teils sehr grafischen Gewaltszenen allerdings nicht wirklich behaupten kann. Von Anfang an setzt man auch wieder auf die epische Karte und nutzt dabei vor allem die größere Bedeutung der Drachen für die Story, um ordentlich Spektakel zu veranstalten.

Ja, irgendwie fühlt sich das alles an wie alte Sets mit neuen Leuten. Doch glücklicherweise punktet die Serie zu Beginn gerade in den wohl wichtigsten Kategorien, nämlich Figuren und Story. Mit Rhaenyra und Daemon treffen wir hier auf zwei unglaublich charismatische und interessante zentrale Protagonisten, die beide alleine schon durch ihre Präsenz Spannung erzeugen. Milly Alcock, deren Rhaenyra nicht nur optisch stark an Daenerys aus „Game of Thrones“ erinnert, glänzt dabei durch eine wundervolle Mischung aus kindlicher Sturheit und im weiteren Verlauf immer kühler werdender Berechnung. Der wundervolle Matt Smith wiederum ist die Idealbesetzung für den impulsiven, lakonischen und stets leicht gekränkt wirkenden Daemon. Einfach toll, wie Smith sich hier schon sehr früh in die Rolle eines wundervollen Bösewichts eingroovt.

Alleine der Auftritt von Paddy Considine als König Viserys I. Targaryen grenzt vereinzelt ein wenig zu stark ans Tölpelhafte. Das macht es manchmal schwierig zu glauben, wie zum Teufel der Mann sich so lange auf dem Thron halten konnte. Auf der anderen Seite funktioniert aber die weiche Seite von ihm wundervoll in Verbindung mit seiner Tochter Rhaenyra und sorgt für einige warme und sehr persönliche Szenen – in dieser Welt ja durchaus eine willkommene Abwechslung. Bei den Nebenrollen haben nur wenige am Anfang wirklich Zeit sich ins Rampenlicht zu spielen, und so sticht eigentlich lediglich Rhys Ifans als kühler Berater des Königs (mit einer ordentlichen Portion Eigeninteresse) hier ein wenig hervor.

Einer der interessantesten Punkte der Serie ist, wie „House of the Dragon“ die Bedeutung von Kindern in das Zentrum seiner Geschichte stellt – das war ja bereits auch schon eines der zentralen Motive in „Game of Thrones“. Hier wird dies noch mal besonders intensiv genutzt, da jede Geburt hier auch eng mit Plänen und taktischen Interessen verbunden ist, was für einige wirklich sehr emotionale und intensive Momente sorgt. Wieder einmal glänzt die Welt von Westeros darin uns faszinierende Einblicke in die moralisch korrumpierten Schachbretter der Mächtigen zu gewähren, und es ist wieder mal eine wahre Freude allen Beteiligten bei diesem Ränkespiel über die Schultern zu schauen. Dabei tut es der Intensität der Serie sehr gut, dass sich die ersten Folgen fast wirklich nur in Königsmund abspielen und man sich auf eher wenige Figuren beschränkt.

Gerade angesichts der eher nüchtern gehaltenen Buchvorlage ist das also über weite Strecken ein richtig gelungener und emotional befriedigender Serienauftakt. Doch die Buchvorlage gibt der Serie leider auch eine Herausforderung auf den Weg, mit der sie schon in den ersten Folgen spürbar etwas zu kämpfen hat. Da das Buch einen größeren Zeitraum zusammenfasst, entscheidet man sich schon in den ersten vier Folgen für den einen oder anderen kleinen Zeitsprung, deren Timing aber manchmal etwas unglücklich gewählt wirkt. Gerade weil die Story eigentlich immer spannend ist, fühlt man sich als Zuschauer schon fast ein bisschen betrogen, wenn die Serie mal eben auf Vorspulen klickt und ein oder zwei Jahre überspringt – und das eben gerade dann, wenn es gefühlt eigentlich noch so viel Interessantes zu entdecken gibt.

Das man die Zeit stattdessen dafür nutzt uns in der fünften Folge zum Beispiel deutlich mehr Soap-Opera-Handlung zu geben, ist dann schon fast ein bisschen ärgerlich, auch wenn dies natürlich auch irgendwie zu dem Serienuniversum dazugehört. Doch die umstrittenste Entscheidung trifft die Serie dann in der sechsten Folge, wo man in gewisser Hinsicht ein klein wenig den emotionalen Reset-Knopf drückt. So richtig nachvollziehbar ist diese Entscheidung, gerade was den Zeitpunkt angeht, nicht wirklich. Es fühlt sich an als ob jemand einmal kräftig auf die Bremse drückt, um dann den Motor neu zu starten. Blöd nur, wenn man eigentlich gerade den Fahrtwind genossen hat.

Auch wenn das ein wenig frustrierend ist, die ersten Folgen von „House of the Dragon“ machen trotzdem Hoffnung, dass diese Serie wieder schnell an Fahrt aufnehmen kann. Und so vertraut die Landschaft da draußen aus dem Fenster auch wirken mag, es ist bisher trotzdem eine sehr unterhaltsame Reise. In wieweit „House of the Dragon“ aber auch noch mehr Eigenständigkeit entwickeln kann, um auch langfristig zu begeistern, dazu lässt sich jetzt natürlich noch nichts sagen. Gerade die Entwicklung spannender Nebenfiguren, die ja auch bei „Game of Thrones“ das Salz in der Suppe waren, benötigt natürlich Zeit. Doch der Start von „House of the Dragon“ bietet genug Gründe dafür, der Serie diese Zeit zu geben.

Die erste Staffel von "House of the Dragon" startet mit der ersten von zehn Folgen am 22. August 2022 auf Sky. Danach erscheinen die ausstehenden Folgen jeweils im Wochenrhythmus jeden Montag.

Bilder: Copyright

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